Im Anfang war das Wort
Sechste Literaturtagung auf Schloss TrumauUm das Geheimnis des Logos aus dem Johannesprolog zumindest ein wenig zu erschließen, kamen am 20. April 2024 unter dem Titel „Im Anfang war das Wort … - Logos, Schöpfung, Werden im Spiegel von Theologie, Philosophie und Literatur“ etwa 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach Trumau und wohnten der nun schon traditionellen Literaturtagung bei. Auch der Heiligenkreuzer-Abt Maximilian Heim nahm teil.
Klassiker der Literatur vertiefend besprechen
Die Literaturtagungen auf Schloss Trumau wurden 2017 von Christine Wiesmüller ins Leben gerufen. Die diesjährige führte die Grundidee weiter, Klassiker der Literatur aus philosophischer, theologischer und literarischer Perspektive vertiefend zu besprechen, nahm aber durch einen Seminarteil ein neues Element auf. Kontinuität bei den Literaturtagungen besteht auch in der thematischen Ausrichtung. Formten die ersten fünf Tagungen einen „Schöpfungs- beziehungsweise Urgeschichtezyklus“ auf Grundlage der Berichte aus der Genesis, so markierte diese sechste Literaturtagung mit dem Johannesprolog den Anfang eines neuen Zyklus. Das Thema der Schöpfung bleibt also weiterhin bestimmend, nun aber von neutestamentlichem Boden ausgehend. Nach den einleitenden Worten von Christine Wiesmüller übernahm Pater Friedrich Bechina, Mitglied der Geistlichen Familie Das Werk und beratendes Mitglied des Vorstandes der Katholischen Hochschule ITI, die Moderation und bei bestem Tagungswetter setzten die Vortragenden fort.
Reflexion des Johannesprologs
Hochschul-Rektor Bernhard Dolna erhellte in seinem Impulsreferat die Bedeutungen des griechischen Wortes Logos. Der Johannesprolog offenbare, dass Gott in sich selbst Rede und somit Beziehung sei, Rede, welche in der Wirklichkeit Jesu Christi Fleisch geworden sei. Um auf die Kontinuität zwischen jüdischem und christlichem Denken hinzuweisen, erläuterte Dolna, dass bereits die rabbinische Auslegung der Genesis die Tora als präexistent verstehe, ähnlich wie Johannes und Paulus den Logos als Vorbild, Wirkkraft und Ziel der Schöpfung verstanden hätten. Rektor Dolna stellte anschließend noch eine Reflexion über das Wort Gottes in der Offenbarung an sowie über die Gestalt der Sprache als Medium der Offenbarung. Während es dem rein menschlichen Wort oft an Bedeutung und Wirklichkeit fehle, sei das Wort Gottes ewig und lebendig und verleihe der Sprache als Mittel der Offenbarung des Gotteswortes einen Wert, der jegliche Geringschätzung verbieten würde. Die Worte Jesu Christi schließlich seien zugleich aus unserer Welt entnommene Worte und Kunde vom Vater.
Predigten des Augustinus
Pater Dominicus Trojahn von der Hochschule Benedikt XVI. in Heiligenkreuz nahm eine Passage aus Augustinus’ Predigten über das Johannesevangelium zum Ausgangspunkt, um über Unterschiede im klassischen und neuzeitlichen Denken über das Übel – in einer vom Logos geschaffenen Welt – zu reflektieren. Obgleich die Bewohner der Hafenstadt Hippo, in der Augustinus Bischof war, sicherlich viel unter Mückenschwärmen gelitten hätten, wollte der Kirchenvater die manichäische Position nicht gelten lassen, welche die Mücken zu Geschöpfen des Teufels erklärte. Das Übel, auch jenes, welches der Mensch von anderen Geschöpfen zu erleiden habe, sei letztlich auf die Schuld des Menschen, die Schuld Adams, zurückzuführen. Für Augustinus sei daher das Übel nur in der Spannung von Erbsünde und Freiheit (des Menschen) erklärbar. Diese Spannung sei für neuzeitliche Denker nicht mehr ertragbar gewesen. Dass die Neuzeit das Theodizeeproblem nicht zu lösen vermochte, liege darin begründet, dass sie sich in der Autonomsetzung der menschlichen Vernunft unbewusst, aber doch im Unrecht wisse. Die neuzeitliche Fixierung auf den Menschen, die sich aus einer Überbetonung der Freiheit Gottes (Ockhamismus) ergeben habe, welche auf dessen Unverständlichkeit hinausläuft, hielte den neuzeitlichen Menschen gleichsam gefangen und beschränke ihn auf sich selbst.
