Die unverbesserliche Optimistin
Woran ich glaube
Fad wird ihr nicht. Dazu sind ihre Aufgaben zu vielfältig, ihr Alltag zu abwechslungsreich und ihr Interesse an ihrem Umfeld und ihren Mitmenschen zu groß. 1980 in Niederösterreich geboren, trat Schwester Franziska Madl 2001 in den Dominikanerorden ein und übernahm im Laufe der Jahre zahlreiche Aufgaben – war unter anderem Religionslehrerin, Krankenhausseelsorgerin und Novizenmeisterin und damit in ihrem Orden für die Ausbildung und Betreuung jener zuständig, die mit ihrem Ordensleben beginnen und vor dem ersten Gelübde stehen. Seit 2018 leitet sie als jüngste Priorin Österreichs den Konvent in der Schlossberggasse im 13. Wiener Gemeindebezirk. Und arbeitet zudem als Psychotherapeutin in Ausbildung unter Supervision.
Schwester Franziska, was hat Sie vor fast 25 Jahren dazu bewogen, in einen Orden einzutreten?
Schwester Franziska: Aus meinem Leben heraus war es die logische Konsequenz, dass ich Ordensschwester geworden bin. Der Glaube, die Beziehung zu Jesus waren mir schon als Kind immer wichtig. Ein einzelnes Berufungserlebnis habe ich dabei nicht gehabt – es war mehr eine Aneinanderreihung von wundervollen Begebenheiten, die mir in ihrer Summe klar gemacht haben, wie mein Weg sein muss.
Wer ihren Glauben geprägt hat
Gab es eine – oder mehrere – Personen, die ihren Glauben geprägt haben?
Meine Großeltern – und da ganz speziell mein Opa in der Steiermark. Er war sehr gläubig, dabei bodenständig und gar nicht kapriziös. In seiner Pfarre war er sehr engagiert, war Organist, Chorleiter und hat sich um die Pfarrbibliothek gekümmert. Mich hat immer sehr beeindruckt, wie er all seine Entscheidungen aus seinem tiefen Glauben heraus getroffen hat.
Wie macht man das: Entscheidungen aus dem Glauben heraus treffen?
Er hat immer gesagt, die oberste Instanz für unsere Entscheidungen ist unser eigenes Gewissen. Und eines Tages müssen wir unsere Entscheidungen nicht nur vor uns selbst, sondern auch vor Gott verantworten können. Für ihn war das Gewissen so etwas wie ein Organ, auf dessen Gesundheit man achten muss. Das habe ich versucht zu übernehmen. Und habe dabei gelernt, dass das eigene Gewissen zu befragen, vieles bedeuten kann: Den Mund aufzumachen, sich einzusetzen, etwas zu erstreiten, aber auch Unfrieden und Konflikte auszuhalten. Heute weiß ich: Nicht jeder Konflikt ist notwendig. Manch einer führt uns nicht weiter, führt nur zu Gezänk und bringt gar nichts.
Einstellung zum Glauben
Wie würden Sie Ihre Einstellung zum Leben und zu Ihrem Glauben beschreiben?
Ein Freund sagt immer zu mir, dass ich eine unverbesserliche Optimistin bin, jemand, der nie die Hoffnung verliert. Dass verstehen nicht immer alle, dass das bei mir so ist, aber für mich ist es einfach richtig. Und die Hoffnung, die ist für mich nun einmal untrennbar mit dem Glauben verbunden. Da ist so viel Schönes, so viel Gutes in unserem Katholisch-Sein. Unser Glaube ist lebensnah und lebbar und die Hoffnung und der Optimismus, dass alle gut wird, sind Kernelemente davon. Wir wissen, dass wir erlöst sind und uns vor nichts fürchten müssen.
Ist das „fürchten“ ein Thema in ihrem Alltag?
Als Therapeutin fällt mir auf, dass Ängste immer mehr zunehmen. Die Leute machen sich unfassbar viele Sorgen – es geht um finanzielle Fragen , um die Zukunft, es geht um Kriegsschauplätze, um die Wirtschaftskrise, um Familie, Freunde. Wir leben in größerer Angst und wir treffen Entscheidungen nicht aus unserem Gewissen heraus, sondern aus Angst – und die ist ein schlechter Berater. Aber die Gemeinschaft der Kirche kann dem etwas entgegensetzen.
Das Gewissen ist wie ein Organ, auf dessen Gesundheit man achten muss.
Schwester Franziska Madl
Was ist das konkret? Was kann die Kirche Ihrer Ansicht nach anbieten?
Die Kirche kann einen Rahmen bieten, an dem ich mich festhalten kann. Ich meine damit die festen Traditionen, Rituale und Fixpunkte, die unser Glauben hat – Gebetszeiten, Messfeiern, all die Feste im Jahreskreis, die verlässlich immer wieder kommen und die wir feiern können. All das schafft Rhythmus in unserem Leben, Struktur und ein gleichmäßiger, sich immer wiederholender Rhythmus hilft, Ruhe in unsere Leben zu bringen. Und das alles natürlich vor dem Hintergrund und mit dem festen Vertrauen, dass Gott uns trägt, dass es gar nicht möglich ist, dass wir ins Nichts fallen. Das nennen wir Glauben.
Aber gerade die angesprochenen Traditionen und Rituale sind ja unfassbar vielfältig und unterschiedlich – bringt das nicht doch wieder Unruhe rein?
Nein, das sehe ich nicht so. Eine der anderen Stärke der Katholischen Kirche, die ich jeden Tag aufs Neue wahrnehme, ist, dass unsere Kirche so groß ist, so bunt. Gottes Großer Blumengarten! Da hat so viel Platz – konservative Ideen, liberale, neue, alte - alles ist wichtig, alles hat seinen Platz. Das Traurige ist für mich, dass das Katholische so vielfältig und so bunt nicht wahrgenommen wird und dass auch wir Christen oft verlernt haben, in all der Buntheit unseres Alltags, Gottes Gegenwart wahrzunehmen.
Gott im Alltag wahrnehmen
Warum ist das so? Warum fällt es uns schwer, Gottes Gegenwart im Alltag wahrzunehmen?
Ich denke, dass sich viele Gottes Gegenwart zu spektakulär vorstellen, laut und auffällig. Dabei zeigt sie sich meiner Ansicht nach so oft in sehr simplen, schlichten Angelegenheiten. Es können Begegnungen sein mit anderen Menschen oder ein Sonnenaufgang, ein gutes Buch, Musik, die uns tief berührt. Im Grunde reicht es wahrscheinlich, Augen und Ohren aufzumachen und Gottes Gegenwart auch wahrnehmen zu wollen. Er ist überall, zeigt sich in den verschiedensten Momenten eines ganz normalen Alltags. Die Frage ist am Ende dann wohl, schaue ich dort hin, höre ich dort hin, lasse ich es zu – in mir drinnen – dass das jetzt auch Gottes Gegenwart sein kann? Glaube ist Gnade und Entscheidung – beides gleichzeitig.