Freut euch zu jeder Zeit!

Ein Licht für den Weg - 3. Adventsonntag
Ausgabe Nr. 50
  • Spiritualität
Autor:
Lichterschein in Kirche
Der Lichterschein ist manches Mal als Wegweiser auch draußen zu sehen. ©Erzdiözese Wien/Stephan Schönlaub

Publizist Hubert Gaisbauer schreibt Gedanken zum Advent. Inspiriert wird er dabei durch Worte und Taten von Papst Franziskus.

Der Advent ist eine Zeit des Geschichtenerzählens. „Der Mensch ist ein Erzähler“, sagt Franziskus einmal in einer Medien-Botschaft. „Seit unserer Kindheit hungern wir nach Geschichten, so wie wir nach Nahrung hungern. 

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Ob es nun Märchen, Romane, Filme oder Lieder sind – Geschichten beeinflussen unser Leben, auch wenn wir uns dessen nicht bewusst sind.“ Menschen würden oft – beeindruckt von Erzählungen – Entscheidungen treffen. „Geschichten können uns dabei helfen, zu verstehen und zu sagen, wer wir sind.“ Es braucht Weisheit, um „schöne, wahre und gute Geschichten“ zu erzählen oder zu erfinden, so der Papst. Es gilt, jene Geschichten wiederzuentdecken, die uns helfen, inmitten der Zerrissenheit unserer Zeit nicht den Faden zu verlieren; Geschichten, die die Wahrheit unseres Seins wieder ans Licht bringen.

Eine schöne Geschichte um Papst Franziskus hat sich tatsächlich so zugetragen: Am Rand einer der ersten Mittwochaudienzen des neuen Papstes ergreift eine ältere Frau mit grauer Wollmütze inmitten der Menge die Hand von Papst Franziskus. Es ist Patti Smith, die weltbekannte amerikanische Punk- und Rocksängerin. Wie sich Papst und Sängerin über diese Begegnung freuen,  ist  auf dem Foto spürbar. Für die raue Rocklady ist es ja wie ein Wunder, dass sich der neue Papst wirklich Franziskus nennt! Denn ein Jahr davor hatte Patti Smith – anlässlich einer Konzerttournee in Italien – die  Basilika San Francesco in Assisi besucht. Denn sie liebt diesen Heiligen, obwohl sie keine praktizierende Katholikin ist. „Wer sich mit Liebe dem heiligen Franz von Assisi nähert, erhält Liebe zurück“, sagte sie. Sie habe dann mit den Mönchen zu Mittag gegessen, da soll sie den  Brüdern gesagt haben: der nächste Papst wird sich Franziskus nennen! „Wir lachten alle aus ganzem Herzen“, erzählen die Brüder von Assisi. Doch so ist es geschehen.

„Ich bin der Überzeugung“, sagt Patti Smith,  „dass Papst Franziskus ein wichtiger geistiger und politischer Führer ist, der nicht nur Christen oder Katholiken repräsentiert, sondern die Menschheit, und vor allem die Menschlichkeit“. ... Es gibt so viele Dinge, die ihm und uns Sorgen bereiten. Das größte Problem für ihn und für mich sind der Krieg und die Umwelt.  Ich finde es wichtig und mutig, dass er diesen Namen gewählt hat. Franziskus.“ Wim Wenders, der Regisseur des Franziskus-Films „Ein Mann seines Wortes“, hat Patti Smith dann gebeten, einen Text für die Musik des Abspanns zu schreiben – und dieses Lied hat sie dann für den Film auch selber gesungen.
 

Eine Berufungsgeschichte

Am dritten Adventsonntag feiert Papst Franziskus seinen 87. Geburtstag. Er beißt manchmal sichtbar die Zähne zusammen, denn Knie und Hüfte schmerzen. Ohne Stock und Rollstuhl geht es nur schwer. Trotzdem ist er optimistisch und hat einen vollen Terminkalender und Reisepläne. „Lebensgeschichten  haben ihre besondere  Würde, die nicht unterdrückt werden soll“, so Franziskus. „Seit Gott Mensch geworden ist, ist jede menschliche Geschichte auch göttliche Geschichte.“ Und er meint, „dass wir auch Gott unsere Geschichte erzählen sollten“. 

Jorge Marios Eltern und Großeltern stammen aus Italien. Weil sie in Argentinien bessere Lebensbedingungen erwartet hatten als in Europa, waren sie nach Lateinamerika ausgewandert. Jorge ist das älteste von fünf Geschwistern. Jeden Tag verbringt er viele Stunden bei der geliebten Großmutter Rosa Margherita. Mit seiner nonna, wie man in Italien zu einer Großmutter sagt,  lernt er  die ersten Gebete. Sie erzählt ihm von Gott und den Heiligen. „Sie war eine Quelle für das Leben“, sagt er heute. Die Eltern waren fleißig und streng.  Schon als Mittelschüler musste Jorge in den Ferien arbeiten. Nicht weil die Familie arm war. Er sollte lernen, dass Arbeit zufrieden macht und einfach zum Leben gehört. 

Als Jorge siebzehn Jahre alt war, ereignete sich etwas Entscheidendes für sein Leben. Am 21. September frühmorgens will er mit dem Zug zu einem Studententreffen fahren. Auf dem Weg zum Bahnhof kommt er an der Kirche San José de Flores vorbei. Die Tür ist einen Spalt offen – und er spürt den Impuls,  einen Sprung hinein zu machen. Drinnen in der Kirche brennt über einem Beichtstuhl ein Licht. Ein Priester sitzt dort, sonst ist niemand in der Kirche. „Ich hatte das Gefühl, dass ich erwartet wurde“, erinnert sich Franziskus 50 Jahre später. „Also ging ich zu dem Priester – und wir redeten miteinander.“ Es war ihm, als hätte ihn Gott angesprochen. Es war der Tag des Festes des Evangelisten Matthäus, des Zöllners, zu dem Jesus gesagt hatte: Komm, folge mir nach.

