„Für die Hoffnung muss man arbeiten“

Heiliges Land
Ausgabe Nr. 15
  • Chronik
Autor:
Die Kinder und Jugendlichen stürmen auf Schwester Klara Berchtold, den guten Geist der „Salvatorian Sisters’ School“, zu, um sich mit ihr fotografieren zu lassen.
Die Kinder und Jugendlichen stürmen auf Schwester Klara Berchtold, den guten Geist der „Salvatorian Sisters’ School“, zu, um sich mit ihr fotografieren zu lassen. ©Georg Pulling
Ort der Hoffnung:  Das „Hogar Niños Dios“ (Heim der Kinder Gottes) in Jerusalem  wurde von den argentinischen „Schwestern des menschgewordenen Wortes“ eingerichtet.  34 schwerstbehinderte Kinder leben hier.
Ort der Hoffnung: Das „Hogar Niños Dios“ (Heim der Kinder Gottes) in Jerusalem
wurde von den argentinischen „Schwestern des menschgewordenen Wortes“ eingerichtet.
34 schwerstbehinderte Kinder leben hier.
©Georg Pulling

Zu Ostern richtet sich der Blick der Welt wieder auf Jerusalem beziehungsweise das Heilige Land. Die Nachrichten von Krieg, Tod und Elend nehmen kein Ende. Gerade deshalb hat sich eine kleine Delegation des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) auf die Suche nach Menschen und Initiativen vor Ort gemacht, die sich allen Schwierigkeiten zum Trotz im Heiligen Land um Frieden und Versöhnung bemühen.

Zur Delegation gehörten der armenische Bischof Tiran Petrosyan, der Linzer Bischof Manfred Scheuer, der reformierte Landessuperintendent Thomas Hennefeld und der orthodoxe Bischofsvikar Nicolae Dura. Wenn das israelische Bildungsministerium 2024 ausgerechnet eine katholische Privatschule – die „Salvatorian Sisters’ School“ – zur besten Schule Israels gekürt hat, dann ist das ein guter Grund, diese Schule zu besichtigen. Die Schule in Nazaret wird von mehr als 1.400 Schülerinnen und Schülern besucht. Die meisten sind Christen verschiedener Konfessionen, es gibt aber auch Muslime. 
 

Werbung

Hoffnung im Heiligen Land

Der Orden der Salvatorianerinnen ist seit Ende der 1950er-Jahre im Heiligen Land aktiv, 1960 wurde mit dem Bau der Schule in Nazaret begonnen. Schwester Klara Berchtold ist von Anfang an mit dabei. Derzeit leben fünf Schwestern in Nazaret. Schwester Klara hat längst die Leitung des Konvents weitergegeben an Schwester Mirjam, aber sie ist nach wie vor der gute Geist der Schule. Als die ÖRKÖ-Delegation in der Pause durch den Schulhof geht, stürmen die Kinder auf Schwester Klara zu, jede und jeder will sich mit ihr fotografieren lassen. Die Kinder und Jugendlichen spüren, dass da jemand ist, der sich um sie sorgt, der ihnen die bestmöglichen Zukunftsperspektiven eröffnen möchte.
 

„Eine Minderheit verteidigt sich durch Bildung. Das ist unsere Versicherung für die Zukunft“.

