„Ich mag es, für Mütter dazu sein“

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Liebe, Verständnis und Fürsorge – das ist es, was Frauen nach der Geburt dringend brauchen, sagt Jennifer Blies. ©Alek Kawka
In St. Josef sind die meisten Neugeborenen nur 2 bis 3 Tage auf der Geburtenstadion. ©St. Josef Krankenhaus

Jennifer Blies ist seit 2020 als Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin im St. Josef Krankenhaus im 13. Wiener Gemeindebezirk auf der Geburtenstation tätig. Sie kümmert sich um die frischgebackenen Mütter und ihre Babys, begleitet sie die ersten Stunden und Tagen.

Jennifer Blies ist als ausgebildete Advanced Practice Nurse auch ein ganz besonderes Bindeglied zwischen Ärzten/ Ärztinnen und Pflegemitarbeitenden. Im Gespräch mit dem SONNTAG erzählt sie von ihrem abwechslungsreichen Alltag, der Unplanbarkeit auf einer Geburtenstation und was Frauen nach einer Geburt am dringendsten brauchen.

Mein Name ist Jennifer Blies. Ich arbeite hier im St. Josef Krankenhaus Wien als diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin auf der Station für Geburtshilfe.

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Frau Blies, nehmen Sie uns bitte ein bisschen auf ihre Station mit? Wie wird hier gearbeitet? Was ist besonders wichtig?

Wir haben hier 52 Betten, für die 8 Pflegepersonen zuständig sind. Besonders ist bei uns, wie wenig planbar unsere Tage sind. Das ist natürlich auch in anderen Stationen oft so, aber ich glaube, die Geburtshilfe ist da sehr speziell. Einmal mehr, weil wir ja ein Krankenhaus sind, das sich auf möglichst natürliche Geburten spezialisiert hat. Frauen, die bei uns spontan gebären, sind – wenn es keine Komplikationen gibt, nichts Unvorhergesehenes – maximal 2 bis 3 Tage hier. Manche verlassen das Krankenhaus schon 48 Stunden nach der Geburt. Die meisten Mamas wollen schnell nach Hause – besonders, wenn es zu Hause vielleicht auch schon ein oder zwei ältere Kinder gibt.

Wie sieht die Arbeit einer diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegerin auf der Station aus?

Wir arbeiten hier in einem 12,5 Stunden Dienstrad. Jeweils am Beginn einer Schicht beginnen wir mit der Dienstübergabe, besprechen was die letzten Stunden gebracht haben, worauf geachtet werden muss, und so weiter. Wir gehen durch die Zimmer und machen Untersuchungen, die nach der Geburt bei Mutter und Kind notwendig sind: Wir tasten die Brust der Mütter ab, kontrollieren vaginale Verletzungen und Blutungen; bei den Kindern machen wir zum Beispiel Hörtests, Blutuntersuchungen, kontrollieren Herzfrequenz und Sauerstoffsättigung der Babys. Und wir begleiten die gynäkologische und kinderärztliche Visite. Zudem bereiten wir Entlassungen und Aufnahmen vor und dokumentieren alles genau.

Manchmal müssen wir auch die Besucherströme ein wenig in die richtigen Bahnen lenken. Ein Besuch kann sehr hilfreich sein und allen sehr gut tun, aber zu viel Besuch kann auch viel Unruhe hineinbringen. Und gerade am Anfang tut es dem Kind einfach besonders gut, viel von Mama und Papa und den Geschwistern umsorgt und gehalten zu werden.

Was macht Ihnen an Ihrem Beruf besonders viel Freude?

Gerade dieser stetige Wechsel, diese Unplanbarkeit macht meine Arbeit extrem spannend und abwechslungsreich. Jeder Tag ist anders und oft ändert sich eine Situation auch innerhalb weniger Minuten. Ich muss spontan sein, konzentriert und flexibel. Ich mag das sehr.
Und ich mag es auch sehr, dass Beratungsgespräche einen großen Teil unseres Alltags in Anspruch nehmen und wir so intensiv für die Mütter da sein können, so nahe an ihnen dran sind. Stillberatung gehört da zum Beispiel dazu. Außerdem zeigen wir den Müttern, wie sie ihr Baby halten können, wie sie es wickeln. Ich merke immer wieder, dass es da viele Ängste gibt. Die Mütter trauen sich oft einfach nicht, haben Sorge, dem Baby weh zu tun oder etwas falsch zu machen. Es gibt viele Fragen, vieles, was die Frauen verunsichert. Dafür sind wir da. Wir hören zu, wir reden mit ihnen, wir beruhigen und ermutigen.
Oft haben wir auch für die Väter ein offenes Ohr. Denen geht es im Hinblick auf Sorgen, Ängste und Unsicherheiten nämlich oft nicht anderes.

Wie erleben Sie Frauen nach einer Geburt?

Manche Mütter brauchen ganz viel Aufmerksamkeit und Zeit und andere wollen so weit wie möglich in Ruhe gelassen werden. Eine Geburt, das ist schon ein einschneidendes Erlebnis für eine Frau. Viele haben da das Bedürfnis, darüber zu reden, wie sie es erlebt haben. Auch wenn alles, so wie in den meisten Fällen, gut gegangen ist und auch selbst wenn es sich um eine „Bilderbuchgeburt“ handelt. Und auch die Situation, diesen neuen kleinen Menschen dann vor sich zu haben, ist einfach überwältigend.

Was raten Sie Frauen, die zu Ihnen auf die Station kommen?

Was ich jeder Frau nur raten kann: Fragen sie alles, was sie fragen wollen. Blöde Fragen gibt es nicht – das gilt sowieso immer. Aber hier erst recht. Denn wir schicken die Mamas dann irgendwann nach Hause und dann müssen sie zurechtkommen. Bestimmt sind die wenigsten völlig alleine oder haben niemanden, den sie fragen können. Aber mein Anspruch ist es schon, die Mütter so zu entlassen, dass eine gute Interaktion zwischen ihnen und ihren Kindern da ist.

Was ist aus Sicht der Pflegefachkraft das Wichtigste für eine Frau nach der Geburt?

Liebe, Verständnis und Fürsorge – eigentlich ganz einfach. Ich finde es immer wieder spannend, wie wenig das den meisten bewusst ist. Wahrscheinlich würden es sich auch die meisten, selbst wenn es ihnen bewusst wäre, gar nicht trauen so zu formulieren oder es zu einzufordern. Aber es ist eine Tatsache: Liebe, Verständnis und Fürsorge. Wenn das da ist, kommt der Rest oft geradezu wie von alleine.

Autor:
  • Portraitfoto von Andrea Harringer
    Andrea Harringer
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