„Ich habe mir einen Traum erfüllt“

Sommerserie 2023 - Teil 1
Ausgabe Nr. 26
  • Leben
Autor:
„Er weiß immer sofort, wie’s mir geht“, sagt Christa Mitter über ihren Schimmel Capote. ©Maldacker
Christa Mitter pflegt einen respektvollen und gewaltfreien Umgang mit ihrem Pferd. ©Maldacker
Michael Masseo Maldacker ist Kapuziner und Journalist ©BSchauer-urkart

Christa Mitter unterrichtet Englisch und Religion, hat eine Familie mit drei Kindern – und schöpft Kraft aus der Begegnung mit ihrem Pferd „Capote“.

Als fesch möchte man den Teenager an Christa Mitters Seite schon bezeichnen: Bis zu seiner breiten Schulter misst er einen Meter sechzig, hat dunkle, große Augen, wallendes Haar. „Es war Liebe auf den ersten Blick“, sagt die Gymnasiallehrerin aus Ottensheim über den Moment, als sie den Portugiesen Capote zum ersten Mal sah. Und auch charakterlich ist der Bursche einwandfrei, wie sie später noch erzählen wird.

Die Liebeserklärung von Christa Mitter gilt ihrem Pferd, dem aus Portugal stammenden Schimmel „Capote“, der ihr seit zwei Jahren gehört und den die 48-Jährige „in jeder freien Minute“ besucht. Capote ist längst mehr als ein Hobby für die Lehrerin aus dem Großraum Linz. Wenn sie mit dem Wallach in der Natur unterwegs ist, könne sie einfach ihre „Seele baumeln lassen“, erzählt sie. Natur gibt es in der Heimat von Christa Mitter reichlich. Sie lebt auf der Sonnenterrasse oberhalb der oberösterreichischen Landeshauptstadt, wunderschön liegen die Donau-Auen zu ihren Füßen. Capote hingegen lebt in Gramastetten, sieben Kilometer von Ottensheim entfernt, in einem Offenstall, in einer Herde mit sechs weiteren Pferden.

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Innige Beziehung

Der sechzehnjährige Schimmel der Lusitano-Rasse schleckt ihr die Hand ab, als sie ihn begrüßt. Dann wird er gepflegt: „Ein Pferd zu besitzen, bedeutet viel Energie und viel Zeit zu investieren, man kann nicht nur einfach aufsitzen und losreiten“, schildert Christa Mitter, die seit ihrer Kindheit reitet und sich mit dem eigenen Pferd einen Traum erfüllt hat, wie sie verrät. Zunächst massiert sie Capote, putzt ihn, striegelt ihn. Das Striegeln geschieht mit flotten Handbewegungen, entspannt schließt das Pferd dabei die Augen. „Das genießt er“, sagt die Pferdenärrin, die eigentlich aus dem Salzkammergut stammt und seit 22 Jahren in Ottensheim lebt.

Englisch, Religion und mehr

Im Alltag ist die verheiratete Mutter von drei Kindern Lehrerin im Europagymnasium Auhof in Linz, unterrichtet dort Englisch und Religion. Es macht ihr Freude, die Schülerinnen und Schüler an den Glauben heranzuführen. Denn natürlich merkt sie auch in der Schule, dass der Glaube nicht mehr selbstverständlich vom Elternhaus vermittelt wird. „Aber die jungen Leute haben Fragen an das Leben wie eh und je“, analysiert die Pädagogin, die diese Lebensfragen gerne mit dem Glauben beantworten möchte. „Ich versuche das zu lehren, was das Interesse der Kinder und Jugendlichen weckt“, erzählt sie, „und dabei fördern, dass sie sich eigene Gedanken über den Glauben und das Leben machen“. Mit derselben Motivation geht die fröhliche und energiegeladene Frau auch ihrem kirchlichen Ehrenamt nach. In der Pfarre von Ottensheim gestaltet Christa Mitter Wortgottesdienst-Feiern mit der Gemeinde. „Unser Pfarrer ist da sehr fortschrittlich und fördert Frauen in der Leitung der Liturgie“, freut sich die Theologin. Dieses Angebot nimmt sie bereitwillig an. „Ich finde, dass unsere Kirche immer noch viel zu wenig durch weibliche Gesichter repräsentiert wird“, unterstreicht Mitter, die auch Obfrau des Pfarrgemeinderats ist und in einem zwölfköpfigen Frauenensemble geistliche Musik singt.

