Gesprächsinsel: Schweigen und die richtigen Worte
Verena OsannaDie "Gesprächsinsel" ist seit beinahe 15 Jahren eine kirchliche Gesprächs- und Seelsorgeeinrichtung im 1. Bezirk – ohne Anmeldung, kostenlos, vertraulich und anonym. Verena Osanna (49) ist Leiterin der "Gesprächsinsel".
Frau Osanna, wozu gibt es die Gesprächsinsel?
Wir ermöglichen Menschen Entlastung durch das Gespräch. Allein das Da-Sein und Geöffnet-Haben ist schon ein Dienst der Seelsorge um die Möglichkeit eines Gespräches zu schaffen. Wir verstehen uns dabei als Menschen, die zuhören und möglichst die Ressourcen und Stärken von unserem Gegenüber erkennen, aufgreifen und im Gespräch sichtbar machen.
Wer besucht die Gesprächsinsel?
Überwiegend Menschen, die Stärkung in ihrem belasteten Alltag brauchen. Da sind pflegende Angehörige, Menschen, die unter Einsamkeit, Depressionen und unter den vielfältigen aktuellen Krisen leiden. Und es kommen viele, die über Konflikte in ihren Beziehungen sprechen. Darüber hinaus führen wir pastorale Gespräch, in denen Lebens- und Sinnfragen besprochen werden. Grundsätzlich versuchen wir, für alle offen zu sein. Aber ja, wir sind uns auch unserer Grenzen bewusst und verweisen dann an spezielle Anlaufstellen und Angebote.
Sie möchten, dass jeder die Gesprächsinsel wieder gestärkt verlässt. Gelingt Ihnen das?
Ja, meiner Erfahrung nach gelingt uns das tatsächlich immer. Jeder Mensch zeigt uns etwas, das wir als Ressource in ihm erkennen, die er selbst nicht mehr wahrnehmen kann. Und das geben wir dann an ihn zurück. Durch den Kontakt von Angesicht zu Angesicht ist das für mich viel einfacher als am Telefon. Wirklich hilfreich ist dabei, dass ein Mensch einem Menschen begegnet, der ihn wahrnimmt und der nicht auf die Uhr schaut. Bei uns wird man auch empfangen, wenn es kurz vor 17 Uhr ist und wir eigentlich bald schließen würden.
Sie hören vieles, das traurig machen kann oder schwer zu ertragen ist. Wie finden Sie die richtigen Worte?
Bei schweren Themen ist oft viel Ohnmacht und Hilflosigkeit in den Gesprächen da. Mir fehlen selbst oft die Worte. Beschönigen kann ich da nichts. Ich merke aber, dass gerade die Stille und Wortlosigkeit Beziehung und wirklich große Nähe in einer anderen Form schafft. In dieser Stille findet sich oft ein Wort, von dem ich ausgehe, dass es nicht mein eigenes ist, sondern dass es mir in den Mund gelegt wurde. Ich habe gelernt, Gott als sehr gegenwärtig zu empfinden. Und in dieser Gegenwärtigkeit ist er mir eine große Ressource in meiner Arbeit und meinem Leben.
Und wenn das Ihnen Anvertraute zu schwer ist?
Es ist sehr hilfreich, dass wir immer zu zweit im Dienst sind. Und dass sich direkt nebenan die Romanische Kapelle befindet. Dort versuche ich alles, was mich bedrückt, zu deponieren. Ich nehme auch Supervision in Anspruch, die mich entlastet.
„Gerade die Stille und Wortlosigkeit schafft Beziehung und wirklich große Nähe in einer anderen Form.“
Verena Osanna
Sie sagen, Gott ist Ihnen immer gegenwärtig. In welchen Augenblicken nehmen Sie das besonders wahr?
Es sind oft die Augenblicke, in denen ich alleine bin, zum Beispiel beim Spaziergang mit dem Hund oder auf dem Weg nach Hause. In diesen Momenten spüre ich nach, wo Gott gegenwärtig ist. Darüber hinaus habe ich eine hilfreiche Quelle, nämlich ein kleines Büchlein vom hl. Franz von Sales. Wenn mir selber die Worte fehlen, nehme ich mir dieses Buch zu Rate.
Verena Osanna
Alter: 49
Lebensmotto: Es ist, was es ist, sagt die Liebe.
Gott ist für mich: gegenwärtig.
Sonntag bedeutet für mich: Selbstfürsorge.
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