Fastentuch: Anregung des Geistes

Tradition Fastentuch
Ausgabe Nr. 11
  • Österreich
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Viele Fäden, ein Ganzes: Das Fastentuch von Inzersdorf ist mehr als ein Kunstwerk – es ist ein gelebtes Zeichen von Gemeinschaft, Hoffnung und kreativer Entfaltung.
Viele Fäden, ein Ganzes: Das Fastentuch von Inzersdorf ist mehr als ein Kunstwerk – es ist ein gelebtes Zeichen von Gemeinschaft, Hoffnung und kreativer Entfaltung. ©Judith Knell
Fremdartig mutet die 41. Säule von Gisela Stiegler in der Jesuitenkirche an. Im 16. und 17. Jahrhundert war die Säule ein Sinnbild für Christus.
Fremdartig mutet die 41. Säule von Gisela Stiegler in der Jesuitenkirche an. Im 16. und 17. Jahrhundert war die Säule ein Sinnbild für Christus. ©Stefan Hauser
Vater in deine Hände lege ich meinen Geist wurde 2001 vom Künstlerpaar Cecile Nordegg und Jonathan Bergh gestaltet. Es ist in der Wiener Dominikanerkirche zu sehen.
Vater in deine Hände lege ich meinen Geist wurde 2001 vom Künstlerpaar Cecile Nordegg und Jonathan Bergh gestaltet. Es ist in der Wiener Dominikanerkirche zu sehen. ©Stephan Schönlaub

Das rund tausendjährige Brauchtum des Fastentuchs ist bis heute präsent. Das feierliche Aufhängen erfolgt zu Beginn der vierzigtägigen Bußzeit zum Aschermittwoch, das Abhängen in der Karwoche. Ein Rundgang durch Wiener Kirchen.

Violette Tücher dominieren während der Fastenzeit den Altarraum in den Kirchen: Die Altarverhüllung durch das sogenannte „velum templi“ ist bereits seit mehr als tausend Jahren nachweisbar. 

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Die Geschichte des Fastentuchs

Zum ersten Mal wird ein „gestickter Vorhang“ 895 in der Lebensbeschreibung des Abtes Hartmond von Sankt Gallen erwähnt. Die Tradition geht auf den jüdischen Tempelvorhang zurück, der im Neuen Testament im Zusammenhang mit dem Kreuzestod Jesu mehrfach erwähnt wird. Ursprünglicher Zweck war die Verhüllung, gleichsam ein „Fasten der Augen“. Vermutlich geht ihr Ursprung auf die Bußdisziplin der frühen Kirche zurück; zur körperlichen Buße des Fastens trat eine seelische. Die anfangs schlichten Tücher wurden im Laufe der Zeit immer prächtiger verziert. Etwa im 15. Jahrhundert setzte sich ein Typ durch, bei dem auf Bildfeldern wie auf einer Bildergalerie die Heilsgeschichte von der Erschaffung der Welt bis zum Letzten Gericht dargestellt wird. Im 17. und 18. Jahrhundert wird auf den Fastentüchern auch die Passionsgeschichte dargestellt. Fastentücher sorgen teilweise auch für Diskussionen oder Anregungen. Cécile Belmont lud beispielsweise 2022 zum gemeinsamen Sticken des Fastentuches für die Kapelle im Linzer Bischofshof ein. 
 

Vorzeitig abge- und gar nicht aufgehängt

Zahlreiche Reaktionen gab es auf ein Schweineherz in der Innsbrucker Spitalskirche, das von einem Gummiring umschlossen war. Manche orteten in der Fotoarbeit des österreichischen Künstlers Peter Garmusch ein Kondom. „Kunst muss zur Diskussion anregen, aber nicht dazu führen, dass sich Menschen in ihrer Ablehnung verhärten, weil ihre religiösen Gefühle verletzt worden seien“, erklärte Bischof Hermann Glettler. Am Ende wurde das Werk vor dem Palmsonntag abgehängt. 
 

Fastentuch von Gottfried Helnwein

Dompfarrer Toni Faber konnte mehrfach international bekannte Künstlerpersönlichkeiten für die Interpretation eines Fastentuches im Stephansdom gewinnen. Nicht alle wurden gleich gut angenommen. Der violette 80 Quadratmeter große Strickpullover von Erwin Wurm in den Jahren 2020 und 2021  war einigen doch zu gewöhnungsbedürftig. Die größte mediale Aufmerksamkeit erlangte aber ein nicht aufgehängtes Werk. Gottfried Helnwein hatte ein Triptychon gestaltet. Das Motiv des Gekreuzigten vom Turiner Grabtuch stellte er auf den Kopf, was auch einige Leserinnen und Leser des SONNTAG empörte. Der zweite und dritte Teil wurden nicht mehr öffentlich aufgehängt. Das umstrittene Bild eines nackten Kindes mit Wundmalen konnte aber im Juni in der Gmundener Bürgerspitalskirche gezeigt werden. 
 

Das längste Fastentuch der Welt

Einen Evergreen unter den Fastentüchern gibt es auch: Das längste Fastentuch der Welt schaffte es mit seinen 100 Metern in das Guinness-Buch der Rekorde. Es wurde 2000 vom Künstlerduo Sepp Jahn und Edith Hirsch mit einer starken Friedensbotschaft fertig gestellt und ist in der Klosterkirche der Dominikanerinnen in Kirchberg am Wechsel zu sehen. 

Autor:
  • Sophie Lauringer/KAP
  • Stefan Hauser/KAP
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