Gott offenbart sich im Tanz

Sommerserie 2023 - Teil 5
Ausgabe Nr. 30
  • Leben
Autor:
Präzision erfordert Konzentration: Katharina Fuchs ist beim Tanzen ganz bei der Sache. © Schauer-Burkart
Katharina Fuchs ist Musiktherapeutin, Ordensschwester und Tänzerin. ©Maldacker
Michael Masseo Maldacker ist Kapuziner und Journalist ©BSchauer-urkart

Dass Musik Leib und Seele berührt, zeigt in dieser Woche Katharina Fuchs. Die Grazerin ist Musiktherapeutin, Ordensschwester und – Tänzerin.

Schwester Katharina Fuchs tanzt den klassischen südindischen Tanzstil „Bharatnatyam“, eine Tanzform, die mehr als 4.000 Jahre alt ist und aus dem indischen Bundesstaat Tamil Nadu stammt. Der Tanz hat seinen Ursprung in der dortigen Tempeltradition. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde er aus verloren gegangenen Traditionen wiederentdeckt und ist seither auch auf der Bühne beheimatet – es geht somit nicht nur um einen Kult, sondern der Bharatnatyam erfreut auch das ästhetische Auge. „In Indien hat der Tanz in etwa den Stellenwert unserer Ballettaufführungen. Dennoch ist die sakrale Bedeutung geblieben“, erläutert Katharina Fuchs.

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Tanz aktiviert

Zwei- bis dreimal pro Woche tanzt Schwester Katharina, die der Kongregation der Helferinnen angehört. Meist geht sie hierfür auf den Balkon ihrer Schwesterngemeinschaft in der Nähe der Salvator-Pfarre in Graz. Sie nimmt sich jedes Mal mindestens eine Stunde Zeit, um aus dem Alltag herauszukommen und in den Tanz hineinzufinden. „Tanz aktiviert mich“, sagt Katharina Fuchs, „auch meine körperliche Fitness“. Aber auch ihre Psyche. „Wenn ich mich auf die Tanzschritte konzentriere, bin ich komplett vom Alltag abgelenkt, das ist völliges Loslassen von Stress“, bewertet die gebürtige Grazerin. „Wenn ich zu lange nicht zum Tanzen komme, weil ich keine Zeit habe, werde ich unzufrieden, da bin ich aus dem Gleichgewicht.“

Faszination

Auf einer Reise nach Indien, als 20-Jährige, hat sie den Tanz zum ersten Mal gesehen. „Die Bewegungen haben mich fasziniert, ich fand sie einfach schön.“ Als sie dann zurück nach Österreich kam und in Wien ihr Studium begann, wurde an der Universität zufällig ein Kurs zum Erlernen des Bharatnatyam angeboten. Katharina Fuchs zögerte nicht lange, schrieb sich ein, und schon war sie Schülerin des indischen Tanzes. Das hat sie bis heute nicht mehr losgelassen. Und sie macht die Tanzbewegungen nicht nur für sich. Wenn sie angefragt wird, führt die Ordensschwester ihre Tanzkunst auch öffentlich auf. Diese Freiheit nimmt sie sich. Aller Anfang ist auch, oder erst recht, beim Bharatnatyam schwer. „Die Grundschritte sind anstrengend und schauen nach nicht viel aus“, erzählt Schwester Katharina. Je weiter das Können aber voranschreitet, desto mehr spürt man den Sinn des Bharatnatyam, schwärmt die 46-Jährige. „Mir beschert das eine Freiheit, die aus einer großen Disziplin heraus entsteht“, skizziert sie, „das supercoole Tanzgefühl entsteht nämlich erst durch die korrekte Ausführung des Tanzschrittes.“

Körperliches spüren

Katharina Fuchs studierte in Wien Musiktherapie, heute arbeitet sie in Graz in diesem Beruf. Der indische Tanz, die Musiktherapie und auch ihr anderer Beruf als Seelsorgerin finden die Verbindung in der Musik. „Mein Zugang zur Musik ist das körperliche Spüren“, fasst Schwester Katharina zusammen, die auch zum Gebet einen „leiborientierten Zugang“ hat. „Ich denke alles vom Leib her“, sagt sie, und auch in ihrer seelsorgerischen Tätigkeit greift sie auf ihr Wissen und Spüren aus der Musiktherapie zurück. „In der Musiktherapie verwende ich Musik für die therapeutische Beziehung. Ich nütze aus, dass es leichter ist, sich ein Lied zu wünschen, als über eigene Probleme zu reden.“

