"JA" zum Leben trotz Krebserkrankung

Passionswege
Ausgabe Nr. 12
  • Soziales
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Wäre sie nicht an Krebs erkrankt, würde Schwester Monika Miriam Wedenig vielleicht heute noch in Algerien leben.
Wäre sie nicht an Krebs erkrankt, würde Schwester Monika Miriam Wedenig vielleicht heute noch in Algerien leben. ©privat
Zum Ausgleich verbringt Schwester Monika Miriam gerne Zeit in Stille und der Natur.
Zum Ausgleich verbringt Schwester Monika Miriam gerne Zeit in Stille und der Natur. ©privat

Schwester Monika Miriam Wedenig hat viele Jahre in Marokko, Algerien und Jerusalem gelebt. Eine Krebserkrankung hat sie zurück nach Österreich und zu ihrer zweiten Berufung als Rote Nasen Clowndoctor „Minna“ geführt. Mit Veronika Bonelli spricht sie über ihren Weg zu immer tieferem Verständnis von „Mensch-Sein“.

Seit 40 Jahren ist Schwester Monika Miriam Wedenig eine "Kleine Schwester Jesus". Im Interview mit Veronika Bonelli erzählt sie unter anderem, wie sie trotz oder durch eine Krebserkrankung neu gelernt hat "JA" zum Leben zu sagen. 

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Begegnungen von Herz zu Herz

Seit 40 Jahren sind Sie eine „Kleine Schwester Jesus“, eine Gemeinschaft, die auf Charles de Foucauld zurückgeht. 

Schwester Monika Miriam Wedenig: Die Gemeinschaft ist 1939 in Algerien entstanden und ist inspiriert vom Leben des Charles de Foucauld, der selbst auch mit den Tuareg gelebt hat. Das wichtigste war ihm, den Menschen ein Bruder zu sein und etwas von der Liebe Gottes sichtbar zu machen. Ähnliches hat auch unsere Gründerin Schwester Magdeleine Hutin bewegt. Für mich geht es im Ordensleben darum, mit den Menschen Mensch zu werden, um Begegnungen von Herz zu Herz. Wenn das gelingt, wird ein Zusammenleben möglich, auch wenn wir aus unterschiedlichen Kulturen kommen. Das scheint mir auch gerade in der jetzigen Zeit sehr wichtig.


Wie können auch wir im Alltag solche Begegnungen von Herz zu Herz leben? Braucht es dafür besonders viel Zeit oder ist das auch zwischendurch möglich? 

Es braucht ein bisschen Mut und Wachheit. Unsere Ordensgründerin sagt: „Der Alltag ist der Ort der Gottesbegegnung“. Ich kann Gott finden, wenn ich jemandem einen Platz anbiete, grüße oder ein Lächeln von jemandem bemerke und erwidere. Ich versuche den Menschen zuerst als Mensch zu sehen und nicht gleich in seinen Kategorien, in die ich ihn stecke.
 

Krebserkrankung als Krisenzeit

Gibt es auch Tage, wo das nicht gelingt?

Natürlich. Es gibt Tage, da habe ich keine Kraft oder Lust, jemanden zu sehen. Auch das gehört zum Menschsein dazu. Begegnung von Herz zu Herz bedeutet auch, dass ich mich zeige als die, die ich bin. Manchmal verletzlich und manchmal muss ich andere um Verzeihung bitten. 

 

Sie sind seit 40 Jahren im Orden. Gab es da auch Krisenzeiten?

Ja, ich hatte immer wieder Krisen oder andere Lebenspläne. Schwester Magdeleine hat mir einmal gesagt: „Wenn du mit Jesus gehst, wirst du glücklich sein – wohin immer du gehst und was du tust.“ Das hat mir schon oft Klarheit und Ruhe gegeben. Eine sehr große Lebenskrise war dann meine Erkrankung mit 39 Jahren. Ich war zu der Zeit schon einige Jahre in Algerien und habe klar gespürt, dass dort mein Platz ist. Bei Untersuchungen während meines Heimaturlaubes wurde aber festgestellt, dass ich einen Lymphknotenkrebs habe. Ich konnte also nicht zurück. Das war ein richtig großer Schock. Ich habe mich dann sehr intensiv gefragt, was es sein könnte, was mich krank macht, hatte auch psychotherapeutische Begleitung. Das war ein sehr fordernder Weg in die Tiefe, durch den ich erkannt habe, dass sehr viel Überforderung in mir war und hohe Ideale, die ich erfüllen wollte, aber nicht konnte. Dann ist es mir wieder besser gegangen, ich konnte zurück nach Algier, aber bei der Kontrolluntersuchung hat sich ein Rezidiv gezeigt. Das war sehr hart.

