Er ließ in den Kirchen die Sonne aufgehen
Fischer von Erlach – 300. TodestagDie mächtige Kuppel ragt über die wieder grünen Bäume. Unter deren Baumkronen tollen Kinder auf einem Spielplatz herum. Schon das Zugehen auf die Wiener Karlskirche, die von zwei Reliefsäulen flankiert wird, beeindruckt. Im Ensemble des Karlsplatzes bildet sie das architektonische Gegengewicht zum Musikverein, dem Künstlerhaus und der Technischen Universität. Das Gotteshaus zählt zu den schönsten nördlich der Alpen. Steht man vor dem Hauptportal, ist darüber folgende Inschrift in großen goldenen Lettern zu erkennen: „Vota mea reddam in conspectu timentium deum.“ – zu Deutsch: „Meine Gelübde erfüllte ich vor den Augen der Gottesfürchtigen“. Die Worte aus Psalm 22 erinnern daran, dass die Kirche ihren Ursprung im Ende der Pestepidemie 1714 hat.
Vielseitig begabter Künstler und Designer
Pater Marek Puc̃alík ist Provinzial des Ritterordens der Kreuzherren mit dem roten Stern und Rektor der Karlskirche in Wien. Der aufgeweckte Ordensmann pendelt zwischen Wien und Prag. In der tschechischen Hauptstadt unterrichtet er als Assistenz-Professor Kunstgeschichte an der Karls-Universität. In Prag hat auch seine Ordensgemeinschaft ihren Hauptsitz. Der SONNTAG trifft den Priester und Kunstexperten im Rektorat der Karlskirche, das sich hinter dem Gotteshaus befindet. Anlass für unser Gespräch ist der 300. Todestag des österreichischen Architekten Johann Bernhard Fischer von Erlach.
„Wir kennen Fischer von Erlach vor allem als berühmten Architekten, aber er konnte auch zeichnen, war Bildhauer und konnte mit Stuck umgehen. Heute würde man sagen, er war ein Designer“, berichtet Pater Puc̃alík dem SONNTAG. „Er hat auch für die Loretto-Kirche in Prag eine hervorragende Monstranz entworfen, gestiftet von den Prager Adelsfamilien. Die Monstranz ist mit Diamanten geschmückt und wird auch Prager Sonne genannt.“
Johann Bernhard Fischer von Erlach wurde am 20. Juli 1656 in Graz geboren. „Die erste Ausbildung bekam er von seinem Vater. Als junger Mann gelangte er mit Unterstützung des Adels nach Rom und Neapel“, erzählt Pater Puc̃alík. „In Italien traf er auf berühmte Künstler seiner Zeit wie Filipo Schor, Gian Lorenzo Bernini und Francesco Borromini. Hier bildete er sich auf dem Gebiet der Baukunst umfassend weiter.“ Nach den Studienjahren in Italien kehrte Fischer von Erlach in seine Heimat zurück und wirkte vor allem in Wien, aber auch in Salzburg und Niederösterreich. „Er entwickelte sich zu einem der bedeutendsten österreichischen Architekten und war Konkurrent von Johann Lukas von Hildebrandt. Zu seinen bekanntesten Entwürfen zählen Schloss Schönbrunn, die Salzburger Dreifaltigkeitskirche und die Kollegienkirche sowie die Stiftskirche von Herzogenburg.“
Eine Kirche für das Ende der Pest
Fischer von Erlachs berühmtester Kirchenbau aber ist die Karlskirche. „1713, während der letzten großen Pestepidemie in Wien, gelobte Kaiser Karl VI. im Stephansdom, eine Kirche bauen zu lassen, wenn die Seuche endet. Sie sollte seinem Namenspatron, Karl Borromäus, geweiht sein, der auch ein Pestheiliger ist“, erzählt Marek Puc̃alík. Die Pest erlosch 1714 tatsächlich. Der Kaiser löste sein Versprechen ein und schrieb für den Bau einen Architektenwettbewerb aus. „In diesem setzte sich Johann Bernhard Fischer von Erlach unter anderem gegen seinen Erz-Konkurrenten Johann Lukas von Hildebrandt durch.“ Fischer von Erlach habe es verstanden, dem Kaiser zu vermitteln: „Ich kann dir alles bauen. Ich kenne die Baustile der ganzen Welt“. Sein umfassendes Wissen stellte er mit dem von ihm verfassten Werk „Entwurf Einer Historischen Architectur“ unter Beweis. Johann Bernhard Fischer von Erlach entwarf die Karlskirche, starb aber bereits 1723. „Sein Sohn Emanuel Fischer von Erlach, auch ein toll ausgebildeter Architekt, baute die Kirche fertig. Sie wurde 1737 geweiht“, berichtet P. Puc̃alík.
Spiel mit Licht und Schatten
Fischer von Erlach habe es in der Karls- kirche meisterhaft verstanden, Licht und Schatten gezielt einzusetzen. „Früher hat man das stärker gemerkt, da die Messen am Vormittag gefeiert wurden. Die Sonne fiel während der Messe exakt durch das Dreieck mit dem Namen Gottes über dem Hauptportal.“ Erlachs Architektur beziehe sich hier auf das Bibelwort „Für euch aber, die ihr meinen Namen fürchtet, wird die Sonne der Gerechtigkeit aufgehen und ihre Flügel bringen Heilung“ (Mal 3,20).
Eine Kirche, die uns umarmt
Spannend bei Fischer von Erlach sind auch die Ellipsen. „Fischer von Erlach schuf mit der ovalen Kuppel eine positive Architektur, in der man sich wohlfühlt, und eine Architektur, durch die man Gott finden kann. Wir fühlen uns wohl in einer ovalen Kirche und unter einer Kuppel. Man hat das Gefühl, dass uns diese Kirchen gleichsam umarmen“, führt Marek Puc̃alík aus. Unter den Kirchenbesuchern gebe es auch Suchende oder Skeptiker gegenüber dem Christentum. „Diese prachtvollen Kirchen sind Zeugen für den Glauben. Man kann einfach dort sitzen, kann sich umsehen und die Architektur auf sich wirken lassen. Diese Ovalbauten sind etwas Tolles, Mächtiges, das uns beeinflusst und Freude macht. Fischer von Erlach hat mit der Karlskirche eine Kirche geschaffen, die Ausdruck des Metaphysischen ist.“
Requiem in der Karlskirche
Das Rektorat St. Karl lädt am 20. April, 18:00 Uhr, aus Anlass des 300. Todesstages Fischer von Erlachs zu einem feierlichen Requiem mit besonderer musikalischer Umrahmung in die Karlskirche ein. Ab Herbst soll es eine Ausstellung mit Entwurfszeichnungen des Architekten geben. Touristen zahlen generell Eintritt, Gläubige und Betende können die Kirche ohne Eintritt besuchen.