Himmel und Erde: Ein Rezept

Ein rheinisches Gericht
Ausgabe Nr. 2
  • Leben
Autor:
Gerd Wolfgang Sievers lernte das Kochhandwerk bei verschiedenen renommierten Spitzenköchen in Deutschland, anschließend studierte er Publizistik in Wien.
Gerd Wolfgang Sievers lernte das Kochhandwerk bei verschiedenen renommierten Spitzenköchen in Deutschland, anschließend studierte er Publizistik in Wien. ©Herbert Lehmann
Himmel und Erde: So heißt auch ein Gericht unserer deutschen Nachbarn.
Himmel und Erde: So heißt auch ein Gericht unserer deutschen Nachbarn. ©istock

Himmel und Erde: So heißt auch ein Gericht unserer deutschen Nachbarn. Wenn man die Blutwurst weglässt, ist es ein klassisches Fasten­essen.

Autor und Koch Gerd Sievers kommt selbst aus dem westfälischen Münster und hat mit dem SONNTAG über die Geschichte des Gerichtes „Himmel und Ääd“ gesprochen. 

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Zum Namen: Himmel und Erde

Sie stammen ursprünglich aus dem westfälischen Münster. Das heißt, Sie kennen das traditionelle Gericht „Himmel und Erde“?

Gerd Sievers: Ja, bei uns heißt das „Himmel und Ääd“. In Köln sagt man das so. Es wird mit einer geräucherten Blutwurst, der sogenannten „Flönz“ serviert.  

 

Warum heißt das Gericht so?

Ganz einfach: Es besteht aus Kartoffeln, die stehen für die Erde, und aus Äpfeln, welche für den Himmel stehen. Es ist eine Kombination aus Apfelmus und Kartoffelpüree – oftmals mit Blutwurst serviert.  

Die Geschichte von Himmel und Erde

Wie kam es zu der Entstehung des Gerichtes?

„Himmel und Ääd“ ist in vielen deutschen Regionen verbreitet, nicht nur in Westfalen. Es ist keine typisch westfälische Spezialität. In Berlin habe ich das Gericht auch schon gesehen. Aber die Variante mit geräucherter Blutwurst ist schon aus Köln. Dort wird die Blutwurst Flönz genannt. Auch im Rheinland, Hessen und Niedersachsen ist es ein traditionelles Gericht. Es gibt es aber auch in den Niederlanden. Ich glaube, es kommt ursprünglich aus dem schlesischen Raum, wenn man sich die Kombination der Zutaten ansieht. Es ist ein sehr altes Gericht. Seine Ursprünge sind sicherlich schon im 17. und 18. Jahrhundert zu verorten. Das eigentliche Gericht ist nur das Kartoffelpüree mit dem Apfelmus. Regional kommt dann entweder Blutwurst dazu – zum Beispiel im Kölner Raum der Flönz. In manchen Regionen kommen Zwiebel und/oder Speck dazu. Im hessischen Odenwald wird auch eine Leberwurst dazu gegessen. In Hamburg habe ich das schon mit einer Grützwurst gesehen. Ich denke, der ursprüngliche Grund, warum man Blutwurst und Äpfel zu dem Kartoffelpüree serviert, ist, dass es die Kartoffeln geschmacklich verbessert.

Himmel und Erde als Fastenessen

War „Himmel und Ääd“ ein Fastenessen?

Ich glaube, dass es ursprünglich ein Fastenessen war, wenn wir bedenken, dass im 18. Jahrhundert der Kartoffelanbau in Deutschland forciert worden ist und die Kartoffeln von den meisten Leuten nicht gewünscht waren. Daher hat man die Kartoffeln mit den Äpfeln vermischt, um sie schmackhafter zu machen. So war es ein gutes Arme-Leute-Essen für Bauern, weil es nahrhaft war und für die flächendeckende Ernährung der Bevölkerung gut geeignet war. Wenn man die Blutwurst weglässt und Kartoffelpüree mit Apfelmus und Zwiebel serviert, ist es ein klassisches Fastenessen. Aber es war auch gut geeignet, um durch die harten, kargen Wintermonate zu kommen. Das Apfelmus wurde eingekocht, ganz dick früher wie ein Quittengelee, die Kartoffeln hielten sich im Kartoffelkeller.

Haben Sie eine Lieblingsversion von Himmel und Ääd?

Ich esse das gar nicht, weil ich Kartoffeln nicht mag. Im Gegensatz zu Blutwurst, die liebe ich heiß. Ich esse sie aber lieber mit einem schönen gerösteten Bauernbrot. Ich habe „Himmel und Ääd“ zwar gekostet, aber in meinem ganzen Leben noch nie gekocht. Ich mag den Geschmack und Geruch von Kartoffeln einfach nicht. Ich verkoche auch bei uns im Restaurant keine Kartoffeln.

Ein Koch, der keine Kartoffeln isst. Sind Sie da schon einmal komisch angesehen worden?