Direktor Awni Bathish

Auch Direktor Awni Bathish setzt sich unermüdlich für seine Schützlinge ein. Zugleich warnt er im Gespräch mit der ÖRKÖ-Delegation vor dem dramatischen Rückgang der christlichen Präsenz im Heiligen Land. In Nazaret leben noch rund 19.800 Christen, berichtet der Direktor. Doch es würden immer weniger. Das habe nicht nur mit der wirtschaftlichen und politischen Situation zu tun, sondern im Fall der nordisraelischen Stadt auch mit der arabischen Mafia. Fast täglich gibt es Morde, die arabischen Geschäftsinhaber müssten Schutzgeld bezahlen. Die Mafia hat sich die Stadt unter den Nagel gerissen. Die israelischen Behörden schreiten kaum dagegen ein. Allein seit September 2024 haben zwölf christliche Familien wegen der Kriminalität Nazaret Richtung Westen verlassen. Die Schule blieb bisher von der Mafia verschont. Ausgezeichnet wurde die „Salvatorian Sisters’ School“ laut Direktor Bathish aber nicht nur wegen der guten fachlichen Ausbildung, sondern vor allem auch wegen der christlichen Werte, die im Schulalltag gelebt werden. Im Schulzentrum gibt es besondere Angebote für Schüler mit spezifischen Bedürfnissen wie Lernstörungen, Lernbehinderungen oder Autismus. Wohin geht die Reise für die Christen? – „Eine Minderheit verteidigt sich durch Bildung“, sagt der Direktor: „Das ist unsere Versicherung für die Zukunft.“ Und deshalb wird er sich auch weiterhin mit allen Kräften für seine Schule sowie für die Schülerinnen und Schüler einsetzen.
 

Hoffnung in Beit Emmaus

Im kleinen palästinensischen Ort Emmaus-Qubeibeh liegt eine weitere ganz besondere Einrichtung: „Beit Emmaus“ – ein Pflegeheim für alte und behinderte Frauen. Seit 1973 betreibt der Orden der Salvatorianerinnen das Heim im Westjordanland. 40 Plätze hat das Haus, das aus allen Nähten platzt, wie Schwester Dominika Zelent berichtet, die die Einrichtung leitet.
14 christliche und 26 muslimische Frauen werden derzeit liebevoll gepflegt und betreut. Fünf Ordensschwestern, 21 Angestellte und sechs Volontärinnen sind dafür zuständig. Schwester Dominika: „Wir sind immer voll, wir könnten noch viel mehr Frauen aufnehmen, aber dazu fehlt uns der Platz.“


Das Heim liegt im Westjordanland in einem zu fast 100 Prozent muslimischen Umfeld. „Ich habe bis jetzt nicht ein einziges Mal ein feindliches Verhalten mir gegenüber wahrgenommen“, erzählt die Ordensfrau. Die politische und wirtschaftliche Lage ist hingegen alles andere als rosig. Qubeibeh ist von israelischen Begrenzungsanlagen umgeben. Für die Fahrt ins rund zwölf Kilometer entfernte Jerusalem kann man schon drei Stunden brauchen. Die meisten Palästinenser im Dorf dürften aber überhaupt nicht mehr nach Jerusalem. Arbeitslosigkeit und Armut sind deshalb stark im Steigen, berichtet Schwester Dominika: „Die ersten Familien hungern bereits. Wer immer kann, wandert aus.“ Dass sich die Schwestern aus Qubeibeh verabschieden könnten, sei nie Thema gewesen, betont Schwester Dominika: „Die Menschen in der Region wollen uns auch gar nicht weglassen.“ Während des Krieges hätten die Schwestern versucht, ruhig zu bleiben, ihrer Arbeit nachzugehen und „zu beten und zu hoffen“.
 

Christen werden immer weniger

In Betlehem besucht die ÖRKÖ-Delegation die evangelische Talitha Kumi Schule in Betlehem. Von den 800 Kindern und Jugendlichen sind 80 Prozent Muslime, 20 Prozent Christen. Vor 25 Jahren sei das Verhältnis noch genau umgekehrt gewesen, berichtet Direktor Birger Reese. Die Christen in Betlehem und Umgebung werden immer weniger. Bei einem Gespräch der Delegation mit Lehrerinnen sowie Schülerinnen und Schülern wird deutlich, dass durch den Krieg immer mehr Menschen in der Region Betlehem in tiefste Armut abgleiten. Der Tourismus und das Pilgerwesen sind komplett eingebrochen. Es gibt keine Arbeit mehr. Ein Zeichen der Zuversicht: Die Schülerinnen und Schüler von Talitha Kumi organisieren gerade einen Benefizlauf für die zivilen Kriegsopfer in Gaza.
 

