„Hebamme zu sein, ist wunderbar“
Zu Gast in Österreichs größter GeburtsklinikMein Name ist Elisabeth Bramauer. Ich bin seit 2018 Hebamme, seit 2019 hier in St. Josef und arbeite sowohl direkt in der Klinik als auch bei Young Mum, einer Einrichtung des St. Josef Krankenhauses Wien, die sehr jungen Schwangeren unter 20 unter die Arme greift, sie betreut und begleitet.
Frau Bramauer, wie läuft eine Geburt im St. Josef Krankenhaus ab?
In St. Josef arbeiten wir nach dem Konzept der hebammengeleiteten Geburt. Das bedeutet: Solange alles ohne Probleme verläuft und es keine Komplikationen gibt, werden die Frauen ausschließlich von uns Hebammen betreut. Einen Arzt rufen wir erst dazu, wenn es Komplikationen gibt. Wir haben dabei 12 Stunden Diensträder – sind entweder am Tag da oder in der Nacht.
Wenn die schwangere Frau, die sich bei uns im Spital zur Geburt angemeldet hat, mit dem Eindruck kommt, dass es „losgeht“, bringen wir sie zunächst einmal in ein Kreißzimmer. Dort geht es für uns Hebammen als erstes darum, herauszufinden, wo diese Frau gerade im Geburtsprozess steht? Sprich wir klären Fragen wie: Gab es einen Blasensprung? Hat die Frau Wehen? Wie lange hat sie sie schon? Hat sie große Schmerzen? Wie ist ihr Allgemeinzustand? Wir schreiben zudem ein CTG, das die Herztätigkeit des Kindes misst und machen einen vaginalen Befund, schauen wie weit der Muttermund geöffnet ist.
Wenn das alles gemacht ist, haben wir einen guten ersten Eindruck in welcher Phase der Geburt wir uns befinden und wie es jetzt weitergehen muss. Manchmal schicken wir die Frau tatsächlich da noch einmal nach Hause – natürlich nicht ohne ihr ganz klar und unmissverständlich zu sagen, wann sie wiederkommen muss.
Die intensive Geburtsarbeit auch für uns Hebammen beginnt, wenn die Frau starke und regelmäßige Wehen entwickelt. Dann geben wir Atemanleitungen, versuchen Positionen vorzuschlagen, die geburtsförderlich sind, überwachen natürlich, wie es dem Kind geht, wie der Geburtsfortschritt ist. Und auch etwa, ob die Frau Mittel zur Schmerzerleichterung braucht.
Worauf wird heute – vielleicht auch im Gegensatz zu früher – und vor allem auch hier im Krankenhaus Wert gelegt? Gibt es im Bereich der Geburt „Trends“, „Moden“?
Hier in St. Josef ist die natürliche Geburt das Ziel, das bedeutet eine Geburt, bei der der Geburtsprozess auf ganz natürlichem Weg und ohne Hilfsmittel einsetzt.
Wir haben hier 11 Kreißzimmer, darin 6 Badewannen – die sind sehr beliebt, auch Geburten im Wasser kommen vor. Eher geht es um das Entspannen in der Badewanne, im warmen Wasser. Häufiger genützt sind die Gebärbetten mit verstellbaren Fußstützen, Gebärbälle, Matten zum Drauflegen oder Seile zum Anhalten. Wir haben hier viele Möglichkeiten Frauen während der Geburt zu unterstützen und den Geburtsprozess positiv zu beeinflussen.
Wie erleben Sie eine Geburt?
Eine Geburt ist ein überwältigendes Ereignis. Die Kräfte, die dabei wirken, sind schon beeindruckend.
Eine Geburt ist zudem bis zu einem gewissen Grad ein Kontrollverlust. Und es ist ein körperliches Ereignis, das man nicht stoppen kann.
Wichtig ist deshalb auch die Achtsamkeit der Hebamme während der Geburt. Wir erleben das immer wieder, dass eine Geburt etwas triggert, etwas auslöst – erschreckend viele Frauen haben Missbrauchserfahrungen, haben Gewalterfahrungen und bei der Geburt kann das dann hochkommen. Da muss die Hebamme dann sehr sensibel sein, viel Verständnis zeigen, den Frauen Raum geben.
Wie ist es für Sie Hebamme zu sein?
Hebamme zu sein ist eine wunderbare, sehr befriedigende Arbeit. Die Frage, ob das, was ich da tue sinnvoll ist, stelle ich mir zum Beispiel nie. Ich erlebe eine hohe Zufriedenheit in meiner Arbeit.
Und es ist auch eine extrem spannende Tätigkeit, sehr abwechslungsreich. Keine Geburt ist gleich und es ist sehr spannend zu sehen wie unterschiedlich Geburtsverläufe sein können. Das Geburtserlebnis an sich ist auch für eine Hebamme etwas ganz Besonderes, ein schönes, ein gutes Erlebnis.
