Gelebte Inklusion am Opernball

Österreichs Traditionsball
Ausgabe Nr. 8
  • Soziales
Autor:
Die Tanzhaltung haben Franziska Sares und Alexander Gabler genauso geübt wie Knicks und Verbeugung. ©Philipp Horak
In Tanztheaterproduktionen zeigen, was Menschen mit Behinderung alles können,
nicht, was sie nicht können – das ist das Ziel des Vereins „Ich bin O.K.“.
©Markus Hippmann

Mehr als 140 junge Paare werden sich in diesem Jahr am 27. Februar einen Traum erfüllen und den Wiener Opernball eröffnen. Eines davon sind Franziska Sares und Alexander Gabler, die beide mit dem Down-Syndrom leben.

Wenn am kommenden Donnerstag die ersten Takte des Donauwalzers erklingen, nehmen mehr als 250 Debütantinnen und Debütanten Tanzhaltung ein. Noch einmal tief durchgeatmet, dann geht es los und sie drehen sich im Dreivierteltakt durch den prunkvollen Saal.

Es ist einer der magischen Momente einer jeden Opernball-Eröffnung. Und einer jener Momente, auf die sich die jungen Damen und Herren in ganz besonderer Art und Weise vorbereiten. Wochenlang wird geprobt, zuerst in kleineren Gruppen, dann alle zusammen – schließlich muss die Choreographie sitzen und der Linkswalzer ohne Unsicherheit und in perfekter Tanzhaltung getanzt werden.

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Unvergessliches Erlebnis

Franziska Sares und Alexander Gabler feilen seit November an ihren Linkswalzerdrehungen. Motiviert und voller Freude sind sie bei der Sache. Ihre Leidenschaft für das Tanzen haben die beiden schon früh entdeckt – im Verein „Ich bin O.K.“, der es sich zum Ziel gesetzt hat, die Gesellschaft für die Inklusion von Menschen mit Behinderung zu sensibilisieren und Barrieren abzubauen, haben sie schon als Kinder Tanzkurse besucht. Mit der Eröffnung des Opernballs geht für sie jetzt ein großer Traum in Erfüllung. „Den Opernball zu eröffnen ist schon lange ein Traum von mir, auch weil meine Mama ihn vor lange Zeit eröffnet hat. Ich bin sehr glücklich, das mit Alexander erleben zu können“, sagt Franziska Sares. „Ich freue mich schon auf den Opernball und es ist eine Ehre, ihn eröffnen zu dürfen“, ergänzt Alexander Gabler. „Ich hätte nie gedacht, dass ich das einmal machen kann.“

Tanzen verbindet

Immer an der Seite von Franziska Sares und Alexander Gabler: Attila Zanin. Er ist der Obmann des Vereins „Ich bin O.K.“, der 1979 von seiner Mutter Katalin Zanin gegründet wurde. „Meiner Mutter war und ist ein gleichberechtigtes Miteinander aller Menschen ein echtes Anliegen“, erzählt Attila Zanin im Gespräch mit dem SONNTAG. Das Ziel des Vereins war deshalb von Anfang an, Menschen mit Behinderung in das kulturelle Leben einzubinden und durch diese künstlerische Tätigkeit gesellschaftliche Inklusion voranzutreiben. Die Sprache dieses gleichberechtigten Miteinanders sollte das Tanzen sein. Gezeigt wurde, was Menschen mit Behinderung alles können – nicht, was sie nicht können. 2009 übergab Katalin Zanin den Verein an Attila Zanin und Hana Pauknerová. Als künstlerische Leiter bauten die beiden das „Ich bin O.K.“-Tanzstudio weiter aus und gründeten 2010 die „Ich bin O.K.“-Dance-Company.  

