Franziskus: Der Papst der markigen Sprüche
Franziskus und die Medien
Er gab mehr Interviews als seine Vorgänger, hatte wenig Scheu vor den Medien und baute mit seiner Persönlichkeit die Social- Media-Kanäle der Kirche aus. Mehrere Millionen Follower verzeichnen die neun @pontifex-Konten auf dem Kurznachrichtendienst X, 676.150 Follower sind es für den deutschsprachigen Auftritt.
Wie Kaninchen?
Ein mediales Beben löste Papst Franziskus 2015 mit einer Aussage zum Thema Familienplanung aus, bei der er auf einen Vergleich aus der Tierwelt zurückgriff. Auf dem Rückflug von seiner Philippinen-Reise sprach Franziskus bei einem Pressegespräch vor mitreisenden Journalisten – in einer unglücklichen Wortwahl – vom Gedanken der „verantworteten Elternschaft“ und erklärte, dass Eltern in Abwägung der Umstände eventuell auf mehr Kinder verzichten sollten. Dazu sagte er unter anderem wörtlich: „Einige glauben – entschuldigt bitte das Wort – um gute Katholiken zu sein, müssen wir sein wie Kaninchen, nicht wahr?“
Der Kontext der Antwort – das vom Papst selbst vorgebrachte Einzelbeispiel einer Mutter von sieben Kindern, die sich durch eine weitere Schwangerschaft in Gefahr brachte, ihr Leben zu verlieren – ging in der Folge rasch verloren. Vereinzelte Kommentatoren mutmaßten gar einen päpstlichen Schwenk bei der katholischen Sexualmoral zu erkennen, weshalb andere Stimmen dem Papst vorwarfen, mit der flapsigen Aussage kirchliche Positionen zur katholischen Sexualmoral untergraben zu haben.
Fazit: Nach einigen Rügen für den Sager wählte der Großteil der Medien den eher humoristischen Zugang zu der Causa, die in sozialen Medien unter dem Schlagwort „Karnickelgate“ abgearbeitet wurde, und hob das offene Wesen Franziskus’ hervor.
Homophob?
Zum medialen Leckerbissen wurde ein im mündlichen Italienisch geläufiges Wort, das aus dem Mund von Papst Franziskus freilich schockierte: Man sollte keine homosexuellen Kandidaten in die Priesterseminare aufnehmen, denn es gebe in der Kirche „ohnehin schon zu viele Schwuchteleien“ (frociaggine), soll er hinter verschlossenen Türen den italienischen Bischöfen 2024 gesagt haben. Durch Indiskretion kam das im Vertrauen Gesagte an die Medien. Der Vatikan lieferte danach ein indirektes Eingeständnis über die Richtigkeit der abwertenden Äußerung in Form einer Entschuldigung. Etliche deutschsprachige Medien warfen dem Kirchenoberhaupt Homophobie vor, kirchliche nahmen dies zum Anlass für weitreichende Überlegungen.
Ergebnis: Seit 2025 können homosexuelle Männer um Aufnahme in ein italienisches Priesterseminar bitten. An anderer Stelle hatte Franziskus 2020 gesagt, dass homosexuelle Personen „Kinder Gottes“ seien. „Sie haben das Recht auf eine Familie und auch das Recht, durch ein Gesetz für zivile Partnerschaften abgesichert zu sein.“
Ohrfeigen erlaubt?
Bei der Generalaudienz am 4. Februar 2015 erörterte der Papst die Rolle des Vaters in der christlichen Familie und schnitt dabei das Thema Züchtigung an. Ein Vater müsse in der Familie präsent sein, der Ehefrau zur Seite stehen und für ihre Kinder, gleich welche Fehler sie auch machen, mit Geduld, Zärtlichkeit, Großmut und Barmherzigkeit da sein. Dass es nicht immer ohne Reibereien abgeht, wusste Franziskus aus seiner pastoralen Praxis: „Einmal hörte ich in einem Treffen von Eheleuten einen Vater sagen: ‚Manchmal muss ich die Kinder ein bisschen schlagen – aber nie ins Gesicht, um sie nicht zu demütigen. Er muss bestrafen, er macht es aber gerecht und geht dann weiter.“ Die italienische Tageszeitung „Repubblica“ titelte daraufhin: „Der Papst erlaubt jetzt auch das Versohlen.“
Kritik: Für die Aussage erntete der Papst weltweit kein Verständnis. Aber Franziskus bekannte sich wiederholt zum Schutz der Schwächsten, traf immer wieder Missbrauchsopfer, formulierte Vergebungsbitten und forderte Präventionsmaßnahmen. Gegenüber Täterpersönlichkeiten plädierte er stets für „Null Toleranz“ und ein strenges Vorgehen.
Weiße Fahne?
Von Moskau bis ins Nato-Hauptquartier, von Kiew bis Washington diskutierten vergangenen März politische Entscheider die Sätze des Papstes zum Thema Verhandlungsfrieden im Ukraine-Krieg. In einem Interview mit dem Schweizer Fernsehsender RSI sprach der Papst vom „Mut zur weißen Flagge“ und hatte der Ukraine sinngemäß nahelegt, weiteres massenhaftes Sterben auf den Schlachtfeldern entlang der Frontlinie durch Verhandlungen zu beenden. Wörtlich sagte Franziskus: „Ich glaube, derjenige ist stärker, der die Lage erkennt, der ans Volk denkt und den Mut zur weißen Flagge hat.“ Vor allem zwei Punkte wurden kritisiert: Dass Franziskus das Bild der weißen Flagge gebraucht und damit der Ukraine eine Kapitulation empfohlen habe, war ein Vorwurf. Der andere bezog sich auf die Tatsache, dass der Papst nichts über Russland sagte, sondern sich offenbar nur Gedanken über die Position der angegriffenen und kräftemäßig unterlegenen Ukraine machte.
Pressesprecher Matteo Bruni, der Papstbotschafter in Kiew und der Kardinalstaatssekretär persönlich erinnerten daran, dass der Papst nicht für eine Kapitulation der Ukraine, sondern für einen Verhandlungsfrieden unter Vermittlung internationaler Mächte geworben habe. Die Kritik verebbte nicht.
Mediale Aufklärung: Erst das Umfeld der Frage in dem Interview machte klar, warum der Papst beim Bild der weißen Fahne blieb: Das gesamte Gespräch wurde vorab am 2. Februar geführt für eine Kultur-Sendung des Schweizer Fernsehsenders RSI mit dem Titel „Cliche“, bei der es um nichts anderes als um die Farbe Weiß gehen sollte. 2025 schrieb Franziskus zum andauernden Angriffskrieg: „Ein schmerzlicher und beschämender Jahrestag für die gesamte Menschheit!“