Ivan Marchuk: Freund der Krähen

Weltbekannter Maler aus der Ukraine
Ausgabe Nr. 32
  • Kunst und Kultur
Autor:
Ivan Marchuk  hat den Plutanismus (siehe Infobereich rechts) erfunden.
Ivan Marchuk hat den Plutanismus (siehe Infobereich rechts) erfunden. ©Ivan Marchuk
Ivan Marchuk musste aus seiner Heimat nach Wien flüchten.
Ivan Marchuk musste aus seiner Heimat nach Wien flüchten. ©Ivan Marchuk

Der 87-jährige ukrainische Künstler Ivan Marchuk liebt Krähen. In den Wiener Stadtpark geht er gerne, um sie zu beobachten. Seit seiner Flucht vor dem Krieg in seiner Heimat Ukraine lebt und malt er in Wien.

Der weltbekannte ukrainische Künstler Ivan Marchuk musste vor dem Krieg aus seiner Heimat fliehen und malt nun in Wien. 

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Herr Marchuk, Sie sind bei Kriegsausbruch aus der Ukraine nach Wien geflüchtet. Was haben Sie damals mit Ihrer Malerei, Ihrem gesamten künstlerischem Werk gemacht? 

Ivan Marchuk: Ich hatte 45 Minuten Zeit, um alles zusammenzupacken. Ich konnte kein einziges Bild mitnehmen. Aber nach meiner Ankunft in Wien habe ich alle Bilder zu mir geholt. In Wien hatte ich dann gleich in der Aula der Wissenschaften eine Ausstellung. Fast 300 Bilder wurden gezeigt. 
 

Wie Ivan Marchuk zur Kunst kam

Wie sind Sie Künstler geworden?

Ich habe Malerei studiert. Dort wollten sie mich verbiegen, dass ich so zeichne wie alle. Aber ich wollte nie wie alle anderen sein. Ich habe eine eigene Stilrichtung gegründet, den Plutanismus. Danach habe ich mich neu erfunden. Insgesamt gibt es 15 verschiedene Marchuks. Und ich male seit über 70 Jahren jeden Tag. Mit meinen Bildern bin ich um die ganze Welt gereist. 
 

Ich sehe, dass Sie eine sehr kindliche Neugierde auf die verschiedenen Techniken haben. Wollten Sie auch als Kind schon malen?

Wir hatten zuhause keine Farben, Bleistifte oder dergleichen. Aber wir hatten viele Blumen um unser Haus. Ich habe dann angefangen, mit Blumen zu malen. Im Dorf hat mir keiner gezeigt, wie man malen kann. Ich habe angefangen, die Portraits aus den Büchern zu kopieren. Später wurde ich in Lwiw an der Kunstschule aufgenommen. 
 

Ivan Marchuk: "Ich habe die mit toten übersäte Erde gesehen"

Herr Marchuk, hat der Krieg in Ihnen etwas ausgelöst und in die Malerei Einfluss genommen?

Tragische Bilder zeichne ich nicht, denn Tragödie ist in jedem ukrainischen Haus präsent. Unmittelbar nach Kriegsausbruch habe ich zwei kleine Aquarelle gemalt. Das eine zeigt Silhouetten der Toten. Der Butscha-Tragödie habe ich das andere Bild gewidmet. Ich habe die mit Toten übersäte Erde gesehen. 
 

Haben Sie Heimweh nach der Ukraine?

Ja. Ich hatte immer Heimweh, wenn ich im Ausland war. Zehn Jahre war ich in Amerika, in New York. Dort war ich recht erfolgreich. Ich war allein und einsam dort. Ich konnte kein Englisch. Ich habe nur meine Bilder gezeichnet. Ich bin in der Ukraine geboren worden. Ich liebe dieses Land. Ich sage Ihnen, es wird die Zeit kommen, in der über der Ukraine wieder die Sonne aufgehen wird. 
 

Das leben von Ivan Marchuk in Wien

Wie sieht Ihr Leben nun in Wien aus?

In den Morgenstunden sammle ich gute Gedanken, indem ich im Stadtpark die Krähen füttere. Sie kennen mich schon gut. Ich habe gleich zu Beginn eine Krähe kennengelernt, sie hat aus meiner Hand Futter gegessen. Krähen sind weise. Es sind wunderbare Vögel, sie sind so gescheit. Seit über 30 Jahren füttere ich Krähen, das ist mein Hobby. Ich warte auf sie und führe mit ihnen Gespräche. Einmal habe ich einer Krähe 20 Minuten lang in die Augen geschaut. Aber wenn ich dann einmal kein Essen für sie habe, vertreiben sie mich auch. Das kann auch passieren.
 

Die Krähen entspannen Sie?

Ja, ich suche diese Ablenkungen. Das sind wichtige Ablenkungen von der Malerei. Meine Künstlerfreunde sagen, sie haben mich noch nie nicht malend erlebt. Einzig und allein im Flugzeug habe ich keinen Pinsel, aber dann eben einen Kugelschreiber in der Tasche. 
 

Ivan Marchuk: "Meine Suche hört nie auf."

Was interessiert die Menschen an Ihren Bildern?

Ich glaube, Sie sehen, dass ich immer etwas Neues bringe. Ich habe immer nach dem Frischen gesucht. Ich bin neugierig. Meine Suche hört nie auf. Wenn ich etwas Neues entdecke, freue ich mich unheimlich. Die Schönheit ist unendlich.  

Zur Person: Ivan Marchuk

Ivan Marchuk, 87 Jahre alt, ist der berühmteste Maler in der Ukraine. Er studierte Kunst und entwickelte die Stilrichtung Plutanismus. Dabei entstehen die Werke, indem sich schmale lange Linien ineinander verweben und überlagern. Nach Kriegsausbruch floh Marchuk nach Wien. Nun lebt er im ersten Bezirk. Seine Wohnung ist auch sein Atelier. An die 4.000 Bilder hat er bereits geschaffen. 
 

Logo radio klassik Stephansdom.

Sommergespräch: Ivan Marchuk

Ivan Marchuk ist am  Montag, 19. August 2024, zu zu Gast in den Sommergesprächen auf radio klassik Stephansdom. 
Beginn: 17:30 Uhr. Gestaltung: Ella Necker. ▶ radioklassik.at

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Autor:
  • Ella Necker
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