Friedensstifter leben gefährlich
Fastenserie mit Äbtissin Hildegard Brem - Teil 5Wir leben in einem demokratischen Staat und sind deswegen dazu aufgefordert, im politischen Bereich Verantwortung zu übernehmen. Auch wenn wir nicht alle Entscheidungen zu verantworten haben, so können wir doch durch unsere Stimme Einfluss nehmen, in welche Richtung sich unsere Gesellschaft entwickelt. Welche Grundsätze sind dabei zu berücksichtigen?
Roger Schutz, der Prior von Taizé, wurde von einer Frau in der Kirche erstochen!“ Ich kann mich heute noch daran erinnern, als wäre es gestern gewesen. Wie sehr hat mich diese traurige Nachricht berührt, die mir zu morgendlicher Stunde in der Klosterkirche von einer Mitschwester zugeflüstert wurde. Wieso sollte ein solcher Mann, der sich sein ganzes Leben für die Versöhnung zwischen den Konfessionen und in der Welt eingesetzt hatte, ein so schreckliches und gewaltsames Ende finden? Es war einfach unfassbar! Dabei steht er gar nicht alleine da. Wenn man ein wenig nachdenkt, fallen einem noch andere Friedensstifter ein, die dasselbe Schicksal erlitten haben: Mahatma Gandhi, Martin Luther King, um nur zwei weitere zu nennen.
Nichts anderes ersehnen viele Menschen so sehr wie einen tragfähigen Frieden!
Ja, Friedenstiften ist eine schwierige und undankbare Aufgabe, ganz gleich, ob es sich um den privaten Lebensbereich oder die große Weltpolitik handelt! Dabei hätte unsere Welt nichts anderes so sehr nötig wie einen tragfähigen Frieden! Nichts anderes ersehnen viele Menschen so sehr und doch scheint es aussichtslos und ausweglos, für die aktuellen Konflikte eine gute Lösung zu finden. Es gibt Friedensgespräche und Friedensbemühungen auf allen Ebenen, sie kosten viel Zeit und Geld und führen doch meist zu keinem langfristigen Ergebnis. Warum ist das so?
Aboaktion zur Fastenserie "Frieden suchen"
Die Zisterzienserin Hildegard Brem, geboren 1951 in Wien, ist Äbtissin der Abtei Mariastern-Gwiggen in Hohenweiler in Vorarlberg und begleitet mit ihren Beiträgen zum Thema „Frieden“ durch die Fastenzeit.
Der SONNTAG bietet zur Serie mit Äbtissin Hildegard Brem ein spezielles Abo: 8 Wochen für 8 Euro.
Viele Schritte zum Frieden
Echter Friede ist eben nicht nur das Ergebnis von diplomatischen Vereinbarungen. Diese können höchstens die verschiedenen Interessen zusammenführen und einen Kompromiss suchen, um einer gerechten Ordnung ein wenig näherzukommen. Das wäre bereits viel, denn schon der Kirchenvater Augustinus wusste, dass der Friede ein Weg der Gerechtigkeit ist. Für einen dauerhaften Frieden fehlt dann aber noch das Werk der Versöhnung und der Vergebung. Liebe und Vertrauen müssen mühsam aufgebaut und gefestigt werden, und das bei ganzen Völkern und Gruppen. Das aber ist ein langer Weg, der beharrlich in einem aufmerksamen Dialog gesucht und sicher auch im Gebet von Gott erfleht werden muss. Vielen Politikern ist das zu unsicher und unbequem. Darum setzen sie lieber auf Gewalt. So kann man oft leichter Tatsachen schaffen und Exempel statuieren, doch sie tragen den Keim des Untergangs schon in sich, denn Gewalt fordert Gegengewalt heraus.
Gerechte Lösung
Unser Kloster ist seit einigen Jahren Mitglied des Internationalen Versöhnungsbundes, der nach dem Zweiten Weltkrieg vom Ehepaar Jean und Hildegard Goss-Mayr, einem Franzosen und einer Österreicherin, gegründet wurde. Er setzt sich seither zumeist unbemerkt für Verständnis, Schlichtung und Ausgleich zwischen verfeindeten Gruppen und Völkern ein. So gab es beispielsweise vorbereitende Aktionen für die Rosenkranzrevolution auf den Philippinen und für den Sturz des Kommunismus in Osteuropa. Auch gegenwärtig bemüht er sich um Vorschläge für eine gewaltfreie und gerechte Lösung der brennenden Konflikte. Ich verfolge seine Tätigkeit mit großer Aufmerksamkeit. Es hat mich sehr beeindruckt, dass durch vergleichende Studien festgestellt werden konnte, dass gewaltfreie Lösungen fast immer erfolgreicher und dauerhafter sind als kriegerische Aktionen, nur sind sie natürlich auch viel anspruchsvoller. Dadurch wurde ich auch in der Überzeugung bestärkt, dass gewaltloser Widerstand keineswegs Fatalismus oder Untätigkeit bedeutet, im Gegenteil!
Gewaltfreier Widerstand
Er setzt Haltungen voraus, auf die wir in den bisherigen Überlegungen in anderem Zusammenhang schon gestoßen sind:
- Achtung vor den politischen Gegnerinnen und Gegnern und das Zutrauen, dass auch sie gegen allen Anschein für einen Weg des Friedens gewonnen werden könnten.
- Die Bereitschaft zu aufrichtigen Gesprächen auf allen Ebenen, bei denen man einander wirklich zuhört und den Standpunkt des anderen zu verstehen sucht.
- Mut zur Wahrheit in der öffentlichen Diskussion, auch wenn man sich damit Feinde macht oder vielleicht sogar sein Leben riskiert.
- Einsatz von gewaltfreien Mitteln wie Protesten, Diskussionen, Demonstrationen und Ähnlichem, z. B. das gemeinsame öffentliche Rosenkranzgebet von Hunderttausenden auf den Philippinen
Es ist klar, dass ein solcher Einsatz nichts für Feiglinge und Schwächlinge ist, sondern viel Mut, Umsicht, Feingefühl und Risikobereitschaft voraussetzt. Hätte ich den Weitblick, die Objektivität und die Großmütigkeit des Herzens, um in meinem Einflussbereich in diesem Sinn friedensstiftend wirken zu können?
Zum Weiterdenken: Fragen und Anregungen
- Habe ich schon einmal erlebt, dass eine Konfliktlösung zu wirklichem Frieden und zu dauerhafter Versöhnung geführt hat?
- Was war dafür ausschlaggebend? Welche Schritte waren notwendig?
- Für welche der oben genannten Haltungen, die man für politische Friedensarbeit braucht, habe ich eine natürliche Begabung?
- Welche Erfahrungen habe ich damit gemacht? Was könnte ich noch verbessern?
Podcast mit Äbtissin Hildegard Brem
"Wer sehnt sich nicht nach Frieden?", fragt Äbtissin Hildegard Brem bei der Faschingsjause. Sie meint, dass das Thema weltpolitisch ist, denn Friede ist ein Sehnsuchtsziel. Ihre These zum persönlichen Friedensweg: "Haben wir nichts gelernt aus der Geschichte? Wer selber im Unfrieden lebt, kann keinen Frieden weiter geben."
Die Podcast-Reihe "SONNTAGs-Jause" erscheint jeden Sonntag auf den gängigen Podcast-Plattformen wie