Ja und nein – aber ganz so ist es nicht. Ich esse schon ein, zwei Mal im Jahr Pommes, wenn es hochkommt. Aber ich habe auch ein Buch geschrieben über die Arme-Leute-Küche, dazu gibt es auch einen Film in Kooperation mit dem ORF, wie die Kartoffel in die deutsche Küche Einzug gehalten hat. Denn die Knolle aus Südamerika war am Anfang gar nicht beliebt. Die Kartoffel war über Jahrhunderte von der Kirche als die Frucht des Teufels verboten. Die Damen haben sich die blau-lila Blüten der Kartoffel an die Hüte gesteckt – als Nahrungsmittel war sie nicht bekannt. Viele Menschen sind auch an Vergiftung gestorben, denn essbar sind von der Kartoffel nur die Knollen. Kaiser Friedrich der Große hat den Anbau von Kartoffeln in Deutschland forciert, weil er in der Knolle eine preiswerte Nahrung für seine Soldaten gesehen hat. Aber auch zur Bekämpfung von Hungersnöten war die Kartoffel gut. Interessanterweise hat Maria Theresia den Kartoffelanbau in Österreich nicht derart gefördert. Die Kartoffel gab es hierzulande erst später.

Himmel und Erde: So heißt auch ein Gericht unserer deutschen Nachbarn.
Himmel und Erde: So heißt auch ein Gericht unserer deutschen Nachbarn. ©istock

Himmel und Ääd – Ein Rezept von Gerd Sievers

 

Zutaten für 4 hungrige Personen: 

  • 1 Kilogramm mehlig kochende Kartoffeln 
  • 1 Kilogramm säuerliche Kochäpfel 
  • 4 große Zwiebeln 
  • 125 Gramm Bauchspeck 
  • 1 Flönz (Blutwurst) – circa 600 Gramm  
  • 100 Gramm Butter
  • 1/4 Liter Obers 36 % Fett 
  • 1/4 Liter Apfelsaft 
  • Zitronensaft nach Geschmack 
  • Zucker nach Geschmack 
  • Öl zum Braten 
  • Mehl zum Wenden der Wurst 
  • Muskatnuss 
  • Pfeffer & Salz

 

Zubereitung: 
Kartoffeln schälen, würfeln, in Salzwasser ­weichkochen. Kartoffeln abgießen, etwas ausdämpfen lassen, dann mit reichlich Butter und Obers zu einem leicht stückigen Kartoffelbrei zerstampfen. Mit Muskatnuss, Salz und Pfeffer abschmecken. Die Äpfel schälen, Kerngehäuse entfernen, würfeln, in Apfelsaft kochen, bis man ein stückiges Mus hat, das man mit Zucker, Zitronensaft und einer Prise Salz abschmeckt. Speck fein würfeln, Zwiebeln in Ringe schneiden. Speck in einer Pfanne auslassen, Zwiebelringe darin goldbraun braten. Würzen. Blutwurst in dicke Scheiben schneiden, Darm auf einer Seite anschneiden. Blutwurst in Mehl wenden, dann in Öl beidseitig knusprig braten. Die Blutwurstscheiben sollten dabei NICHT zu Brei verlaufen. Auf warmen Tellern eine ordentliche Portion Kartoffel-Stampf anrichten. Eine Mulde einarbeiten und in diese das Apfelmus füllen. Alles mit den Speck-Zwiebeln belegen. Die Blutwurst darauf anrichten, pfeffern und sofort servieren. 

 

Tipp: Ich streue noch eine gute Prise gerebbelten Majoran darüber. 

 

 Dazu gehört ein Kölsch! Guten Hunger. 

©Herbert Lehmann

Zur Person:

 

Gerd Wolfgang Sievers lernte das Kochhandwerk bei verschiedenen renommierten Spitzenköchen in Deutschland, anschließend studierte er Publizistik in Wien. Seit zwei Jahrzehnten schreibt er kulinarische und gastrosophische Kolumnen in Zeitungen und Fachmagazinen sowie Kochbücher, darunter das prämierte Schneckenkochbuch (Stocker 2005), das bei den Gourmand World Cookbook Awards 2007 in der Kategorie „Weltbestes Kochbuch“ ausgezeichnete Opus magnum Genussland Österreich (Stocker 2007) sowie das Fischkochbuch (Heyn 2010), das 2010 bei den Gourmand World Cookbook Awards zum drittbesten Fischkochbuch der Welt gekürt wurde. Der Autor stellt meist regionale Spezialitäten mit ihrer Geschichte, ihren besonderen Qualitäten, den wichtigsten Produzenten und natürlich traditionellen wie innovativen Rezepten ins Zentrum seiner Bücher. Gerd Sievers leitet das Restaurant „Das Furmint“ in Berg in Niederösterreich. Sievers ist als Spitzenkoch und Experte auch regelmäßig im ORF zu Gast und ist Produzent des ORF-III-Formats „Genuss-Kult(o)ur“.  

Autor:
  • Cornelia Grotte
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