Fosses „Der Name“ am Volkstheater

Familiengeheimnisse und Schweigen – Ein intensives Drama
Ausgabe Nr. 44
  • Kunst und Kultur
Autor:
Charakter Beate
Beates Rückkehr nach Hause ist nicht glücklich. Regisseur und Volkstheaterdirektor Kay Voges kommentiert: „Da lauert ein riesiges Hinterland.“ ©Volkstheater

In Kay Voges' Inszenierung eines Stücks von Jon Fosse treffen am Volkstheater stille Spannungen auf emotionale Kälte in einem düsteren Familiendrama.

„Der Name“ ist ein frühes Theaterstück von Jon Fosse, Literaturnobelpreisträger des Jahres 2023. Jetzt ist das Drama des Autors, der mittlerweile Katholik ist, im Volkstheater in Wien zu sehen. Von der viel zitierten Stille ist in Kay Voges‘ Inszenierung wenig zu bemerken.

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Rückkehr ins Elternhaus

Die junge Beate (Anna Rieser) kehrt hochschwanger in das Haus ihrer Eltern zurück, der Vater des Kindes (Fabian Reichenbach) kommt nach und wird mit einer überaus kühlen und gleichgültigen Familie konfrontiert. Der Vater (Thomas Dannemann) sieht den Besucher kaum an und spricht von ihm nur in der dritten Person. Die Mutter (Birgit Unterweger) ist auch der Tochter gegenüber kühl und wird von seltsamen Krankheitszuständen gequält. Lediglich Beates jüngere Schwester (Irem Gökçen) scheint noch Leben in sich zu haben. Später kommt Bjarne (Nick Romeo Reimann).

Ein Haus voller Kälte und Flackern

Die Stimmung ist rau wie das Wetter draußen. Das Bühnenbild (Michael Sieberock-Serafimowitsch) besteht aus einer Einbauküche und einer Couch-Gruppe aus den 1970er-Jahren. Vor den Fenstern schneit oder regnet es ständig in der Dunkelheit. Der Stromkreislauf ist gestört, denn Lampen flackern, es gluckst und rumpelt im Haus. Immer wieder dröhnt ein Nebelhorn mit enormer Lautstärke (Musik und Geräusch Tommy Finke). 

Die karge Dialogwelt der Figuren

Die Figuren sind müde und hilflos. Sätze werden oft wiederholt („Es ist raues Wetter hier!“, „Ich gehe schlafen“). Aus der Vergangenheit ist wohl manches unausgesprochen. Regisseur und Noch-Volkstheater-Direktor Kay Voges sagt: „Die Texte von Jon Fosse sind wie ein Eisberg: Man sieht die Spitze und da ist wenig und es ist einfach karg. Aber darunter, vor allem unter dem Nichtgesagten, da lauert ein riesiges Hinterland …“ 

Voges’ Inszenierung

Von der oft zitierten Stille in Jon Fosses Texten ist in Voges‘ Inszenierung wenig zu bemerken, Zugänge zum „Nichtgesagten“ werden trotz eines beeindruckenden Schauspielensembles nicht eröffnet. Ein Gewinn an Erkenntnis oder gar Hoffnung wird den Zuschauern nicht mitgegeben. 

Jon Fosse: Ein preisgekrönter Dramatiker

Jon Fosse, 1959 in der norwegischen Küstenstadt Haugesund geboren, gilt als einer der wichtigsten zeitgenössischen europäischen Schriftsteller. Seit 2022 ist er Mitglied der Akademie der Künste in Berlin. Für sein Prosawerk „Trilogie“ erhielt er 2015 den Literaturpreis des Nordischen Rates, den renommiertesten Literaturpreis Skandinaviens. Seine mehr als 30 Theaterstücke werden weltweit aufgeführt und brachten ihm ebenfalls zahlreiche Preise ein.Der 2013 zum Katholizismus konvertierte Christ ist nach eigenen Angaben ein frommer Mann. „Alles, was ich schreibe, ist eine Art Gebet“, sagte er in einem Interview. 

Autor:
  • Agathe Lauber-Gansterer
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