Gott wirkt

Schwester Katharina ist mit Leib und Seele Seelsorgerin. Die 46-Jährige lebt in einer Gemeinschaft mit fünf Mitschwestern, jede von ihnen geht einem anderen Beruf nach. Katharina Fuchs vereint in sich selbst gleich mehrere Berufe. Sie geht zum einen ins Grazer Elisabethinen-Krankenhaus, um in der Palliativmedizin schwer kranke Menschen in ihrer letzten Lebensphase mit Musiktherapie zu begleiten. Zum anderen bietet Katharina Fuchs Studierenden der Theologie geistliche Begleitung an. „Wenn ich von jemandem eingeladen werde, ein Stück des spirituellen Wegs mitzugehen, machen wir uns auf die ganz persönliche Suche nach Gott. Meist darf ich staunen, wie Gott in das Leben jedes einzelnen Menschen wirkt. Und wenn die von mir begleitete Person ihre Freundschaft mit Gott vertiefen kann, ist das auch für mich ein großes Geschenk.“

Mit Leib und Seele

Ihr selbst, der Ordensschwester, die aber auch nicht auf direktem Weg als junge Frau in eine Gemeinschaft gegangen ist, war Gott in allen Lebensphasen nahe, wie sie erzählt: „Ich kann Gott jederzeit finden. Das macht mich froh und dankbar“, schildert sie. Seit zehn Jahren ist Katharina Fuchs nun Ordensschwester. Ihre Gemeinschaft, die Kongregation der Helferinnen, ist weltweit in rund zwanzig Ländern vertreten. Die apostolische Gemeinschaft wurde 1856 in Paris von Eugénie Smet gegründet und bemüht sich um Arme und Kranke. Die erste Gemeinschaft der Helferinnen im deutschsprachigen Raum entstand 1897 in Wien, in Deutschland (München) erst 1982. Heute bilden 62 Schwestern in Österreich, Deutschland, Ungarn und Rumänien die Provinz Zentraleuropa mit dem Mittelpunkt im Wiener achtzehnten Bezirk. Weltweit gehören der Gemeinschaft rund 450 Schwestern an. Eine davon ist Schwester Katharina Fuchs aus Graz. Zuhause bei Menschen, in der Musik und im Bharatnatyam. Mit Leib und Seele.

Frei werden: Mir selbst gerecht werden

Manchmal fühle ich mich missverstanden. Vielleicht kennen Sie das auch? Da hat sich jemand eine Meinung von mir gebildet, und ich habe das Gefühl, er meint eigentlich eine andere Person. Das bin nicht ich, so bin ich gar nicht! Da sind auch Verletzung und Empörung mit dabei. Das ist verständlich, denn wenn man mir als Person nicht gerecht wird, ist das kränkend und tut weh. Es ist eben un-gerecht. Wie abhängig bin ich eigentlich von der Meinung anderer? Fühle ich meinen eigenen Wert als Person, meinen Selbstwert, in mir – oder beziehe ich ihn nur von außen? Natürlich ist es mir nicht egal, was andere Menschen von mir denken. Ich will (besonders als Christin) kein Ärgernis sein oder Anstoß erregen. Aber wenn ich mich zu sehr oder gar ausschließlich danach richte, was andere denken, bin ich unfrei. Ich will immer mehr zu der Person werden, die ich eigentlich bin, wie Gott mich gemeint hat. Wo ich mir selbst gerecht werde – da bin ich frei.

Franziska Jeremia Madl ist Dominikanerin und Psychotherapeutin in Ausbildung unter Supervision. Ihre Praxis führt sie aus rechtlichen Gründen unter ihrem zivilen Namen Alexandra Madl.   
freiheit@koopredaktion.at

Autor:
  • Michael Masseo Maldacker
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