Geheimnis des Glaubens – im Tod ist das Leben
Fastenserie mit Äbtissin Hildegard Brem - Teil 6Zu allen Zeiten hat das Beispiel Jesu Menschen inspiriert, sich für Frieden und Versöhnung einzusetzen. Was können wir von ihm lernen, wenn wir ihn auf seinem Weg in Leiden und Tod begleiten?
Wir nähern uns dem Höhepunkt der Fastenzeit und stehen knapp vor der Feier der österlichen Geheimnisse von Leiden, Tod und Auferstehung Jesu. Was ist naheliegender, als nun noch bewusster auf ihn zu schauen?
Schon im Alten Testament wurde der Messias vom Propheten Jesaja als der Friedensfürst angekündigt, und der Prophet Micha tröstete schon im
8. Jahrhundert vor Christus seine Hörer mit den Worten: „Er wird auftreten und sie weiden in der Kraft des HERRN und in der Hoheit des Namens des HERRN, seines Gottes. Und sie werden sicher wohnen … Und er wird der Friede sein.“ (Mi 5,3–4)
Welchen Frieden bringt uns Jesus?
Hat Jesus tatsächlich der Welt den ersehnten Frieden gebracht, den die Engel bei seiner Geburt verkündet haben? Oder haben seine Anhänger nicht eher in verschiedensten Religionskriegen Gewalt, Hass und Tod noch gewaltig vermehrt?
Jesus selbst scheint sein Leben nicht idyllisch zu sehen, denn er ruft seinen Jüngern zu: „Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen! Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert … und die Hausgenossen eines Menschen werden seine Feinde sein.“ (Mt 10,34–36)
Leider hat sich dieses Wort Jesu im Lauf der Geschichte unzählige Male bewahrheitet, sowohl im Leben einzelner Menschen als auch in der Geschichte der Kirche. Ganz offensichtlich hat der Friede, den sich Jesus auf seine Fahnen geschrieben hat, nichts mit „Frieden, Freude und Eierkuchen“ zu tun. Es ist ein Friede, der einem nicht kampflos in den Schoß fällt, sondern immer wieder neu errungen werden muss, und zwar auf eine Art und Weise, die für Jesus typisch ist, von uns aber unter Schmerzen gelernt werden muss.
Podcast mit Äbtissin Hildegard Brem
"Wer sehnt sich nicht nach Frieden?", fragt Äbtissin Hildegard Brem bei der Faschingsjause. Sie meint, dass das Thema weltpolitisch ist, denn Friede ist ein Sehnsuchtsziel. Ihre These zum persönlichen Friedensweg: "Haben wir nichts gelernt aus der Geschichte? Wer selber im Unfrieden lebt, kann keinen Frieden weiter geben."
Die Podcast-Reihe "SONNTAGs-Jause" erscheint jeden Sonntag auf den gängigen Podcast-Plattformen wie
Grundhaltungen Jesu
Ich lasse einige Szenen aus dem Evangelium vor meinem geistigen Auge vorüberziehen:
- In der Bergpredigt lädt Jesus dazu ein, auf die gewaltsame Durchsetzung der eigenen Wünsche zu verzichten: Wenn dich einer auf die rechte Backe schlägt, halte ihm auch die andere hin … und wenn er dich zwingt, eine Meile mit dir zu gehen, dann gehe zwei … (Mt 5,39–41).
- Er möchte, dass wir nicht nur auf Gewalt verzichten, sondern sogar unsere Feinde lieben (Mt 5,44), ja so lieben, wie er uns geliebt hat (Joh 13,34).
- Die Heilige Schrift zeigt Jesus zu den Füßen seiner Jünger, die er wäscht (Joh 13,1–15), und er weist dem, der der Erste sein will, den letzten Platz und die Haltung des Dienens zu (Mk 9,35).
- Jesus sagt, dass er gekommen ist, um sein Leben für uns hinzugeben, und er steht zu seinem Wort: Unmittelbar vor seinem Leiden hätte er vom Ölberg aus leicht in die Wüste fliehen können. Keiner hätte ihn dort gefunden. Er aber zieht es vor, seinen Verfolgern entgegenzugehen und sich von ihnen ans Kreuz führen zu lassen.
- Jesus hätte vor Pilatus um sein Leben kämpfen können und vermutlich gewonnen. Er aber verzichtete darauf und schwieg. Ja, es stimmt, was das Johannesevangelium schreibt: Keiner nimmt mir das Leben, ich gebe es freiwillig hin. (Joh 10,18)
- Er selbst deutet sein Leiden und Sterben durch einen tiefsinnigen Vergleich: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein, wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht. (Joh 12,24)
- Inmitten von Schmerz, Todesnot und Verlassenheit denkt Jesus nicht an Rache und Vergeltung, er verzweifelt auch nicht, sondern das Evangelium legt ihm Worte der Vergebung für seine Feinde und Worte des Vertrauens auf den Vater in den Mund.
- Er macht nach Lukas einem sterbenden Verbrecher Mut, dass er noch am selben Tag mit ihm im Paradies sein wird (Lk 23,43). Seine Liebe schenkt also trotz aller furchtbaren Erfahrungen die Vergebung der Sünden und ist eine ausgestreckte Hand zu Versöhnung und Frieden.
Ja, Jesus hat Verrat, Untreue, Hass und Gewalt erfahren. Er hat sie selbst durchlitten und doch nicht aufgehört zu lieben, zu vertrauen und den Menschen den Weg zum Vater zu weisen.
Samenkörner der Hoffnung
Wenn auch die große Versöhnung beim Sterben Jesu nicht sichtbar wird, so zeigen sich nach seinem Tod doch kleine Pflänzchen der Hoffnung! Der Hauptmann unter dem Kreuz, Josef von Arimathäa und Nikodemus erweisen sich plötzlich beim Begräbnis Jesu als mutig und treu. Sie stehen stellvertretend für viele, die sich vom Beispiel Jesu ermutigen und verwandeln lassen. Hier auf Erden ist ihm nicht der große Durchbruch gelungen, aber er weist auf die Kraft Gottes hin, die Leben aus dem Tod und Frieden aus Hass und Streit hervorbringen kann und tatsächlich immer wieder hervorbringt. Wir bezeugen das in einem Lied aus dem Gotteslob, das in der Passionszeit öfters gesungen wird: „Das Weizenkorn muss sterben, sonst bleibt es ja allein, der eine lebt vom anderen, für sich kann keiner sein. Geheimnis des Glaubens: Im Tod ist das Leben!“
Zum Weiterdenken: Fragen und Anregungen
- Welche der genannten Szenen aus dem Leben Jesu berührt mich besonders?
- Wo könnte ich in den kleinen Herausforderungen des täglichen Lebens Jesus auf seinem Friedensweg nachfolgen?