Die Platonische Logos-Lehre
Der platonischen Logos-Lehre widmete sich im Anschluss daran ITI-Dekan Michael Wladika. Platon verwende den Logosbegriff im terminologischen Sinn als mündlichen und schriftlichen Logos, doch auch als Logos des Seins. Im Mündlichen und Schriftlichen entstehe nur dann ein Logos, wenn Worte (Verben und Substantive) in sinnvoller Weise verknüpft würden. Ein solches Verweben von Worten habe immer einen Seins-Bezug, denn man spreche von oder schreibe über etwas, das durch das Wort (Logos) sichtbar gemacht werde. Namen seien also für Platon auf dem Weg der Erkenntnis unerlässlich und dennoch fehle es ihnen an völliger Klarheit und Festigkeit, viel an ihnen rühre vom Konventionellen her. Der mündliche und schriftliche Logos werde deshalb noch vom Logos des Seins überboten. Das Sein sei für Platon im Fundament verständlich, logoshaftig. Dies argumentiere er mit seiner objektiven Ideenlehre: Ideen seien Universalformen des Seins und erklärten, dass etwa diese, aber auch jene Kuh – beide – Kühe seien, obwohl numerisch voneinander unterschieden. So sei dem Logos die Wirklichkeit als eine Welt voller Ideen begreifbar und verständlich.
Martin Heidegger und Ferdinand Ebner
Anhand von Martin Heideggers Aufsätzen zur Sprache und Ferdinand Ebners Pneumatologischen Fragmenten präsentierte Christoph Fackelmann, Germanist und Literarhistoriker, zwei Ansätze, welche bewusst mit dem Duktus der Sprachphilosophie brachen und ihr Nachdenken über die Sprache als Sprachdenken verstanden. Für Heidegger erschöpfe sich der Sinn der Sprache nicht in ihrer Mittlerfunktion (Mittel zur Kommunikation). Sie kennzeichne vielmehr die Sorge um das Sein. Sie sei auf das Hüten oder Wachen um das Sein bedacht, ein religiöser Charakter, der besonders in der Sprache der Dichter bewahrt worden sei. Über diese seins-bewahrende Sorge der Sprache bei Heidegger hinausgehend, rücke Ebner das pneumatologische Faktum der Sprache in den Mittelpunkt. Für sich allein sei der Mensch in einer Ich-Einsamkeit verhaftet, welche das dialogische Gegenüber Gottes benötige, das den Menschen durch sein An-Sprechen geschaffen und durch den Geist aus der Einsamkeit befreit habe.
Faust im Studierzimmer
Auf eindrückliche Weise verlebendigte Christine Wiesmüller, ITI-Mitarbeiterin und Lektorin für Literatur, im letzten Vortrag des Tages Goethes Faust als den in der Spannung zwischen dem Irren und dem Bewusstsein über den rechten Weg stehenden Menschen. Des Nachts verbinde Faust im Studierzimmer bei seinem Übersetzungsversuch den Logos mit Sinn, Kraft und Tat. Nur durch diese Aspekte sei das Wort als Schöpferkraft zu erfassen, habe Tatcharakter. Die Szene bringe zum Ausdruck, dass Faust selbst habe schaffen wollen. Dieses Verlangen habe Mephistopheles mit seinen materiellen Angeboten nicht befriedigen können. Erblindet habe Faust, als alter Mann, nach innen zu blicken begonnen. In der Vision, ein Friedensland für andere zu schaffen, habe er den ersehnten vollen Augenblick erlebt, einen Akt der Selbstentäußerung, des Schaffens, der „reinen Tätigkeit“, der ihn dem Teufel entreißen sollte.
Als teilnehmender Student habe ich meine Zeit bei der Literaturtagung als sehr sinnvoll erlebt und glücklich zugebracht. Die Mittagszeit mit gutem Essen sowie die Kaffeepausen boten Gelegenheit zum Austausch zwischen den Vortragenden, Studierenden und den Teilnehmern, aber auch zu fröhlichem Beisammensein.
In der Seminareinheit am Nachmittag wurde den Teilnehmern von Zisterzienserpater Dominicus Trojahn noch einmal der Wortsinn des Johannesprologs nahegebracht.
Überhaupt bringt, frei nach Aristoteles auch ein nur geringes Wissen um ewige und liebenswerte Dinge mehr Freude mit sich als ein noch so großes Wissen um geringe Dinge. Das war genau meine Erfahrung bei der Literaturtagung 2024 in Trumau!