In Nähe und Distanz

Meinung zum verstorbenen Papst Benedikt
Ausgabe Nr. 2
  • Meinung
Autor:
Paul Wuthe (54) ist Chefredakteur der katholischen Nachrichtenagentur Kathpress. ©Michaela Greil

Paul Wuthe ist Chefredakteur der katholischen Nachrichtenagentur Kathpress. Er schreibt über den emeritiereten Papst Benedikt und der "Größe und Grenze" einer Persönlichkeit.

 

Heutzutage ist es möglich, in alle Länder der Welt zu reisen und so gut wie alle Produkte, egal ob regionale oder internationale, zu erwerben. Einerseits kann dies als Vorteil gesehen werden, da die Transkulturalität und das Voneinander-Lernen verstärkt werden können, andererseits kommt es genau dabei oftmals zu einem Machtmissbrauch durch entstehende Abhängigkeiten zwischen Globalem Norden und Süden. Allein die Vorstellung, dass ein einziges Produkt zum Zweck der Produktionskostenminimierung bis zur Fertigstellung teilweise in bis zu zwölf Ländern bearbeitet wird, ist für mich erschreckend.


Selten schafft es eine Person weltweit über Tage hinweg intensive Aufmerksamkeit zu erlangen: Dem emeritierten Papst Benedikt XVI. und der Person von Joseph Ratzinger wurde sie geschenkt. Der Gebetsaufruf von Papst Franziskus für ihn am 28. Dezember, sein Heimgang zu Silvester und die Begräbnisfeierlichkeiten am 5. Jänner schufen einen Spannungsbogen, der medial reichlich gefüllt wurde. Und das zu Recht. Wie immer man zu ihm stehen mag, mit Benedikt XVI. wurde erstmals seit rund 700 Jahren ein freiwillig zurückgetretener Pontifex vom amtierenden Papst zu Grabe getragen.


Knapp zehn Jahre nach dem Amtsverzicht war die Zeit der Nachrufe, Porträts, Analysen und Einordnungen gekommen. Resümierend auf das vielfältige mediale Bild kann gesagt werden: Räumliche Nähe zur Person schafft im Fall von Benedikt XVI. eher mehr Unstimmigkeit, wie der Blick in seine deutsche Heimat zeigt. Ausgewogener und oft positiver fällt hingegen das Urteil über ihn außerhalb des deutschen Sprachraumes aus. Und nicht selten hat man den Eindruck, dass das Urteil der säkularen Welt gnädiger und abgeklärter ist, als so mache Wortmeldung aus dem innerkirchlichen Bereich.


Die Rückblicke auf eine schaffens- und facettenreiche Prägegestalt waren in den heimischen Medien entsprechend vielstimmig. Es gab Bewertungen, die vom „Panzerkardinal“ und Hardliner bis hin zum Markstein einer Zeitenwende und zur Bewunderung für einen der wichtigsten Denker überhaupt reichten. Hinsichtlich seines Machtverzichts – manche sehen hier eine „Kapitulation“, andere die „Vermenschlichung“ und „Entzauberung“ des Amtes – oder seines Einsatzes gegen Missbrauch wird es aber eine noch größere zeitliche Distanz für ein gerechtes Urteil brauchen. Synthetisch auf den Punkt gebracht, sprachen einige zu Recht von „Größe und Grenze“ einer Persönlichkeit. Genau in diesem Spannungsbogen lag auch die Heilige Messe für den Verstorbenen am Montag im Stephansdom. Auffällig wenig über das Pontifikat Benedikts, aber dafür umso feinfühliger über den Menschen und Christ sprach Franziskus beim Requiem. Wo es nicht genug Worte gibt und zugleich jedes einzelne zu viel ist, hilft nur die stimmige Geste: Mit der Hand auf dem Sarg seines Vorgängers schuf Franziskus schon zu Lebzeiten ein inspirierendes Bild, das auch ihn überdauern wird.

Der Kommentar drückt die persönliche Meinung des Autors aus!

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Autor:
  • Paul Wuthe
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