Im Heim der Kinder Gottes

Ein weiterer Ort der Hoffnung in Betlehem befindet sich unweit der Geburtskirche: das „Hogar Niños  Dios“ (Heim der Kinder Gottes). Hier haben die argentinischen „Schwestern des menschgewordenen Wortes“ ein Heim für schwerstbehinderte Kinder eingerichtet. 34 Kinder leben hier und werden von den argentinischen Schwestern und insgesamt 15 Mitarbeitenden liebevoll betreut. Auch zwei Priester zählen zur Gemeinschaft vor Ort. Das jüngste Kind ist gerade erst ein Jahr alt, Alterslimit nach oben gibt es keines, wie Oberin Schwester Maria Roncesvalles berichtete. Niemand muss die Einrichtung verlassen. Es gäbe für die behinderten Menschen auch keine Alternativen. 60 Prozent der Kinder und Jugendlichen haben keine Eltern, bei den anderen gibt es in den Familien keine Möglichkeiten, die Kinder zu pflegen und zu betreuen. Zur Ordensgemeinschaft gehört übrigens auch Pater Gabriel Romanelli, der in Gaza als Pfarrer lebt und wirkt.

Hoffnung: Jüdische Versöhnungsinitiative

In der Dormitio-Abtei in Jerusalem lädt Abt Nikodemus Schnabel zu einer Begegnung mit Mitgliedern der Organisation „Tag Meir“. Diese haben es sich zur Aufgabe gemacht, aus ihrem jüdischen Glauben heraus alle Formen von Rassismus, Hetze und Hassverbrechen in der israelischen und palästinensischen Gesellschaft zu bekämpfen. Die Freiwilligen von „Tag Meir“ besuchen Palästinenser, die Opfer von Israelis wurden und Israelis, die Opfer von Palästinensern wurden. Tief bewegt die österreichische Delegation das Zeugnis einer jüdischen Mutter, die am 7. Oktober 2023 beim Terrorangriff der Hamas ihren Sohn verlor. Trotzdem will sie sich für Respekt und Versöhnung einsetzen. Sie erzählt, dass am 7. Oktober auch viele Palästinenser mitgeholfen hätten, Israelis vor der Hamas zu retten. 
Die Mutter berichtet auch vom Fall einer palästinensischen Familie, deren Auto von israelischen Siedlern angegriffen wurde. Die Mutter kam dabei ums Leben. Der Vater blieb mit neun Kindern zurück. „Zwei Wochen nach dem Attentat haben wir ihn besucht. Er hat uns die Tür geöffnet und uns willkommen geheißen. Er ging nicht zu den palästinensischen Extremisten, um Israel zu bekämpfen, sondern er wählte der Weg zu ‚Tag Meir‘ und wurde unser Freund.“ 

Die meisten Menschen auf beiden Seiten wollen einfach in Frieden leben, zeigt sich der Leiter von „Tag Meir“, Gadi Gvaryahu, überzeugt. Und er fügt hinzu: „Für die Hoffnung muss man arbeiten und sich einsetzen. Die fällt nicht einfach vom Himmel.“

Autor:
  • Georg Pulling
Werbung

Neueste Beiträge

| Heiligenschein
Geduldiger Stigmatiker

Wöchentliche Heilige, vorgestellt von Bernadette Spitzer.

| Spiritualität
Österliche Gedanken - Teil 3

Exklusiv auf dersonntag.at bringen wir eine Serie von "Österliche Gedanken von Stanislaus Klemm". In Teil 3 der Serie geht es um die Hoffnung.

| Sonntagsjause
SONNTAGs-Jause

Schwester Christine Felder darf als Köchin des Papstes bezeichnet werden, denn die gebürtige Vorarlbergerin hat alljährlich die von ihm geliebte Geburtstagstorte für Benedikt XVI. gebacken: eine Nusstorte mir Zitronenglasur.