Helmut Krätzl beim Konzil dabei
60 Jahre Zweites Vatikanisches KonzilDie Begeisterung hielt sich bei Helmut Krätzl in Grenzen, als ihm sein Chef Kardinal Franz König vorschlug, die noch bestehende Rekonvaleszenz für ein Studium in Rom zu nützen. Anlass für die Gehbehinderung Krätzls war ein schwerer Verkehrsunfall, den der Erzbischof von Wien und sein Zeremoniär im Februar 1960 erlitten hatten. Auf der Fahrt zum Begräbnis von Kardinal Alois Stepinac nach Zagreb kam der Wagen bei einem Überholmanöver in der Nähe von Varazdin auf der nassen Fahrbahn ins Schleudern und krachte in einen entgegenkommenden Lastwagen. Der Chauffeur war sofort tot, König und Krätzl schwer verletzt. Für Helmut Krätzl, dem, neben anderen schweren Verletzungen, beide Beine gebrochen wurden, bedeutete dies einen monatelangen Spitalsaufenthalt. Lange Zeit humpelte er später noch mit dem Stock und musste erst wieder gehen lernen.
Rom prägte sein Leben
Das von Kardinal König vorgeschlagene Studium des Kirchenrechts an der päpstlichen Universität Gregoriana reizte Krätzl nicht besonders. Er hatte 1959 an der Universität Wien bereits das Doktorat der Theologie erworben und hatte nicht den Wunsch nach einem Zweitstudium. Doch König meinte, dass man Kirchenrecht immer brauchen könne. So fuhr Krätzl im Herbst 1960 nach Rom und ahnte nicht, wie sein weiteres Leben von diesem Romaufenthalt geprägt werden würde.
Am Tisch mit den Konzilsvätern
In Rom liefen die Vorbereitungen für die Eröffnung des von Papst Johannes XXIII. am 25. Jänner 1959 nur einige Monate nach seiner Wahl angekündigten Konzils bereits auf Hochtouren. Die erste Konzilssitzung sollte am 11. Oktober 1962 stattfinden. Die Spannungen in der Kurie zwischen den Befürwortern und den Gegnern des Konzils waren unübersehbar. Jene Gruppe in der Kurie, die von Anfang an gegen das Konzil war, wollte ihren Einfluss zumindest bei den laufenden Vorbereitungen für sich nützen. Krätzl wohnte im Priesterkolleg Anima und bekam dadurch hautnah das hier stattfindende Zusammentreffen der deutschsprachigen Konzilsväter mit, deren Erwartungen an das Konzil und an Veränderungen groß waren. Viele Initiativen und Gedanken fanden von hier aus informell den Weg in das Konzilsgeschehen.
In der Anima wohnte auch Kardinal Frings aus Köln, der zu den einflussreichsten Konzilsvätern zählte. Und hier lernte Krätzl auch Frings’ theologischen Berater Joseph Ratzinger kennen. Der junge Dogmatiker setzte sich damals nachdrücklich für eine erneuerte Sicht der Kirche ein und nahm durch seine Beratertätigkeit bei Frings auch Einfluss auf Konzilsergebnisse. Um so mehr erstaunt, ja auch enttäuscht war Krätzl über die später erfolgte konzilskritische Kehrtwendung Ratzingers, vor allem als Präfekt der Glaubenskongregation.
Intensiv erlebte Helmut Krätzl dann die Konzilseröffnung als Konzilsstenograph. Er hatte sich für die etwas schwierige Aufgabe gemeldet und wurde mit 60 Studenten aus aller Herren Länder in einem Intensivkurs dafür geschult. Die Protokolle wurden dann auf der Schreibmaschine geschrieben. Voll Stolz durften die Stenographen mit den Konzilsvätern am 11. Oktober 1962 in den Petersdom einziehen. Ihre Schreibtische standen direkt neben dem Papstaltar. Es waren nicht nur die verschiedenen Wortmeldungen in der Aula, welche die jungen Priester beeindruckten, sondern auch die Begegnung mit Theologen, die vorher zensuriert worden waren und nun als Berater ihrer Bischöfe auftauchten. Es war eine Zeit, die Helmut Krätzl für sein ganzes Leben prägte. Die Kirche hatte begonnen, trotz aller Bremsversuche, die Zeichen der Zeit wahrzunehmen und einen Sprung in das „Heute“ zu machen.
Im Sprung gehemmt
1963 kam Helmut Krätzl wieder nach Österreich zurück und ging vorerst als Pfarrer nach Laa an der Thaya. 1981 wurde er Generalvikar der Erzdiözese Wien, 1977 erfolgte die Ernennung zum Weihbischof. 1998 erschien sein Buch „Im Sprung gehemmt“, in dem er zusammenfasste „Was mir nach dem Konzil noch alles fehlt“. Krätzl blieb aber seinem Grundsatz treu, die Gedanken und Ziele des Konzils in Vorträgen, Diskussionen und Artikeln im In- und Ausland den Menschen nahezubringen. Als Zeitzeuge dieses bedeutenden kirchlichen Ereignisses wollte er alles in seiner Kraft Stehende tun, um den vom Konzil gewiesenen Weg weiterzugehen und andere davon zu überzeugen, sich ebenfalls dafür einzubringen.