Gemeinsames Fasten der Religionen 2025
Interreligiöses Fasten
Im Jahr 2025 kommt es zu einer seltenen religiösen Konvergenz: In den Monaten März und April überschneiden sich die zentralen Fastenzeiten der drei großen abrahamitischen Religionen – Christentum, Islam und Judentum. Die christliche Fastenzeit (5. März bis 19. April im westlichen Christentum, 3. März bis 19. April in den orthodoxen Kirchen), der islamische Ramadan (1. bis 30. März) sowie das jüdische Pessach (12. bis 20. April) und der Bußtag Ta'anit Esther (13. März) rücken das Thema Fasten in ein gemeinsames Licht. Trotz der unterschiedlichen Ursprünge und Riten vereint die Gläubigen eine zentrale Idee: Verzicht als Mittel zur spirituellen Reinigung und zur Annäherung an das Göttliche. Da 2025 die Fastenzeiten so eng miteinander verwoben sind, bietet sich eine Gelegenheit für gemeinsamen Dialog. Ein interreligiöser Beitrag zum Thema Fasten.
Fasten im Judentum
Interview mit dem Oberrabbiner der israelitischen Kultusgemeinde Wien, Jaron Engelmayer:
Im Judentum gibt es über das Jahr verteilt mehrere Fastentage: vor Purim, vor Pessach, an Jom Kippur und Tischa BeAv. An welchen Tagen fasten Sie/haben Sie gefastet?
Jaron Engelmayer: Ich nehme es mit den vorgeschriebenen und fest im jüdischen Kalender verankerten Fasttagen seit dem zwölften Lebensjahr sehr genau.
Was ist im Judentum beim Fasten wichtig?
Die Vorschriften untersagen das Essen und Trinken, an den beiden schwereren Fastentagen (Jom Kippur und Tischa beAw, beide von Abend zu Abend – gut 24 Stunden) auch weitere körperlichen Genüsse, wie bspw. das sich Waschen. Es gibt spezielle Gebete und Tora-Lesungen, welche auf die jeweiligen Inhalte des Fastentages aufmerksam machen. Nicht weniger wichtig ist jedoch, auch das Ziel des Fastens zu beachten: Umkehr für Fehlvergehen zu begehen, vor allem jene, welche die verschiedenen Gründe für die Fastentage ausgelöst haben.
Was ist Ihnen beim Fasten wichtig?
Dem Tag und dem Fasten einen inhaltlichen Sinn zu geben und es als etwas Erhebendes zu erfahren und zu vermitteln.
Was haben Sie sich beim Fasten vorgenommen?
Das ist stets vom Charakter des Fastentages abhängig. An Jom Kippur geht es um die Versöhnung – mit den Mitmenschen, mit G“tt und mit sich selbst, an Tischa beAw um die Hoffnung auf das Zeitalter der vollkommenen Erlösung, wo es keinen Hass und keine Zwietracht mehr geben soll, und um die Vermehrung der Brüderlichkeit, der Liebe und Einheit, etc.
Ist Ihnen das gelungen, was Sie sich beim Fasten vorgenommen haben?
Manchmal mehr, manchmal weniger, aber jedes Fasten hat eine besondere Bedeutung und einen wichtigen Stellenwert in meinem Leben erhalten.
Fasten im Judentum
Interview Saskia Benter Ortega, Referentin des Pressesprechers beim Zentralrat der Juden in Deutschland:
Wie fasten Sie?
Im Judentum wird während des Fastens weder gegessen noch getrunken. Die Fastendauer ist deswegen nie länger als ein Tag. Am 9. Aw und Jom Kipur fastet man vom Sonnenuntergang bis Erscheinen der ersten Sterne in der Folgenacht (also länger als 24 St.). Die restlichen Fastentage beziehen sich dagegen nur auf die Tageszeit. Zusätzlich zum Ess- und Trinkverbot, werden an verschieden Fasttagen je nach dem Anlass auch weitere Gesetze eingehalten.
Warum fasten Sie?
Bei den meisten Fasttagen (alle außer Jom Kipur) handelt es sich um eine Erinnerung an ein historisches Ereignis. Die meisten dieser Ereignisse (alle außer Taanit Esther & Taanit Bechorot) sind verhängnisvolle Zäsuren der jüdischen Geschichte gewesen. Das Fasten an diesen Tagen hängt also innerlich mit der Trauerverarbeitung zusammen und dient in manchen Fällen (wie am 17. Tammus und 9. Aw) der Vorbeugung zukünftiger Schicksalsschläge, zu welchen diese Jahreszeit im jüdischen Kalender als prädestiniert betrachtet wird. Am Jom Kipur fastet man allerdings aus einem völlig anderen Grund: Indem man nicht isst und nicht trinkt, versucht man sich in die Realität der zukünftigen Welt zu versetzen, die Welt, in der – wie man sagt – die Gerechten völlig losgelöst von all dem Materiellen, allein G-ttes Anwesenheit und ihre Nähe zu Ihm genießen werden.