Seiner Mutter war es zuerst gar nicht recht, dass er Priester werden wollte.  Sie hätte lieber gehabt, dass ihr Sohn Arzt wird. Jorge beruhigte sie, er studiere eben Medizin für die Seelen!  Später, im Jesuitenorden, hatte er dann viele verantwortliche Aufgaben übertragen bekommen. Schließlich ist er sogar Bischof, dann Erzbischof und Kardinal geworden. Aber einer, der weiterhin in einer kleinen Wohnung lebte, sich selber das Bett machte und seine Socken selber wusch. Er fuhr  mit dem Bus oder mit der U-Bahn in die villas miserias, die schmutzigen Siedlungen am Rand der Großstadt, um die Menschen in ihren notdürftig errichteten Ziegelbauten zu besuchen. So hat er immer besser die Not der armen Menschen kennen gelernt. 

Nachdem das Ergebnis der Wahl am 13. März 2013 feststand, soll dem gewählten Papst  sein Sitznachbar, der Erzbischof von São Paolo, Kardinal Claudio Hummes, ein Franziskaner, noch rasch zugeflüstert haben: „Wenn du dir jetzt einen neuen Namen wählst, dann vergiss die Armen nicht!“ Also hat er sich Franziskus genannt. Und die weiße Soutane angezogen. Papa Francesco. Die gewohnten  schwarzen Schuhe hat er aber auch als Papst  behalten.  Mit ihnen will er weiterhin zu den armen, einfachen Menschen gehen. Während der gut zehn Jahre, die Franziskus Papst ist, hat er über 40 Reisen in 60 Länder unternommen, dazu 30 Pastoralreisen innerhalb Italiens. Das Evangelium ist ein Sauerteig  und eine Stadt, die hoch auf dem Berg erstrahlt und allen Völkern Licht bringt. Was er kann, möchte er dazu tun.  Franziskus ist überzeugt, dass die Liebe letztlich das einzige Licht ist, „das eine dunkle Welt erhellen kann und uns den Mut zum Leben und zum Handeln gibt“, wie er in seiner ersten Enzyklika über die Freude am Evangelium schreibt.

Der Journalist und der Papst

Eine Geschichte aus dem Jahre 2017 erzählt Giovanni di Lorenzo, der  Chefredakteur  der Wochenzeitung DIE ZEIT. Treffpunkt zu einem Interview ist ein Besprechungsraum im Gästehaus Santa Marta, ein Stockwerk unter dem Wohnraum des Papstes.  Von Repräsentation keine Spur. Hier empfängt der Papst nahezu jeden Besuch, es gibt nicht einmal ein Glas Wasser. Der Papst spricht langsam, mit Konzentration und Vitalität. Franziskus ist sich sehr bewusst, dass er in der Endphase seines Lebens angelangt ist. Manche seiner Worte wirken wie eine Gewissenserforschung. Er spricht über seine Zweifel und Sünden,  auch darüber,  dass er Gott über weite Phasen in seinem Leben nicht spüre. Und über Unstimmigkeiten im Vatikan, „weil es Einflüsterer in seiner Umgebung gab, die das Interview verhindern wollten“. Franziskus sei ein „extrem charismatischer Mensch“, findet der Journalist. Am Schluss habe der Papst zu ihm gesagt: „Beten Sie für mich.“ Di Lorenzo hat ihm daraufhin ein Gebet des heiligen Franz von Assisi überreicht. Allerdings in deutscher Übersetzung.  Der Papst nimmt es in die Hände und liest. Bei einer Zeile hält er inne und zeigt mit dem Finger darauf: Herr, lass mich trachten, nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe. „Das berührt mich. Das ist mir wichtig. Darf ich das mitnehmen?“ Und er steckte das Gebet in seine weiße Soutane. 

Am 4. Oktober 2023, dem Fest seines Namenspatrons, eröffnete Franziskus die lange vorbereitete erste Sitzungsperiode  der Weltbischofssynode. Die Synode ist nicht das Ziel, sondern sie bleibt der Weg. Keine komfortable Straße. Hindernisse müssen behutsam aus dem Weg geräumt werden. In der Eröffnungspredigt des Papstes  ist vom Überwinden von Enttäuschungen die Rede, von Risiko, aber auch von der Weisheit des einfachen Volkes. Und von Freude: „Lasst uns gemeinsam gehen: demütig, leidenschaftlich und fröhlich.“ Denn der wichtigste Wegbegleiter soll der Heilige Geist sein: „Lasst uns mit ihm unterwegs sein, im Vertrauen und mit Freude.“

Besondere Überraschungen braucht Franziskus zu seinem Geburtstag am 17. Dezember nicht. Der ist für ihn ein Tag wie jeder andere. Und Überraschungen macht er sowieso lieber selbst, Dafür ist ihm jeder Tag recht.  

Hubert Gaisbauer

Podcast mit Hubert Gaisbauer

In der ersten Folge der Podcast-Reihe "SONNTAGs-Jause" ist Chefredakteurin Sophie Lauringer bei Hubert Gaisbauer in Krems zu Kaffee mit Kaiser-Gugelhupf eingeladen. Der bekannte Journalist und Ö1-Gründer erzählt, wie er als Student im Stephansdom für das Radio entdeckt wurde und wie er das Schneiden mit Tonbändern als Handwerk gelernt hat.
 

Zum Podcast und zum Rezept
 

Die SONNTAGs-Jause erscheint jeden Sonntag auf den gängigen Podcast-Plattformen wie

Autor:
  • Hubert Gaisbauer
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