Junge Akademiker verändern Österreichs Politik

70 Jahre Arbeitsgemeinschaft Katholischer Verbände
Ausgabe Nr. 19
  • Bildung
Autor:
Gemeinsam auftreten: Marlis Schmidt und Philipp Stadler-Simbürger verstehen einander auf
Augenhöhe. Beiden sind die gleichen Werte wichtig und beide können Extrempositionen nichts abgewinnen.
©Stephan Schönlaub

Erfahre über zwei junge Akademiker, die die Positionen in ihrem Verband nutzen, um kulturelle und politische Veränderungen zu fördern.

Die Arbeitsgemeinschaft Katholischer Verbände feiert in diesem Jahr ein Jubiläum: Zum 70-jährigen Bestehen dieses Verbandes, der wie die Katholische Aktion im Katholischen Laienrat aktiv ist, traf Der SONNTAG Marlis Schmidt und Philipp Stadler-Simbürger. Die beiden sind jeweils in farbentragenden Hochschulverbindungen Mitglied, die in der AKV vertreten sind. Warum haben sich die Mitarbeiterin im Innenministerium und der Student an der Wirtschaftsuniversität bewusst darüber hinaus für ein österreichweites Engagement entschieden? 

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Vor gut zwei Jahren ist Philipp Stadler-Simbürger, 23 Jahre jung, der katholischen Studentenverbindung Babenberg in Wien beigetreten. Der WU-Student hat sich gleich wohlgefühlt auf der sogenannten „Bude“, wie die Vereinslokale der Verbindungen genannt werden. Heute hat der junge Mann die Funktion des Vorortspräsidenten inne. Damit leitet er den Österreichischen Cartellverband, kurz ÖCV, und vertritt 50 Verbindungen und 13.000 Kartellbrüder. Wie erklärt Stadler-Simbürger, was er hier eigentlich macht? „Ja, der Titel klingt etwas sperrig, aber am Ende des Tages sehe ich meine Aufgabe darin, einen Teil der Gesellschaft mitzugestalten.“ 

Getrennte Gruppen für Studentinnen und Studenten – ein Widerspruch?

Marlis Schmidt ist dem jüngeren Kartellbruder bereits einige Schritte voraus: Die heute 32-Jährige hat nach ihrem Studium der internationalen Betriebswirtschaft im Innenministerium eine interessante berufliche Aufgabe gefunden. Wie Stadler-Simbürger ist sie mit viel Freude bei ihren beiden Verbindungen mit dabei: Die Puellaria Hollabrunn und die Salia Babenberg sind für Schülerinnen beziehungsweise Studentinnen zugänglich, wie umgekehrt auch der Mittelschülerkartellverband und der ÖCV ausschließlich Burschen und Studenten offenstehen. Ein Widerspruch in Zeiten der Koedukation? Der Chef im Cartellverband meint: „Nach außen sollten wir gemeinsam auftreten.“ Auch Schmidt sieht das ganz entspannt: „Es gibt Männerchöre und Frauengesangsvereine. Jeder soll zu der Verbindung gehen, die ihr oder ihm gefällt. Mir ist es immer wichtig gewesen, auf Verbandsebene zusammenzuarbeiten für einen gemeinsamen höheren Stellenwert. Im Austausch profitieren wir gemeinsam – Frauen und Männer!“  
In der übergeordneten Arbeitsgemeinschaft Katholischer Verbände ist die junge Akademikerin Vizepräsidentin, „mit zu wenig Zeit“, wie sie selbstkritisch meint. 

„Im Austausch profitieren  wir gemeinsam – Frauen und Männer!“


Marlis Schmidt

In der Babenberg trägt Philipp Stadler-Simbürger den sogenannten Couleurnamen „Winston“, mit dem er innerhalb der Verbindungen angesprochen wird. „Ja, für mich ist Winston Churchill ein großes Vorbild.“ Wie kommt das Interesse für den populären Politiker, der Großbritannien durch den Zweiten Weltkrieg geführt hat? „Churchill hat nicht gegen Deutschland gekämpft, sondern gegen den Faschismus. Heute gibt es in der Gesellschaft Annäherungen an extreme Positionen und Parteien, die die Religion ablehnen oder auch missbrauchen. Ich will dagegen aufstehen und für die Mitte der Gesellschaft eintreten und mir ist es wichtig zu wissen, woher wir kommen, welche Grundlagen wir in unserer Kultur und Wertehaltung haben.“ Es ist für ihn als überzeugten Demokraten bedauerlich, dass die Beteiligung bei den Wahlen der Österreichischen Hochschülerschaft – der ja künftige Verantwortungsträgerinnen und -träger angehören – zuletzt bei 21,6 Prozent gelegen ist. Dabei wäre seiner Meinung nach mehr Einsatz für die Studierenden nötig. Er würde eine starke Unipolitik befürworten. Denn einer ideologiebetriebenen Ausrichtung der Studentenvertretung kann Stadler-Simbürger wenig abgewinnen.

Schmidt ist wie ihr Kartellbruder aber auch politisch engagiert. Ein Klischee, dass Mitglieder von Studentenverbindungen bei der ÖVP anzutreffen sind? „Ich kenne auch Kartellbrüder in anderen Parteien“, sagt Philipp Stadler-Simbürger, „aber bei manchen politischen Gruppen wird man sich mit dem Bekenntnis zu allen vier Prinzipien Österreich, christlicher Glaube, Studium und Lebensfreundschaft schwertun“.

„Man muss mit der Zeit gehen, aber nicht mit der Mehrheitsmeinung.“


Philipp Stadler-Simbürger

Marlis Schmidt ist bereits Obfrau der ÖVP in Hollabrunn. Warum ist sie den Schritt in die Politik gegangen? „Ich war immer politisch interessiert und ich wurde früh gefragt, ob ich mitmachen will. Für Gesellschaftspolitik sind die Damenverbindungen zu klein.“ Philipp Stadler-Simbürger weiß, dass in der Geschichte des Cartellverbandes immer wieder Mitglieder in die Politik gegangen sind. 

Nicht alle sind große Sympathieträger, andere sind bis heute hoch geachtet, wie Leopold Figl, der von den Nazis verfolgt wurde, im Konzentrationslager Dachau eingesperrt wurde und der den Beginn der Zweiten Republik als Demokratie bis zum Staatsvertag 1955 maßgeblich als ÖVP-Politiker geprägt hat. Wie ist der politische Anspruch des jungen Studenten? „Man muss mit der Zeit gehen, aber nicht mit der Mehrheitsmeinung.“

Und wie ist es jetzt mit der Kirche?

Sowohl Philipp Stadler-Simbürger als auch Marlis Schmidt sind katholisch. Im Verbindungsalltag empfinden sie es als schön, wenn die Gruppe etwas gemeinsam erlebt. Eine Messe zu feiern ist daher auch Ausdruck der sozialen Gemeinschaft. Was empfiehlt Schmidt, die selbst Ministrantin war, jungen Frauen in der Kirche? „Kritisch sein und die Amtskirche vom Glauben unterscheiden.“

Autor:
  • Sophie Lauringer
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