Ich arbeite viel mit meinen Händen – taste den Bauch ab, mache einen Muttermundbefund, massiere die Frauen, lege Zugänge oder verabreiche Medikamente.
Und Hebamme zu sein, ist auch sehr herausfordernd. Ich muss sehr präsent sein. Während einer Geburt kann sich schnell einmal etwas ändern und dann muss ich schnell reagieren. Manches zeichnet sich ab, aber manches tritt auch spontan auf.
Sie sind auch als Hebamme bei YoungMum tätig und arbeiten damit mit jungen und sehr jungen Frauen.
Bei YoungMum geht es um eine sehr intensive Betreuung junger Frauen und Mädchen unter 20 – die meisten sind 17, 18 oder 19 Jahre alt. Aber auch 14-jährige Mädchen kommen zu uns. YoungMum betreut die jungen Frauen vor und bei der Geburt, aber auch darüber hinaus bis zum 1. Geburtstag des Kindes. Wir haben da dann Angebote wie das YoungMum Café, bei dem sich die sehr jungen Mütter treffen und austauschen können.
Wir sind ein Team aus Hebammen, Sozialarbeitern, Psychologen, Ärzten und auch einem Rechtsberater. Wir machen Geburtsvorbereitung, klären über körperliche Veränderungen während einer Schwangerschaft auf, erklären den Mädchen worauf sie achten müssen, wie sich das Baby im Bauch entwickelt und wie es sich entwickeln wird, wenn es auf der Welt ist. Nicht zuletzt bekommen die jungen Frauen bei uns auch Informationen darüber, worauf sie Anspruch haben und wie sie den geltend machen können. Und sie können bei uns auch ganz allgemein alle Fragen stellen, die ihnen auf der Seele brennen. Manchmal können wir das familiäre Umfeld der Mädchen einbeziehen, manchmal nicht. Diejenigen, die ganz auf sich gestellt sind, brauchen natürlich besonders viel Unterstützung.
Sie erleben damit Geburten von sehr jungen Frauen und auch von älteren. Gibt es da Unterschiede?
Meine Erfahrung ist, dass Geburten bei jungen Frauen oft leichter gehen. Ich denke, es fällt ihnen einfach leichter die Kontrolle abzugeben, loszulassen und gleichzeitig, Vertrauen zu anderen auf zu bauen, sich nicht nur auf sich selbst zu verlassen.
Man spricht im Volksmund immer wieder von einer leichten oder auch einer schweren Geburt. Was versteht eine Hebamme darunter?
Von einer leichten Geburt sprechen wir, wenn die Frau sich gut auf den Prozess der Geburt einlassen kann. Wenn sie es schafft, es so zu nehmen, wie es kommt. Damit das gelingt, spielt ganz viel hinein, etwa wie wurde die Frau bis hierher betreut, was hat sie in ihrem Leben schon erlebt, wie ist etwa ihr Körperbewusstsein, hat sie schon Erfahrungen von früheren Geburten und vieles mehr.
Von einer schweren Geburt spricht eine Hebamme beispielsweise dann, wenn eine Frau sich eben nicht auf den Prozess einlassen kann. Wenn sie etwa zu konkrete Vorstellungen hat, wie die Geburt laufen soll und nicht davon abrücken will, auch wenn es sich anders entwickelt. Immer wieder passiert es auch, dass der Anspruch einer Frau an sich selbst zu hoch ist. Dass sie es unbedingt ohne Hilfe schaffen wollen, glauben, es etwa um jeden Preis ohne Medikamente schaffen zu müssen.
Welche Rolle spielt der Partner bei der Geburt?
Der Partner kann sehr hilfreich sein, aber auch das Gegenteil. Wir erleben das immer wieder, dass es für die Partner hart ist, so wenig aktiv eingreifen und helfen zu können. Eine Geburt auszuhalten, zu sehen, wie die Partnerin große Schmerzen hat und eben nur wenig tun zu können – das ist für manche Begleitpersonen ganz schwer, so realistisch muss man sein.
Wir raten deshalb auch in der Schwangerschaft offen darüber zu reden, ob der Partner dabei sein will. In den allermeisten Fällen ist aber heute der Partner dabei. Bei YoungMum ist öfters die Mutter des Mädchens mit, manchmal auch der Vater des Kindes.
Und kann man aus Ihrer Warte sagen, wann eine Geburt gut gelingt?
Am besten ist es ganz bestimmt eine möglichst offene Erwartungshaltung zu haben. Offen zu sein, was kommt und wie es sich entwickelt. Und es ist wichtig, dass die Frauen rücksichtsvoll mit sich selbst umgehen, bei sich bleiben, auf die eigenen Empfindungen hinspüren und das auch kommunizieren, was gerade für sie wichtig ist. Besonders schön ist es für mich als Hebamme, wenn die Frau nach der Geburt mit sich, mit dem Geburtserlebnis im Reinen ist.