Geheime Schätze in Notre-Dame

Wiedereröffnung am 7. und 8. Dezember
Ausgabe Nr. 48
  • Kunst und Kultur
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Notre-Dame öffnet erneut ihre Türen.
Notre-Dame öffnet erneut ihre Türen. ©ZED, Daniel Pieroni/Flickr
Das strahlende Herz von Notre-Dame: Das große Rosettenfenster, ein Meisterwerk gotischer Glaskunst aus dem 13. Jahrhundert, überstand den verheerenden Brand von 2019 unbeschadet.
Das strahlende Herz von Notre-Dame: Das große Rosettenfenster, ein Meisterwerk gotischer Glaskunst aus dem 13. Jahrhundert, überstand den verheerenden Brand von 2019 unbeschadet. ©ARTE France
Während des Wiederaufbaus von Notre Dame kamen Entdeckungen ans Licht, die einer Sensation gleichen: Bei Grabungen im Boden wurden Teile und Skulpturen des gotischen Lettners, der kunstvollen Trennwand zwischen Chor und Langhaus, geborgen.
Während des Wiederaufbaus von Notre Dame kamen Entdeckungen ans Licht, die einer Sensation gleichen: Bei Grabungen im Boden wurden Teile und Skulpturen des gotischen Lettners, der kunstvollen Trennwand zwischen Chor und Langhaus, geborgen. ©ARTE France
Notre Dame öffnet ab 7. und 8. Dezember wieder ihre Türen.
Notre Dame öffnet ab 7. und 8. Dezember wieder ihre Türen. ©istock

Fünfeinhalb Jahre nach dem verheerenden Brand öffnet die Kathedrale Notre-Dame de Paris am 7. und 8. Dezember 2024 erneut ihre Türen. Die Restaurierung bringt ihre außergewöhnliche Pracht zurück und enthüllt neue Geheimnisse der mittelalterlichen Baukunst.

Am 7. und 8. Dezember 2024 wird eines der bedeutendsten Wahrzeichen Frankreichs und der Welt in neuem Glanz wiedereröffnet: die Kathedrale Notre-Dame de Paris. Fünfeinhalb Jahre nach dem verheerenden Brand, der am 15. April 2019 weltweit für Entsetzen sorgte, steht das architektonische Meisterwerk erneut bereit, Besucher und Gläubige aus aller Welt zu empfangen. Die Freude und das Staunen sind groß – über die Wiederherstellung des einzigartigen Bauwerks und die Geheimnisse, die während des Wiederaufbaus zutage traten.

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Notre-Dame: Ein Gesamtkunstwerk für alle Sinne

Errichtet im 12. und 13. Jahrhundert auf der Seine-Insel Île de la Cité im Herzen von Paris, markierte die Kathedrale Notre-Dame den Beginn einer neuen Epoche der gotischen Architektur. Mit ihrer enormen Höhe, den kunstvollen Steinmetzarbeiten und dem außergewöhnlichen Zusammenspiel von Licht und Akustik sprach sie alle Sinne an und zog Generationen in den Bann. Der Großbrand von 2019 zerstörte weite Teile des Dachstuhls, der aus über 1.000 Eichen bestand und von den mittelalterlichen Baumeistern liebevoll „Forêt“ – Wald – genannt wurde. Der berühmte Vierungsturm und Teile des Gewölbes stürzten ein. Doch was wie ein unwiederbringlicher Verlust erschien, entwickelte sich zu einer beispiellosen Zusammenarbeit von Architekten, Wissenschaftlern und Handwerkern, die das Ziel hatten, Notre-Dame nicht nur zu retten, sondern so originalgetreu wie möglich wieder aufzubauen.
 

