Fremdenfeindlichkeit und Glaube
Weihbischof Stephan TurnovszkyFrage an den Brückenbauer: „Es tut weh, über einen Platz zu gehen, der mit ausländerfeindlichen Worten beschmiert ist. Warum überschüttet ein Wiener Mit-Menschen, die eine dunkle Hautfarbe haben, mit Spott und Hohn? Er kennt seine ‚Gegner‘ nicht, deren Leid und Freude. Warum dieser unpersönliche Hass? Wer hat sein Herz verletzt, sodass er Gift auf die Pflastersteine malt?“
Der Fragesteller hat absolut recht, auch mit seiner Analyse, die in der Formulierung bereits angedeutet ist: „Er kennt seine ‚Gegner‘ nicht, deren Leid und Freude.“
Mir scheint, dass genau das der Schlüssel ist: Sobald man Leid und Freude von Menschen kennt, sobald man Menschen persönlich kennt, wächst eine Verbindung zwischen ihnen, wächst Mitgefühl. Deshalb kann man im Grunde nur jemanden weghaben wollen, den man gar nicht wirklich kennt. Sehr oft lehnt man nur die Karikatur eines Menschen ab, die man mit dem wahren Menschen, den man eben nicht kennt, verwechselt. Das bedeutet:
Das Mittel für den Frieden und den Zusammenhalt der Gesellschaft sind persönliche Beziehungen. Integration läuft in erster Linie so. Wenn Sie etwas zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beitragen wollen, so lernen Sie eine sozial ganz andersartige Familie persönlich kennen. Ich finde es z. B. wichtig, dass Christen in unserem Land Muslime namentlich kennen. In Bezug auf die Benutzung öffentlicher Massenverkehrsmittel, in denen sich alle Bevölkerungsgruppen auf engem Raum treffen, ist es im Hinblick auf die Integration problematisch, dass man sich kaum mehr mit Fremden unterhält, sondern nur noch mit sich selbst bzw. dem eigenen Handy beschäftigt ist.
Krieg wird immer so geführt, dass Soldaten gegen Menschen geschickt werden, die sie nicht persönlich kennen. Im Gegenteil, die Propaganda stellt die gegnerische Bevölkerung noch verzerrt dar (z. B. „alles Faschisten“ oder „Kommunisten“), jedenfalls als sehr gefährlich und ungut.
Gott, der Vater, kennt als Schöpfer jeden Menschen persönlich und ist ihm innig verbunden. Christen bekennen daher: Gott liebt jeden Menschen. (Wiewohl Gott nicht das Verhalten jedes Menschen gutheißt.) Das liefert uns ein Kriterium für gesunde christliche Frömmigkeit: Wer Gott im geistlichen Leben näherkommt, wird gleichzeitig in der Liebe und im Verständnis für andere Menschen wachsen. Wer dem Schöpfer ähnlicher wird, entwickelt wie von selbst einen liebevolleren Blick auf alle (!) Menschen. Mir kommt vor, dass ich das bei Papst Franziskus beobachten kann. Dass auf unseren Straßen und Plätzen mitunter das Gegenteil sichtbar wird, tut tatsächlich sehr weh.
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