Gipfelkreuz: „Am liebsten ist mir ein Steinmann“
Reinhold MessnerEntdecken Sie Reinhold Messners Perspektive auf die Tradition der Gipfelkreuze und die modernen Eingriffe in die alpine Landschaft.
Warum haben Kreuze am Gipfel nichts verloren?
Reinhold Messner: So radikal sage ich das nicht. Die vorhandenen Kreuze, will ich nicht entfernt sehen. Das Gipfelkreuz ist eine späte Erscheinung und nicht Teil unserer alpinen Kultur. Darauf will ich aufmerksam machen und spreche mich gegen neue Kreuze aus.
Erst Ende des 19. Jahrhunderts begann die Eroberung der Berge durch den Menschen. Wann kam das Gipfelkreuz?
Auf Gipfeln wurde anfänglich nur ein „Steinmann“ platziert. Steine wurden übereinandergeschichtet, um zu sagen, ‚Hier war jemand‘. Kreuze wurden schon im 13. Jahrhundert als Grenzmarkierung aufgestellt, dort, wo Menschen von einem Tal ins andere gewechselt sind. Sogenannte Wetterkreuze dienten als Warnung vor Naturkatastrophen. Im 17. Jahrhundert haben Religionen dann versucht, die Gipfel zu okkupieren.
"Die vorhandenen Kreuze, will ich nicht entfernt sehen."
Sie sprechen von einer „besetzenden“ Erfindung der Gipfel. Die erfolgte nicht nur durch das Kreuz?
Es folgten auch nationalistische Symbole. Mao Zedong ließ eine Büste von sich auf den Everest bringen. Stalin hat sein Abbild auf den „Pik Kommunismus“ in Tadschikistan hinaufstellen lassen.
Wie sollte Ihrer Meinung nach vorgegangen werden, wenn heute neue Gipfelkreuze angebracht werden?
Bei uns in Südtirol ist eine Diskussion entstanden, ob Gipfelkreuze eine Genehmigung brauchen, wie alle anderen Bauwerke. Ich bin der Meinung, wenn ein Gipfelkreuz, dann muss es genehmigt werden. Am liebsten ist mir jedoch kein neues Kreuz, mir reicht ein Steinmann.
"Handymasten nehmen dem Berg seine Erhabenheit."
Mittlerweile finden sich zusätzlich weit markantere Symbole der heutigen Welt im Gebirge. Handymast oder Kreuz - was stört Sie weniger am Berggipfel?
Da ist ein kleines Gipfelkreuz weniger schlimm. Handymasten nehmen dem Berg seine Erhabenheit. Sie sind die größere Unkultur. Sie machen den Berg banal.