Himmel, Fegefeuer, Hölle

So leben, dass man jede Nacht sterben könnte
Ausgabe Nr. 44
  • Theologie
Autor:
Detail aus der Kuppel des Florenzer Doms welches Himmel und Hölle zeigt
Detail aus der Kuppel des Florenzer Doms welches Himmel und Hölle zeigt ©kathbild.at/Rupprecht

Himmel, Hölle, Gericht – was dürfen wir hoffen, was müssen wir fürchten? Über die Zustände in der Hölle wussten manche Epochen viel zu genau Bescheid. Dogmatik-Professor Jan-Heiner Tück im Gespräch.

Warum gehören Leben und Tod unweigerlich zusammen?  Warum gibt es Himmel und Hölle? Ars vivendi – ars moriendi, die Art und Weise, wie man lebt, hat Rückwirkungen auf die Art und Weise, wie man stirbt. Wenn man sich um eine gute Lebensführung bemüht und immer wieder zur kritischen Selbstrevision bereit ist, dann kann man wohl getrost in die letzte Phase des Lebens, das Sterben, hineingehen. Wenn man hingegen Dinge verdrängt, abschiebt, Hypotheken nicht aufarbeitet, dann stauen sich Probleme an, die wahrscheinlich auch das Sterben erschweren. Karl Rahner SJ hat einmal gesagt: „Du sollst jeden Tag so beenden, dass du in der Nacht auch sterben könntest.“ Nicht, dass ich dieses Wort jeden Tag beherzigen würde, aber dieses Wort Rahners ist ein Anstoß für eine ars moriendi, eine Kunst des Sterbens.

Werbung

Was kommt nach dem Tod? Himmel oder Hölle?

Das kann man nicht im Sinne einer vorwegnehmenden Reportage sagen. Aber wir sind durch die Taufe in die österliche Lebenswirklichkeit Jesu Christi hineingenommen, Paulus spricht im Römerbrief vom Mitsterben und Mitgekreuzigtwerden, aber auch von der Teilhabe am neuen Leben, das keinen Tod mehr kennt. Insofern dürfen wir hoffen, dass nach dem Tod ein Leben kommt, das keinen Tod mehr kennt, also die Vollendung, die man eigentlich nur in Bildern beschreiben kann, ohne sie begrifflich exakt definieren zu können.

Wofür stehen Himmel, Hölle, Fegefeuer?

Die klassische Eschatologie, also die Lehre von den sogenannten „letzten Dingen“ unterscheidet drei „Orte“: Neben der Hölle als definitivem Zustand des Heilsverlustes kennt sie das Purgatorium (im Volksmund „Fegefeuer“), das man sich nicht als postmortale Folterkammer, sondern als einen Ort der Heilung und Reinigung vorstellen sollte, wo die vervollkommnungsbedürftigen Momente einer Biographie im Angesicht Jesu Christi therapiert und geheilt werden.

Der Himmel schließlich gilt als Ort der vollkommenen Gemeinschaft mit Gott. Derjenige, der sich bemüht hat, ein gutes Leben zu führen, aber noch dunkle Momente in seiner Biographie hat, die aufhellungsbedürftig sind, darf damit rechnen, im Purgatorium einen therapeutischen Läuterungsprozess zu durchlaufen, und die wenigen Heiligen, die schon hier ein gleichsam heiligmäßiges Leben geführt haben, die dürfen darauf hoffen, direkt in den Zustand der ewigen Seligkeit in der Gemeinschaft mit Gott zu finden.

Was meint Himmel, Leben bei oder mit Gott?

Das können wir uns nicht wirklich vorstellen: Was ist Fülle des Lebens? Die Biotechnologie arbeitet daran, das Leben quantitativ zu verlängern, aber dieses quantitativ technisch verlängerte Leben ist nur eine Karikatur des Lebens in Fülle, an das wir glauben, weil Gott die Fülle des Lebens selbst ist. Fülle des Lebens meint bruchstückhaft formuliert, dass es keine Eintrübungen mehr gibt, dass es Freude, dass es gelingendes Leben, dass es bruchlose Gemeinschaft gibt, und dazu sind wir als Menschen allein nicht in der Lage. Wir müssen uns diese Fülle des Lebens geben lassen, und wir dürfen getrost sein, dass uns am Ende diese Fülle des Lebens gegeben wird, die wir hier in den Sakramenten zeichenhaft, anfanghaft empfangen. Aber mehr als eine Ahnung, einen Vorgeschmack auf die Fülle des Lebens hat das Mängelwesen Mensch unter den Bedingungen dieser Zeit noch nicht.

