Franz von Sales und Johanna Franziska von Chantal
Alles aus Liebe, nichts aus ZwangSie ist ein musterhaftes Beispiel, die geistliche Freundschaft zwischen Franz von Sales (am 21. August 1567 geboren, am 28. Dezember 1622 gestorben) und Johanna Franziska von Chantal (am 23. Jänner 1572 geboren, am 13. Dezember 1641 gestorben). Pater Herbert Winklehner OSFS erläutert im SONNTAG-Gespräch diese Freundschaft.
Was zeichnet die Beziehung zwischen Franz von Sales und Johanna Franziska von Chantal aus?
Der Geist der Freiheit. Gehorsam bedeutet nicht Befehle-Ausführen, sondern Aufeinander-und Miteinander-auf-Gott- Hören. Gleich zu Beginn ihrer Beziehung schrieb Franz von Sales an Johanna Franziska von Chantal: „Dies soll die Grundregel unseres Gehorsams sein: Ich schreibe sie in großen Buchstaben: ALLES AUS LIEBE TUN UND NICHTS AUS ZWANG! […] – Ich lasse Ihnen den Geist der Freiheit; nicht jenen, der den Gehorsam verneint, denn dies ist die Freiheit des Fleisches, sondern jenen, der Zwang, Skrupel und Hast ausschließt.“
Wir wissen viel von Franz von Sales, was wissen wir von Johanna Franziska von Chantal?
Johanna Franziska von Chantal (1572-1641) war eine französische Baronin, verheiratet und Mutter von sechs Kindern, wobei zwei Kinder bereits sehr früh nach der Geburt verstarben. Ihr Mann starb nach 10-jähriger sehr glücklicher Ehe an den Folgen eines Jagdunfalls. In der darauffolgenden schwierigen Phase als Witwe und alleinerziehende Mutter lernte sie Franz von Sales kennen, der ihr geistlicher Begleiter wurde. Zusammen gründeten sie die Ordensgemeinschaft der Schwestern der Heimsuchung Mariens („Salesianerinnen“), deren erste Oberin sie wurde. Die letzten dreißig Jahre ihres Lebens gründete sie über siebzig Klöster. 1767 wurde sie heiliggesprochen. Sie ist die Patronin für eine glückliche Geburt. Ihr Gedenktag ist der 12. August.
Wie gestaltete Franz von Sales seine Beziehung zu Johanna Franziska von Chantal?
Da Franz von Sales hunderte Kilometer von Johanna Franziska von Chantal entfernt lebte, entstand zwischen beiden ein sehr intensiver Briefwechsel. Etwa einmal im Jahr trafen sich die beiden zu einwöchigen Exerzitien. Am Beginn war Franz von Sales der Zuhörer und Berater. Im Laufe der Jahre wurde daraus eine gegenseitige geistliche Freundschaft, in der beide einander halfen, ihren Weg in der Nachfolge Jesu zu gehen.
Wie gestaltete Johanna Franziska von Chantal ihre Beziehung zu Franz von Sales?
Johanna Franziska von Chantal war froh, in Franz von Sales einen Menschen gefunden zu haben, der ihr half, einen für sie passenden Lebens- und Glaubensweg zu finden. Sie tat sich anfangs schwer damit, den Bischof nicht als „Monseigneur“ anzureden, wie Franz von Sales es von ihr wünschte. Später nannte sie ihn am liebsten „mein (sehr teurer) Vater“. Leider sind uns ihre Briefe, die sie an Franz von Sales schrieb, nicht erhalten geblieben, da sie diese nach dem Tod des Franz von Sales bis auf ganz wenige Ausnahmen verbrannte.
Warum kann man, vereinfacht gesagt, beide nur miteinander verstehen?
Die geistliche Freundschaft, die zwischen den beiden Heiligen nach ihrer ersten Begegnung am 5. März 1604 begann, beeinflusste die persönliche, religiöse und theologische Entwicklung beider sehr stark. Von Franz von Sales wissen wir, dass sein theologisches Hauptwerk, die „Abhandlung über die Gottesliebe“, im Deutschen auch „Theotimus“ genannt, ohne Johanna Franziska von Chantal nicht so geschrieben worden wäre. Johanna Franziska von Chantal betrachtete sich stets als getreue Schülerin des heiligen Franz von Sales, dessen Werk sie authentisch verwirklichen und der Nachwelt überliefern wollte.
Was verbindet beide, die doch kein Liebespaar waren?
Die Liebe zu Gott und Gottes Liebe zu seiner Schöpfung. Franz von Sales schrieb in einem Brief an Johanna Franziska von Chantal: „Welche Freude, lieben zu können, ohne ein Übermaß fürchten zu müssen! Ein solches gibt es aber nicht, wo man in Gott liebt.“ Und Johanna Franziska von Chantal: „Ich wünsche einen guten Abend, mein sehr lieber und einzig teurer Vater. Unser gütiger Jesus herrsche – ohne jeden Zweifel – allein für immer in unserem Herzen.“
Waren Franz von Sales und Johanna Franziska von Chantal Seelenverwandte oder eher Seelenfreunde?
Beide waren davon überzeugt, dass ihre Begegnung von Gott gelenkt und ihr gemeinsamer Weg einer göttlichen Bestimmung folgt. „Gott, so scheint es mir,“ schreibt Franz von Sales in seinem ersten Brief an Johanna Franziska von Chantal, „hat mich Ihnen gegeben; dies wird mir mit jeder Stunde mehr zur Gewissheit.“ Und später: „Ich brauche Ihnen nichts zu sagen über die Größe meiner Zuneigung zu Ihnen. Ich sage Ihnen nur, dass sie weit über jeden Vergleich erhaben ist. Und diese Zuneigung ist weißer als der Schnee und reiner als die Sonne.“
Was können wir von dieser Beziehung zwischen den beiden für heute lernen?
Diese Beziehung war eine Beziehung auf Augenhöhe, getragen von gegenseitigem Respekt und Empathie. Beide hatten ein offenes Ohr für die jeweiligen Sorgen des oder der anderen. Fundament dieser Beziehung war stets der gemeinsame Glaube an den liebenden Gott, der sich in Jesus Christus den Menschen offenbarte und durch den Heiligen Geist in dieser Welt immer und überall wirksam ist.
Was fasziniert Sie persönlich an dieser Beziehung zwischen Franz von Sales und Johanna Franziska von Chantal?
Johanna Franziska von Chantal hatte in ihrem Leben immer wieder mit schweren Schicksalsschlägen zu kämpfen, die ihren Glauben an einen liebenden Gott stark auf die Probe stellten. Ihre Mutter starb bei der Geburt ihres Bruders, später verlor sie ihren geliebten Ehemann durch einen Jagdunfall, fünf von ihren sechs Kindern musste sie zu Grabe tragen, und schließlich starb auch ihre große Lebensstütze Franz von Sales. Trotz allem verlor sie nicht den Mut und hielt an ihrem Glauben an den liebenden Gott fest, weil ihr Franz von Sales dieses Gottvertrauen vermittelte: „Nur Mut, meine liebe Seele! […] Mut! Solange wir entschlossen – wenn auch ohne Gefühl – sagen können: ‚Es lebe Jesus!‘, brauchen wir nichts zu fürchten.“ Die beiden Heiligen sind für mich ein Beispiel dafür, dass es möglich ist, sich miteinander im Glauben auch in den größten Herausforderungen des Lebens zu stärken und zu tragen.
Experte Pater Herbert Winklehner OSFS ist Oblate des heiligen Franz von Sales und Pfarrvikar der Pfarre Franz von Sales, Wien 19.