Frankl: Alexander Batthyány über die Sinnfindung
Theologische KurseDer zeitgenössische Mensch hat in der Regel genug, wovon er leben kann. Was ihm aber oft fehlt, ist das Wissen um ein Wozu seines Lebens“, sagte der Begründer der Logotherapie, Viktor E. Frankl. Im SONNTAG-Gespräch erläutert Alexander Batthyány die große Frage nach dem Sinn. Er spricht am 22. November bei den „Theologischen Kursen“ in Wien.
„Wir sind auf Erden, um Gott zu erkennen und zu lieben, nach seinem Willen das Gute zu tun und einst in den Himmel zu kommen“, hieß es früher im Katechismus. Wie lautet eine sinn-volle Antwort darauf heute? Wozu sind wir da?
ALEXANDER BATTHYANY: Also auf die Frage, wozu wir insgesamt auf Erden sind, eine Antwort zu finden ist ja eigentlich die religiöse oder philosophische Lebensaufgabe eines jeden Menschen; da maße ich mir keine allgemeinverbindliche Antwort an. Aus Sicht der Logotherapie stellt sich die Sinnfrage etwas anders: Irgendwie entspricht es unserem Wesen, Antwort geben zu wollen und können auf die Frage, wozu wir gut sind. Und diese Frage alleine gibt schon den Blick frei auf unser Wesen; sie versteht uns als Menschen jedenfalls besser und sieht uns würdevoller als die einseitige Fixierung auf die doch recht selbstbezogene Frage der modernen Konsumgesellschaft: „Was muss ich machen, damit ich mich gut fühle?“ Forschung, klinische Erfahrung und auch das Gespräch mit Menschen in den verschiedenen Lebensphasen sagen uns aber recht einhellig: Es geht im Leben nicht nur, oder nicht einmal primär, um unsere ohnehin flüchtige Befindlichkeit, sondern um unsere Fähigkeit, zumindest gelegentlich über den Tellerrand des eigenen Ichs hinauszuschauen in die Welt, ihre Möglichkeiten, ihre Nöte, ihr Wesen: Wozu bin ich da gut? Wo und wie kann ich etwas zum Besseren wenden, für jemanden oder etwas da sein oder auch dankbar anerkennen, wenn etwas gut und gelungen ist?
Wie finden wir im Alltag den Sinn unseres Lebens?
Das ist sehr individuell und zudem ändern sich die Sinnangebote von Stunde zu Stunde. Ganz generell würde man einen Menschen, der diese Frage stellt, nicht notwendig dazu auffordern, etwas ganz anderes zu machen. Vielleicht liegt es näher, einmal bei dem zu beginnen, was ohnehin zu tun ist – aber in einer anderen inneren Haltung. Das alleine kann schon viel verwandeln. Leistet beispielsweise die Krankenschwester ihren Dienst als reine Routine ab, oder denkt sie zumindest gelegentlich daran, dass sie für einige Kranke vielleicht eine der wenigen Personen ist, die sie an diesem Tag besuchen, sich um sie kümmern, ihnen zu essen geben usw.? Manchmal geht es auch darum, den Wert (und die Wertmöglichkeiten) des eigenen Tuns – man muss es ja ohnehin – wiederzuentdecken oder auch wieder zu erwecken. Denn leider neigen wir oft dazu, so vieles, was wir tun oder empfangen, als selbstverständliche Routine oder leidige Pflicht hinzunehmen. Damit tun wir uns und anderen aber oft Unrecht. Sinnvoll heißt nicht unbedingt „mehr“; es heißt nicht selten „anders“, liebevoller, rücksichtsvoller, behutsamer.
Ab welchem Lebensalter bekommt die Sinn-Frage mehr und mehr Bedeutung?
Die Forschung sagt uns, dass uns die Sinnfrage ab dem Kindesalter begleitet; sie nimmt aber natürlich immer wieder eine neue Gestalt an, je nach Lebensumständen. Der junge Mensch fragt eher, was das Leben vor ihm für einen Sinn hat; in der Lebensmitte stellt sich die Frage, was jetzt noch an Sinnmöglichkeiten auf einen warten – und gegen Lebensende stellen viele die Frage, ob es gut war, dass sie da waren. Das ist eigentliche eine einzige Frage, allerdings mit verschiedenen Gesichtern. Viel wichtiger als die Frage ist aber natürlich die Antwort – und die vollziehen wir in unseren kleinen und großen Lebensentscheidungen, eben im Alltag, mitten im Leben.
Wie antwortet Viktor E. Frankl auf die Frage nach dem Sinn?
Vor allem ermutigt Frankl, diese Frage zu stellen und sie nicht – wie noch Freud – als Symptom einer psychischen Deformiertheit zu sehen, sondern als Zeichen unserer Mündigkeit und Würde. Es ist die menschlichste Frage überhaupt. Wenn man sie einmal als Leitstern des eigenen Handelns nimmt, dann zeigt sich immer wieder aufs Neue: Ich verstehe, dass niemand für mich diese Frage beantworten kann; aber ich kann eine Haltung entwickeln, in der mir immer wieder die sinnvollste unter den vielen Möglichkeiten quasi aufleuchtet. Das ist dann die Antwort auf die Frage, wozu ich in dieser konkreten Situation gut sein kann. Erlebend, handelnd, oder weil ich gegenüber dem Unabänderlichen eine gewisse Haltung eingenommen habe.
Termintipp
Univ.-Prof. Alexander Batthyány spricht am 22. November bei den „Theologischen Kursen“ von
16:00 bis 17:30 Uhr über „Wozu wir da sind. Sinn-Einsichten aus Logotherapie und Sterbeforschung“.