Was lehrt die Kirche über die Hölle?

Die Hölle bedeutet den Zustand des definitiven Gottesverlustes. Sie ist das Gegenstück zum Himmel. Sie ist Folge einer radikalen Verkrümmung auf sich selbst und Ausdruck der definitiven Weigerung, auf Gottes Heilsangebot einzugehen. Ich würde allerdings mit Hans Urs von Balthasar die Hoffnung stark machen, dass es zwar die Hölle als diesen Grenzort des definitiven Heilsverlustes gibt, dass wir aber hoffen dürfen und sollen, dass kein Mensch am Ende den definitiven Gottesverlust erleidet, weil auch die Biographien der Täter nicht auf die Summe ihrer Untaten reduziert werden können, und weil es die Hoffnung gibt, dass es auch in diesen Biographien Momente der Ansprechbarkeit für Gott und sein Heilshandeln vorhanden sind.

Wenn man die Freiheit des Menschen ernst nimmt, muss man auch mit der realen Möglichkeit rechnen, dass Menschen sich definitiv verweigern und sich nicht erlösen lassen wollen bis ans Ende – und dann eine selbstgewählte Hölle als Resultat ihres Freiheitshandelns in Kauf nehmen. 

Manche meinen, die Hölle sei leer… Oder es gebe keine Hölle…

Ich würde nicht sagen, dass es die Hölle nicht gibt, das wäre die Apokatastasis-Theorie („All-Versöhnung“), die von der Kirche zu Recht verworfen wurde. Diese Theorie besagt, dass jedes Geschöpf am Ende bei Gott ankommen wird. Eine solche Theorie übergeht den Ernst der menschlichen Freiheitsgeschichte. Wenn man die Freiheit wirklich achtet, dann muss man davon ausgehen, dass es diesen Ernstfall, dass ein Geschöpf definitiv Nein sagt, geben kann. Man darf aber ebenfalls mit Hans Urs von Balthasar beifügen, dass selbst der Ort des Gottesverlustes von Gott im Gekreuzigten aufgesucht wurde.

Sodass auch dieser Ort des Gottesverlustes noch einmal einen Impuls der Rückwendung zu Gott aufweist, ob er dann freiheitlich aufgenommen werden kann, ist eine Frage, die wir vorweg nicht beantworten können. Wir können – gestützt auf die am Kreuz manifest gewordene Liebe Gottes – nicht mehr als hoffen, dass am Ende alle bei Gott ankommen. Wissen können wir es nicht. Wir müssen damit rechnen, dass es Menschen gibt, deren Biographie möglicherweise so belastet ist, dass sie sich selbst nicht mehr in dieser Nähe Gottes sehen und sich auch durch Christus nicht mehr helfen lassen, dieses Ja zum Ja Gottes mitzusprechen. Das sind Grenzreflexionen, wissen können wir hier nichts.

Andere meinen, die Hölle sei wiederum ziemlich voll …

Gegenüber den „Infernalisten“, die meinen, dass es sicher ist, dass die Hölle dicht bevölkert ist, ist in Erinnerung zu rufen, dass die Kirche von keinem Menschen mit Sicherheit sagt, dass er in der Hölle ist. Es ist auch daran zu erinnern, dass die Kirche definitiv niemanden verurteilt hat, sondern dass es dem Gericht Gottes obliegt, darüber zu entscheiden, welches ewige Geschick den einzelnen Menschen zukommt. Dahinter steht natürlich der komplexe biblische Befund. Es gibt sehr wohl neutestamentliche Aussagen, die von der Hölle sprechen, die die Hölle androhen, und es gibt Aussagen, die davon sprechen, dass Gott das Heil aller Menschen will.