Mittlerweile gibt es im Verein „Ich bin O.K.“ rund 20 Klassen für Hip-Hop, Musical, Ballroom Dance, Bühnentanz und Modern Dance. Seit 2010 werden auch anspruchsvolle Choreographien und abendfüllende Tanztheaterproduktionen eingeübt. „Tanzen macht etwas mit den Menschen“, sagt Attila Zanin. „Es verzaubert, öffnet Welten, schafft Verständnis füreinander und knüpft Verbindung auch da, wo das unmöglich erschien.“

Ein Teil des großen Ganzen

Vieles hat der Verein im Laufe seines Bestehens erreicht. Nicht zuletzt wegen unzähliger und viel beachteter öffentlicher Auftritte etwa im Weißen Haus oder bei den Special Olympics.

2001 begann die Zusammenarbeit des Vereins mit der Staatsoper Wien. Renato Zanella, damals Staatsopernballett-Direktor, hatte die Idee, die Tänzerinnen und Tänzer des Vereins in Kooperation mit dem Staatsopernballett den Opernball eröffnen zu lassen. „Er rief meine Mutter an und fragte, ob sie daran Interesse hätte“, erzählt Attila Zanin. Sie hatte – und die Tänzerinnen und Tänzer des Vereins „Ich bin O.K.“ legten einen fulminanten, wunderschönen Auftritt hin. Seit 2018 war immer wieder ein Mitglied von „Ich bin O.K.“ Teil des Jungdamen- und Jungherrenkomitees. „Ich denke, gerade solche Momente zeigen, wie gleichberechtigte Teilhabe, wie Inklusion aussehen kann“, sagt Attila Zanin. „Unsere Tänzerinnen und Tänzer sind da mittendrin, sind Teil des Ganzen. Sie machen mit, gehören zum Team.“

Wenn man Attila Zanin zuhört, wird schnell klar: Der Verein „Ich bin O.K.“ ist nicht nur ein gut funktionierendes Inklusionsprojekt. Er ist eine echte Herzensangelegenheit. „Wenn ich zu einer Tanzstunde komme, den Tanzsaal betrete, dann ist das immer ein Moment voller Glück“, sagt er. „Da schlägt mir jedes Mal so viel Freude meiner Tänzerinnen und Tänzer entgegen!“ Aber nicht nur diese Freude macht Attila Zanin die Arbeit bei „Ich bin O.K.“ leicht. „Unser Verein ist wirklich einzigartig. Auch, dass wir mit unseren Tänzerinnen und Tänzern so eng und lange verbunden sind, macht unseren Verein zu etwas Besonderem.“ Die meisten kennt Attila Zanin seit vielen, vielen Jahren, oft fast ihr ganzes Leben lang – auch Franziska Sares und Alexander Gabler gehören da dazu. Dass er sie jetzt bei den Vorbereitungen zum und dann auch beim Opernball selbst begleiten darf, freut Attila Zanin deshalb vielleicht sogar noch ein bisschen mehr. „Die beiden machen das super“, sagt er. „Rechtswalzer tanzen konnten sie ja schon, aber den Linkswalzer mussten wir dann schon extra trainieren und üben. Nichts, was uns überrascht hat – dass der Linkswalzer nicht leicht ist, weiß jeder, der ihn schon einmal versucht hat.“ Aber jetzt, kurz vor dem 27. Februar, sind Franziska Sares und Alexander Gabler bereit. „Der Linkswalzer sitzt genauso wie die Choreographie der ganzen Eröffnung “, sagt Attila Zanin. „Und langsam steigt dann auch die Nervosität. Aber die Vorfreude überwiegt natürlich.“

Wo er sein wird am 27. Februar, frage ich ihn noch zum Abschluss: „Direkt vor Ort natürlich. Ich bin da und unterstütze Franziska und Alexander nach Kräften vor der Eröffnung. Im Ballsaal sind sie dann aber natürlich ohne mich. Und das ist kein Problem. Sie werden zeigen, was sie können.“

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Autor:
  • Portraitfoto von Andrea Harringer
    Andrea Harringer
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