Joseph Neugebauer: Wiener Biedermeier

Ein dem Schattenreich entrissenes Genie
Ausgabe Nr. 11
  • Kunst und Kultur
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Sinnbild für die Kunst des Augenblicks und die zeitlose Eleganz des Biedermeier: Joseph Neugebauers leuchtendes Blumen-Stillleben „Blumen im Korb“.
Sinnbild für die Kunst des Augenblicks und die zeitlose Eleganz des Biedermeier: Joseph Neugebauers leuchtendes Blumen-Stillleben „Blumen im Korb“. ©Gobbo dello Carrer
Meisterhaftes Portrait des späteren Fürsten Franz I. von Liechtenstein.
Meisterhaftes Portrait des späteren Fürsten Franz I. von Liechtenstein. ©Gobbo dello Carrer
Maria salbt die Füße Jesu mit kostbarem Öl, während die Männer am Tisch erstaunt zusehen.  Neben Stillleben und Portraits widmete sich Neugebauer wie hier auch religiösen Motiven.
Maria salbt die Füße Jesu mit kostbarem Öl, während die Männer am Tisch erstaunt zusehen.
Neben Stillleben und Portraits widmete sich Neugebauer wie hier auch religiösen Motiven.
©Gobbo dello Carrer

In ihrem neuen Buch spürt Corinne Gobbo dello Carrer dem Leben und Werk ihres Vorfahren Joseph Neugebauer nach: Der fast vergessene Biedermeier-Maler und Komponist verbrachte seinen Lebensabend in Stift Melk und hinterließ ein beeindruckendes künstlerisches Werk.

Mit „Joseph Neugebauer. In den Sphären der Musik und Malerei“ ermöglicht Corinne Gobbo dello Carrer die Wiederentdeckung eines aus dem Blickfeld geratenen Künstlers des Wiener Biedermeier. In einer kunstvollen Mischung aus Roman, Biographie und Familiengeschichte folgt die Autorin den Spuren ihres Vorfahren Joseph Neugebauer (1810–1895).

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Joseph Neugebauer: Maler und Komponist

Der hoch talentierte Maler und Komponist ist zu Unrecht etwas in Vergessenheit geraten. Seine Gemälde – von phantastischen Portraits über herrliche Stillleben bis hin zu beeindruckenden Altarbildern – spiegeln die Meisterschaft des Biedermeier-Künstlers wider. Neugebauer verbrachte seinen Ruhestand im Stift Melk, wo er nicht nur lebte und arbeitete, sondern auch eine bedeutende Sammlung hinterließ. 

Nachlass in Stift Melk

„Seit meiner frühen Kindheit wurde ich geprägt von den unzähligen kleinen und großen Bildern meines Urahns Joseph Neugebauer in seiner Galerie im Speisezimmer meiner italienischen Nonna, wo auch sein Bösendorfer Konzertflügel und seine edlen Biedermeiermöbel ihren Platz hatten“, erzählt Buchautorin Corinne Gobbo dello Carrer dem SONNTAG. Hier sei die Idee entstanden, Joseph Neugebauers Geschichte einmal aufzuschreiben. „Viele Jahre sollten vergehen, bis  ich mit meinem vierjährigen Enkel David das Stift Melk besuchte, um mit ihm den Großteil von Neugebauers Nachlass zu dessen 200. Geburtstag zu besichtigen.“ Neugebauers Neffe und Nachlassverwalter – Gobbo dello Carrers Großvater – hatte diesen einst dem Stift hinterlassen. Die einstige Buchidee tauchte wieder auf, Gobbo dello Carrer machte umfangreiche Recherchen und nützte die Corona-Lockdowns für ihre schriftstellerische Spurensuche.
 

Der so entstandene Roman führt die Leserinnen und Leser auf eine atmosphärische Zeitreise durch das Wien und Venedig des 19. Jahrhunderts, begleitet von der venezianischen Großmutter der Autorin. Diese lässt mit Wissen und Charme die Vergangenheit lebendig werden. „Das lebenslange Anliegen von Nonna und Mama, ihrem Ahn ein Denkmal zu setzen, sollte zu ihren Lebzeiten nicht wahr werden. Ich sah es als meine Aufgabe, dem Lebenswerk des großartigen, fast vergessenen Alt-Wiener Malers und Komponisten – er nannte zwei edle Musen sein Eigen: die Malerei und die Tonkunst – neues Leben einzuhauchen.“
 

„Ich sah es als meine Aufgabe, dem Lebenswerk des fast vergessenen Alt-Wiener Malers und Komponisten neues Leben einzuhauchen.“

Corinne Gobbo dello Carrer

Joseph Neugebauer der Vergangenheit entrissen

Joseph Neugebauer verdiene es, der Vergangenheit entrissen zu werden, betont seine Nachfahrin: „Er war der erste Stillleben-Maler der Wiener Kunst-Renaissance, Historienmaler vieler Altarbilder, begehrter Portraitmaler der Hocharistokratie und noch dazu ein begabter Komponist.“ Bekannt sind seine Portraits des noch jugendlichen Kaiserpaares Franz Joseph und Elisabeth. Er schuf eindrucksvolle Kinderportraits wie jenes des späteren Fürsten Franz I. von Liechtenstein (1853–1938) im Alter von acht (siehe unten).
 

Joseph Neugebauer wurde für seinen präzisen Malstil geschätzt

Neugebauer wurde für seinen präzisen Malstil geschätzt, der von den alten holländischen Meistern beeinflusst war. Neben Stillleben und Portraits gestaltete er Gemälde biblischen Inhalts sowie Altarbilder. Letztere in niederösterreichischen Pfarrkirchen zu recherchieren, begeisterte die Autorin: „Das Kapitel ,Unsere Allerheiligen-Rundfahrt‘ mit dem Fotoshooting der Neugebauer Altarbilder in den Kirchen, die dem Stift Melk inkorporiert sind, bereitete mir besonderes Vergnügen“, erzählt sie. Station gemacht wurde in Gainfarn, Zwerndorf an der March, Eggendorf im Thale, Kammersdorf bei Hollabrunn, Wullersdorf und Rohrendorf. Auch in Wien sind Werke Neugebauers zu besichtigen wie in Sankt Ulrich und – wenn gerade ausgestellt – im Belvedere, im Kunsthistorischen Museum und im Wien Museum. Einen tieferen Einblick in sein musikalisches Schaffen bietet das neue Buch – und ergänzt damit das Bild eines vielseitigen Künstlers.

©Corinne Gobbo dello Carrer

Buchtipp

In „Joseph Neugebauer. In den Sphären der Musik und Malerei“ ermöglicht Corinne Gobbo dello Carrer die Wieder- entdeckung eines fast vergessenen Künstlers des Wiener Biedermeier. Die im Präsens gehaltene Ich-Form des Romans belebt die Vergangenheit und führt das Leserpublikum in die historische Welt des 19. Jahrhunderts. Die vielen farbprächtigen Abbildungen mit Werken des Malers machen den Ich-Roman zu einem Kunstbuch.

Corinne Gobbo dello Carrer, Joseph Neugebauer (Wien 1810–1895 Melk). In den Sphären der Musik und Malerei, Bibliothek der Provinz, 248 Seiten, ISBN: 978-3-99126-235-0, EUR 38,–
 

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Autor:
  • Portraitfoto von Agathe Lauber-Gansterer
    Agathe Lauber-Gansterer
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