„Ich habe immer wieder gespürt, dass es etwas gibt, das mich hält, unabhängig davon, wie es mir geht. Für mich ist das Gott und das Leben.“ 

Schwester Monika Miriam Wedenig

Durch Krebserkrankung mit Gott gehadert

Was hat Ihnen in dieser Zeit geholfen? 

Menschen, die mich begleitet haben, die mich gut kennen und einfach da waren und auch für mich gebetet haben. Immer wieder Stille. Und einen Umgang mit meiner Angst zu finden. Da gibt es verschiedene Wege, einer davon ist, da zu bleiben, durch diese Welle zu gehen und zu merken, dass sie auch wieder vergeht. In den Momenten von großer Schwäche, wo ich nur liegen konnte und mir schlecht war, habe ich immer wieder gespürt, dass es etwas gibt, das mich hält, unabhängig davon, wie es mir geht. Für mich ist das Gott und das Leben. 

 

Haben Sie mit Gott auch gehadert?

Ja. Ich habe ihm natürlich die Frage gestellt: „Warum ich?“; aber auch umgekehrt ist es gekommen: „Warum nicht ich?“ Ich habe schon viel mit ihm verhandelt  und gestritten. 
 

Trotz Krebserkrankung "JA" zum Leben sagen

Wie hat er geantwortet? 

Durch Perspektivenänderungen, die dann manchmal gekommen sind, so dass ich wieder durchatmen konnte. Oder durch Menschen, die mir ein gutes Wort gesagt haben, an das ich mich anhalten konnte. Auch der Humor hat mich immer wieder gerettet. Zwischendurch auch mal lachen können und spüren, es ist nicht alles schlimm und ich lebe ja. Es ist jetzt auch schon wieder eine Weile her und ich habe vieles auch wieder vergessen dürfen, wieder zurückgeben. Ja, das Leben hat eine neue Wendung genommen für mich. 

 

Würden Sie aus heutiger Sicht sagen, die Krankheit wollte Ihnen etwas sagen? 

Bewusst „JA“ zum Leben zu sagen habe ich dadurch neu gelernt. Wenn ich nicht weiß, was ich möchte, können mir andere und auch Gott nicht helfen. Ich darf meine Verantwortung auch nicht aus der Hand geben. Und Vertrauen habe ich gelernt. 
 

„Gott hat auch dadurch zu mir gesprochen, indem er meine Pläne durchkreuzt hat.“  

Schwester Monika Miriam Wedenig

 

Was hat „der Clown“ in Ihnen verändert?

Über den Körper und das Spiel konnte ich viel aus meinem Inneren zum Ausdruck bringen und meine Kraft spüren. Ich habe heute einen viel besseren Zugang zu dem, wer ich bin.
Und es hat das intensiviert, was ich schon immer versucht habe in den Begegnungen mit Menschen zu leben. Als Clown im Krankenhaus schaue ich nicht so sehr auf die Krankengeschichte oder „das arme Kind“, sondern ich sehe die Augen und das Herz und intuitiv suche ich nach dem Spalt, wo das Licht reinfallen kann, wo wir gemeinsam Freude erleben können. Und als Clown darf ich scheitern. Es geht nicht darum, groß und stark zu sein. Wir dürfen mit dem Clown weinen und lachen. Er ist ein Spiegel fürs Menschsein. Auch wir fallen immer wieder hin und stehen wieder auf. 

 

Und die Sehnsucht nach Algerien, taucht sie manchmal noch auf?

Ich habe es gut lassen können, aber manchmal, wenn der Himmel so azurblau ist, dann erinnere ich mich an die Wüste und würde gerne wieder dort und mit den Menschen sein. Denen ist viel mehr bewusst als uns, dass das Leben immer bedroht ist und es so immer auch Geschenk ist. Und das habe ich auch in der Krankheit gelernt. Das Leben ist ein Geschenk und es geht darum, es zu leben.

©privat

Zur Person:

Schwester Monika Miriam Wedenig kommt ursprünglich aus Kärnten und lebt derzeit in einer Niederlassung der „Kleinen Schwestern Jesu“ in Regelsbrunn an der Donau. Als „Minna“ arbeitet sie bei den Rote Nasen Clowns in Wien.

Logo radio klassik Stephansdom.
Logo radio klassik Stephansdom. ©David Kassl

Passionswege auf radio klassik Stephansdom

Am 22. 3. um 19:00 Uhr erzählt Schwester Monika Miriam Wedenig in der Sendereihe Passionswege darüber, wie ihre Krebserkrankung ihr Leben verändert hat. 
Gestaltung: Veronika Bonelli  (Wiederholung: 26. 3. um 21:00 Uhr)    
radioklassik.at

Schlagwörter
Autor:
  • Veronika Bonelli
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