Erwartungen an den neuen Bischof
HirtenhundDer Redaktionsschluss ist ein Hund. Denn während ich diese Zeilen schreibe – noch ganz bewegt vom Dankgottesdienst für Kardinal Schönborn im Stephansdom – ist die Frage seiner Nachfolge nach wie vor offen.
Geheime Quelle bei Bischofsernennungen
Wenn dieser Text allerdings erscheint, könnte die Entscheidung bereits gefallen sein. Oder zumindest durchgesickert sein, ob ein Administrator ernannt wurde. Denn die zentrale Umschlagbörse für Ernennungen aller Art ist nicht der Nuntius, kein konspiratives Prälatentreffen, auch keine Redaktionsstube mit gutem Draht nach oben, sondern der Ministerrat. Am Mittwoch tritt dieser wieder zusammen. Es wäre nicht das erste Mal, dass eine Bischofsernennung ihren Weg in die Öffentlichkeit durch unbedarfte Plaudereien auf oberster Beamtenebene gefunden hat.
Politischer Bischof gefordert
Ich mag mich daher auch nicht beim beliebten Spiel „Wir basteln uns den Wunschbischof“ beteiligen. Interessanter scheinen mir die Erwartungen, die Geneigte wie Fernstehende an „den Neuen“ haben. Politisch soll er sein, hat zuletzt eine erlauchte Runde um Paul Zulehner im ORF formuliert. Das heißt politischer als Schönborn. „Wegducken“ vor einem mit dem Christentum unvereinbaren völkisch-nationalistischen Denken gehe nicht mehr. Es brauche mutige politische „Interventionen“ – und kein Vorschicken der Katholischen Aktion oder des Laienrates. Politik soll bitteschön Chefsache sein.
Politische Dimension der Bischofskonferenz
Ich reibe mir die Augen: Hieß es nicht all die Jahre, die Laien mögen ihr Apostolat gesellschaftskritisch und also politisch wahrnehmen? Waren es nicht eben diese Laien, die immer mehr Verantwortung wünschten – und die jetzt einen neuen Bischof vorschicken wollen, um Herbert die Leviten zu lesen? Und war Schönborn denn unpolitisch? War nicht der Dankgottesdienst, bei dem sich selbst der Bundespräsident vor dem Kardinal verneigte, Erweis genug, dass der „Pontifex austriacus“ ein politischer Player war? Aber ich nehme den Ball der ORF-Expertenrunde dennoch auf: Denn tatsächlich erscheint es mir erforderlich, dass sich nicht in erster Linie der Wiener Erzbischof, sondern vielmehr die Bischofskonferenz selber stärker als politischer Player versteht. Gewiss, man übt sich in diskreter Politik hinter der Tapetentür. Aber es gibt – anders als in Deutschland – fast nie politische Wortmeldungen „der Bischöfe“ oder des Vorsitzenden im Namen der Bischofskonferenz.
Persönliche Wünsche an den zukünftigen Bischof
Wenn ich mir daher etwas wünschen würde, dann, dass die Bischöfe den politischen Wind of Change als solchen erkennen und sich selber als politisches Gemeinschaftssubjekt neu verstehen. Und der neue Erzbischof soll erstmal ankommen. Und vielleicht hier und da etwas durchlüften.