Es kommt darauf an, wie man diese beiden Aussagereihen deutet

Es kommt darauf an, ob man die heilsuniversalistischen Aussagen im Lichte der Höllen-Aussagen liest und dann sagt: Ja, Gott will zwar eigentlich, dass alle Menschen gerettet werden, aufgrund der faktischen Freiheitsgeschichte muss man aber sagen, dass Gott viele verdammen wird, da sie eben böse gelebt haben. Das ist die heilspartikularistische Lesart der Infernalisten, die davon ausgeht, dass die Hölle gut bevölkert ist. Die andere Lesart, die sich mit dem Zweiten Vatikanum auch offiziell amtlich durchgesetzt hat und von Johannes Paul II. auch sehr klar vertreten wurde (im Buch: „Die Schwelle der Hoffnung überschreiten“), geht davon aus, dass man die Höllenaussagen als Droh- und Mahnaussagen lesen muss, die dazu anspornen wollen, mit Gottes Hilfe das Gute in Freiheit zu wählen und das Böse zu lassen.

Keine Friede-Freude-Eierkuchen-Theologie

Die meisten Theologen haben sich dieser heilsuniversalistischen Sicht angeschlossen. Es ist aber wichtig, hier keine Friede-Freude-Eierkuchen-Theologie zu installieren, die die Abgründe der menschlichen Freiheitsgeschichte durch eine inflationäre Rede der Liebe zudeckt. Das Gericht ist der Ort, wo die brüchigen Biographien vor Gott und mit den anderen in die Wahrheit hineingeführt werden. Und dieses In-die-Wahrheit-hineingeführt-Werden kann durchaus schmerzhaft und dramatisch sein, wenn man bedenkt, wie zerrüttet viele Beziehungen sind, etwa in den Konstellationen zwischen Tätern und Opfern. Aber das Gericht, das im Horizont der Gnade Gottes stattfindet, ist zugleich eines, das die Wahrheit aufrichtet, die zu Richtenden aber nicht zugrunde richtet, sondern sie in einen Prozess der Aufarbeitung des Geschehenen hineinreißt, von dem wir hoffen dürfen, das er am Ende gut ausgeht. Aber sicher sagen können wir das nicht.

Wir brauchen also um der Gerechtigkeit willen ein Jüngstes Gericht?

Die Hoffnung auf Auferstehung knüpft an anthropologische Grundbedürfnisse an. Ein Grundbedürfnis ist, dass die Täter nicht auf Dauer über ihre Opfer triumphieren mögen, also der Grundimpuls der Gerechtigkeit. Selbstverständlich muss diesem Gerechtigkeitsimpuls auch entsprochen werden im Eschaton, sonst bliebe Gott mit seiner Vollendung ja unter dem Niveau der gelebten Freiheitsgeschichte. Und deswegen ist das Gericht, auch wenn es das Gericht eines barmherzigen Richters ist, doch zugleich eines, das Gerechtigkeit schaffen muss. Wobei die Gerechtigkeit möglicherweise eben anders aussieht als das, was wir uns unter Gerechtigkeit vorstellen, weil Gerechtigkeit jetzt nicht meinen kann, die Unrechtsverhältnisse unter umgekehrten Vorzeichen fortzuführen. Es wird nicht so sein, dass dann die Opfer gewissermaßen zu Tätern zweiter Potenz an ihren Tätern werden, sondern dass sie gewissermaßen in ihren Tätern, bei all den Untaten, die sie begangen haben, doch die vergebungsbedürftigen Brüder und Schwestern sehen lernen durch den Blick Jesu Christi, der selbst für seine Peiniger am Kreuz sterbend gebetet hat.

Autor:
  • Stefan Kronthaler
  • Stefan Hauser
Werbung

Neueste Beiträge

| Soziales
Stresstest Dezember

Advent und Weihnachten als besinnliches Fest der Liebe – oft trifft das heute nicht mehr zu: Denn Konsumwahnsinn, Mental Load, Diskussionen in der Familie und Stress überlagern die Idylle. Was tun, wenn der Dezember zum Weihnachts-Chaos wird?

Boten Gottes

Engel boomen - seit Jahren. Während sie in der Esoterikszene vor allem durch Verkitschung, Verharmlosung und Verniedlichung präsent sind, kennt die Heilige Schrift als Boten Gottes.

| Kunst und Kultur
Literaturnobelpreisträger Jon Fosse

Der norwegische Literaturnobelpreisträger Jon Fosse hat im niederösterreichischen Hainburg ein zweites Zuhause gefunden. Hierher kann er sich zum Schreiben zurückziehen. Ein aufschlussreiches Interview mit einem der prägendsten Schriftsteller unserer Gegenwart.