Sternsingen zu Pferd

Ihr Glaube kommt auch zum Vorschein, wenn sie sich über artgerechte Tierhaltung und pferdefreundliches Reiten unterhält. „Respektvoll und gewaltfrei“ möchte sie mit Pferden umgehen, hat dafür eigens Trainingsstunden genommen. Und sogar zur Vegetarierin ist sie durch Capote geworden, erzählt sie, „aus Liebe zu den Tieren“. Eine weitere Verbindung von Glauben und Tier ist ihr einmal im Jahr besonders wichtig: Gemeinsam mit drei Reiterkolleginnen organisiert sie das Sternsingerreiten in Ottensheim. Hoch zu Ross singen sie auf dem Marktplatz und sammeln Spenden bei Gläubigen und Schaulustigen.

Sonntags nie

Natürlich hat das Reiten auch für sie Schattenseiten. „Es kann immer vorkommen, dass man stürzt“, urteilt die 48-Jährige. Vor einiger Zeit war sie auf einer jungen spanischen Stute im Gelände unterwegs und wurde abgeworfen. Dabei verletzte sie sich so sehr am Sprungbein, dass sie geschlagene dreizehn Wochen lang mit einem Liegegips darniederlag. Wie gut, dass ihre Familie Christa Mitters Pferdeleidenschaft unterstützt. „Es ist großes Verständnis da“, auch ihre jüngste Tochter hat bereits mit dem Reiten begonnen. Das Verständnis für das zeitaufwändige Hobby dankt Christa Mitter ihrer Familie. „Sonntags, wenn mein Mann und die Kinder Zeit haben, gehe ich nie reiten.“ In die Natur geht sie dann aber manchmal trotzdem. Denn Mountainbiken ist das gemeinsame Hobby in der Familie.

Dem Schöpfer nahe

Ganz frei fühlt sie sich, wenn sie wieder bei Capote ist. „Ich kann beim Reiten alles andere loslassen und werde einfach getragen“, schwärmt sie. „Ich komme auf dem Pferd zu mir selbst, ich bin konzentriert auf den Moment, auf das Hier und Jetzt“, strahlt Christa Mitter. „Hier auf dem Pferd, in der Natur, bin ich auch Gott näher, ich spüre die Verbindung zur Schöpfung“. Kein Wunder – „Capote“ heißt, aus dem Portugiesischen übersetzt, „das schützende Dach“ oder „von Liebe ummantelt“, erzählt die Sprachlehrerin. „Genau dieses Gefühl habe ich, wenn ich mit Capote zusammen bin.“

Der sechzehnjährige Wallach ist sehr aufmerksam und kommuniziert mit seiner Besitzerin. „Er spiegelt mir, ob ich im seelischen Gleichgewicht bin oder nicht, er weiß immer sofort, wie’s mir geht“, sagt Christa Mitter. Menschen könnten von ihrem Schimmel viel lernen, meint sie: „Er ist immer ehrlich und niemals nachtragend.“

Frei werden: Mich selbst annehmen

Freiheit ist ein großes Wort. Sicher verbindet jede und jeder von uns etwas anderes damit, denn wir haben unterschiedliche Vorstellungen vom Frei-Sein. Dabei beginnt Freiheit im ganz Kleinen, mit etwas scheinbar Einfachem, das doch nicht so leicht ist, wie es klingt: Freiheit beginnt in mir selbst! Nur wenn ich mich selbst annehmen – und sein lassen! – kann, werde ich mich innerlich wirklich frei fühlen können. Die Voraussetzung dafür ist, dass ich mich selbst immer besser kennenlerne. Dass Gott mich so gemacht und gewollt hat, wie ich bin, ist ja schon ein Wunder in sich. Nur wenn ich mich selbst kenne, kann ich mich auch so annehmen, wie ich wirklich bin. Natürlich beinhaltet das auch meine Schwächen und Fehler, denn nicht alles an mir ist gut. Mich selbst sein lassen, einen liebevollen Umgang mit mir selbst pflegen wie mit einem guten Freund, mich selbst auch trösten und versorgen können, wenn das nötig ist – das macht frei.

Franziska Jeremia Madl ist Dominikanerin und Psychotherapeutin in Ausbildung unter Supervision. Ihre Praxis führt sie aus rechtlichen Gründen unter ihrem zivilen Namen Alexandra Madl.   
freiheit@koopredaktion.at

Autor:
  • Michael Masseo Maldacker
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