Glaube oder Blasphemie?

Hirtenhund
Ausgabe Nr. 3
  • Hirtenhund
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©Der SONNTAG

Der Hirtenhund "bellt" über eine Jugendsünde von Kardinal Victor Fernández.

Woran denken Sie, wenn Sie den Buchtitel „Die mystische Leidenschaft“ lesen? An ins Gebet versunkene Ordensleute? An „worshipende“ Jugendliche? Wohl nicht an ein Buch, in dem Sie Sätze finden wie „Dieser Orgasmus, der in der Gegenwart Gottes erlebt wird, kann auch ein erhabener Akt der Anbetung Gottes sein“ oder Weisheiten wie jene, dass der weibliche Orgasmus „normalerweise unersättlich“ ist. Keine Sorge, derber wird’s heute nicht. Hinter besagtem Buch steht kein Geringerer als der Leiter des Dikasteriums für die Glaubenslehre, also quasi der Joseph Ratzinger der Gegenwart, Kardinal Victor Fernández. Das Buch war wohl so etwas wie eine Jugendsünde – erschienen vor über 25 Jahren. Es war „das Ergebnis einer Untersuchung über den männlichen und weiblichen Orgasmus (…), die ich mit einer Gruppe von Ehepaaren durchgeführt hatte“. Ach, liebe priesterliche Schuster, bleibt doch bitte bei euren Leisten bzw. fuhrwerkt nicht gröber in der Leistengegend herum – das endet stets in halbseidenen Peinlichkeiten.

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Warum erzähle ich Ihnen das? Weil die Causa symptomatisch für den Zustand meiner Kirche römischen Zuschnitts ist: Ans Licht gezerrt wurde das „Werk“ nämlich von stramm konservativen US-Blogs, die sich sogleich darüber echauffierten, wie es sein kann, dass jemand, der so blasphemischen Schweinkram schreibt, höchster Glaubenshüter sein soll. Ein Angriff, der nicht Fernández allein galt, sondern vor allem Papst Franziskus.

Wo Homo-Segnungen Einzug halten und Orgasmen gefeiert werden, da kann doch nicht die wahre katholische Kirche sein, sagen die Saubermänner (keine Frauen, sorry) und treiben den Keil der Spaltung noch ein paar Zentimeter tiefer. Und das alles, während wir uns in der „Gebetswoche für die Einheit der Christen“ befinden. Es werden Knie gebeugt und die Einheit der Christenheit besungen, während nicht einmal unter der eigenen Haube der Motor rund läuft.

Vielleicht braucht es diesen ganzen Einheitszinnober ja auch gar nicht. Vielleicht wäre schon viel gewonnen, wenn wir einander nicht mehr in die Pfanne hauen würden und zumindest im eigenen Körbchen halbwegs friedlich miteinander leben könnten. Dann würde schließlich auch der Blick wieder frei auf die einzige christliche Einheit, die heute dringend gefragt ist: Die Einheit in der Solidarität mit Israel. Das einheitliche Bekenntnis zum Staat Israel und die einheitliche Ablehnung jeder Form des Antisemitismus. Wenn die Christen darin Einheit zeigten, wäre viel gewonnen – und selbst unappetitlich-orgiastische Eskapaden am kirchlichen Rand wären leichter zu ertragen.

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