Was ist das Wesentliche beim Fasten in Ihrer Religion?
Das Verbot des Essens und des Trinkens hat an allen Fasttagen dieselbe Bedeutung: Es ist die Methode, sich von dem Alltäglichen und Sinnlichen zu entfernen, um sich auf das Gebet, die Selbstreflexion und die innere Einkehr konzentrieren zu können. Tut man das richtig, fällt einem das Fasten an sich nicht mehr schwer.
Fasten im Christentum
Fragen an SONNTAG-Digitalredakteurin Cornelia Grotte:
Wie fasten Sie?
Im Christentum wird 40 Tage vom Aschermittwoch (heuer der 5. März) bis zum Ostersonntag gefastet. Dabei gibt es nur zwei strenge Fasttage laut Fastenordnung: Den Aschermittwoch und der Karfreitag. An diesen Tagen sollte nur eine große Mahlzeit eingenommen werden, zwei kleinere Zwischenmahlzeiten sind erlaubt. Was gefastet werden soll, ist nicht genau festgelegt. Empfohlen wird der Verzicht auf Fleisch und Genussmittel, es gibt aber unterschiedliche Formen von Verzicht. Da ich Vegetarierin bin habe ich mich dazu entschlossen während der Fastenzeit auf Alkohol und Süßigkeiten zu verzichten und öfter einmal innezuhalten und dankbar zu sein.
Warum fasten Sie?
Ich persönlich faste, weil durch den Verzicht in der Fastenzeit wieder dankbarer für Dinge in meinem Alltag werden möchte.
Was ist das Wesentliche beim Fasten im Christentum?
Die Fastenzeit ist in der katholischen Kirche eine Zeit für Buße. Die Fastenzeit dient der Vorbereitung auf Ostern und erinnert an die 40 Tage, die Jesus Christus fastend und betend in der Wüste verbrachte.
Fasten im Islam
Interview mit Sami Aboudan - Muslim und Wiener:
Wie fasten Sie?
Muslime fasten im Islam im Monat Ramadan, dem neunten Monat des islamischen Kalenders. Das Fasten verläuft folgendermaßen: Erstens: Die Absicht (Niyya): Man muss sich vor der Morgendämmerung (vor dem ersten Gebetsruf, Fajr) innerlich vornehmen, an diesem Tag zu fasten. Zweitens: Vom Morgengrauen bis zum Sonnenuntergang verzichten Muslime auf: Essen und Trinken, Rauchen, Geschlechtsverkehr, sowie auf schlechtes Verhalten wie Lügen, Klatsch und Beleidigungen. Drittens: Das Fastenbrechen (Iftar): Zum Sonnenuntergang (mit dem Ruf zum Abendgebet, Maghrib) wird das Fasten gebrochen – traditionell mit Datteln und Wasser, danach folgt das Abendessen. Und Viertens: Die Mahlzeit vor dem Fasten (Suhur): Eine leichte Mahlzeit vor der Morgendämmerung, die empfohlen wird.
Warum fasten Sie?
Beim Fasten im Islam spielen sowohl religiöse als auch ethische und gesundheitliche Aspekte eine Rolle.
Was ist das Wesentliche beim Fasten im Islam?
Die wichtigsten Punkte sind: Aufrichtigkeit und Absicht (Niyya): Das Fasten soll allein für Allah erfolgen, mit einer ehrlichen und bewussten Absicht, die jeden Tag vor dem Morgengrauen erneuert wird, Verzicht auf alles, was das Fasten bricht: Von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang wird auf Essen, Trinken, Rauchen und Geschlechtsverkehr verzichtet, Gutes Verhalten: Man sollte Lügen, Klatsch, Beleidigungen, Streitereien und alles Schlechte vermeiden. Das Fasten ist nicht nur ein körperlicher, sondern auch ein moralischer und spiritueller Verzicht und die Vermehrung der Gottesdienste und Gebete.
Was haben Sie sich beim Fasten vorgenommen?
Ich habe mir für diesen Ramadan vorgenommen, jeden Tag einem Bedürftigen zu helfen – aus Liebe zu Gott und in der Hoffnung auf Lohn und Segen. Ich habe mir auch vorgenommen, meine Nutzung von sozialen Medien zu reduzieren.
Ist Ihnen gelungen, was Sie sich vorgenommen haben?
Mein Fasten war gut. Es war am Anfang zwar schwierig, aber nach den ersten zehn Tagen habe ich mich daran gewöhnt. Jetzt, nach dem Ramadan, habe ich viel Körperfett verloren und spüre, dass ich das Essen viel mehr zu schätzen weiß. Ich fühle inneren Frieden mit mir selbst und habe das Gefühl, dass ich etwas Schönes für mich und für die Menschheit erreicht habe.