Was die Notre-Dame Restaurierung alles enthüllte

Während der Restaurierungsarbeiten offenbarte die Kathedrale einige ihrer Geheimnisse. Vor allem im Boden entdeckte das archäologische Team Fragmente, die es in Staunen versetzten: Skulpturen von Blumen, Blättern und Gesichtern. Wie sich herausstellte, handelte es sich um Teile des gotischen Lettners – jener Trennwand, die im 13. Jahrhundert Chor und Langhaus trennte und die Passion Christi darstellte. Ebenso wurden eine Reihe bisher unbekannter Gräber entdeckt und wissenschaftlich untersucht. Die Restaurierung von Notre-Dame brachte auch ein besseres Verständnis der mittelalterlichen Baukunst mit sich. Das Gewölbe, das die Statik der Kathedrale stabilisierte, musste Stein für Stein analysiert und rekonstruiert werden. Die Architekten entwickelten dafür eigens eine 3D-Software, die es ermöglichte, die komplexen Strukturen der Kathedrale zu entschlüsseln. Dabei stießen sie auf ein bisher nicht bekanntes Metallskelett, das in den Mauern und am Dachstuhl verbaut war. Diese Entdeckung warf Fragen auf: Wurde das Metall bereits im Mittelalter als innovatives Element integriert, oder diente es später zur Behebung statischer Probleme? Die Auseinandersetzung mit diesen Fragen bereichert das Wissen über die Baugeschichte und hilft, die Stabilität des Gebäudes für die kommenden Jahrhunderte zu sichern.
 

Notre-Dame: Worauf bei der Restaurierung geachtet wurde

Neben der Struktur galt die Aufmerksamkeit der Restauratoren auch der inneren Schönheit von Notre-Dame. Über 1.000 Quadratmeter Glasfenster mussten von Ruß und Bleistaub befreit werden, der sich nach dem Brand abgesetzt hatte. Glücklicherweise blieben die historischen Fenster unbeschädigt, und die Reinigung brachte ihre leuchtenden Farben wieder zum Vorschein. Ein weiteres Highlight ist die Orgel von Notre-Dame, die als eine der kostbarsten der Welt gilt. Auch sie wurde restauriert, um ihre ursprüngliche Klangfülle zurückzugewinnen. Doch nicht nur Klang und Licht spielen in der Kathedrale eine bedeutende Rolle: Untersuchungen zeigten, dass Notre-Dame einst vollständig bemalt war. Reste der originalen Farbgebung wurden freigelegt und erzählen von der Pracht vergangener Jahrhunderte. Notre-Dame hat mehr als acht Jahrhunderte überstanden – Kriege, Revolutionen und nun auch einen verheerenden Brand. Was machte dieses Bauwerk so widerstandsfähig? Die Restaurierungsarbeiten führten zu neuen Erkenntnissen über die Bauweise der mittelalterlichen Architekten. Ihr Wissen um die Statik und die Nutzung von Materialien war beeindruckend, ihre exakt aufeinander abgestimmten Techniken sind bis heute ein Vorbild.

Die Wiedereröffnung von Notre-Dame

Die Wiedereröffnung von Notre-Dame ist eine architektonische und restauratorische Meisterleistung, an der 2.000 Personen mitgearbeitet haben. Sie ist ein Zeichen dafür, dass menschliche Kreativität und Hingabe in der Lage sind, selbst größte Katastrophen zu überwinden. „Sie erleben die Kathedrale, wie Sie sie noch nie zuvor gesehen haben“, sagte Erzbischof Laurent Ulrich bei einem Rundgang mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Die „Wiederauf- erstehung“ der Kathedrale ist ein emotionaler Moment für Millionen von Menschen weltweit. Sie erinnert daran, dass dieses Bauwerk ein Ort des Glaubens und der Kunst ist sowie ein über Jahrhunderte währendes Zeugnis menschlicher Schaffenskraft und Beständigkeit. Wenn Notre-Dame am 7. und 8. Dezember 2024 ihre Türen öffnet, wird sie erneut Menschen aus aller Welt willkommen heißen – als ein Ort des Staunens, des Glaubens und der Freude. 

„Sie erleben die Kathedrale, wie Sie sie noch nie zuvor gesehen haben.“

Erzbischof Laurent Ulrich

Autor:
  • Portraitfoto von Agathe Lauber-Gansterer
    Agathe Lauber-Gansterer
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