Energetiker und Alltagsesoterik

Serie Weltanschauungsarbeit heute
Ausgabe Nr. 7
  • Spiritualität
Autor:
Es ist zunehmend nicht mehr der Glaube an einen persönlichen Gott. Dieser wird immer mehr überlagert von der Vorstellung einer „höheren Energie“ oder „Kraft des Universums“.
Es ist zunehmend nicht mehr der Glaube an einen persönlichen Gott. Dieser wird immer mehr überlagert von der Vorstellung einer „höheren Energie“ oder „Kraft des Universums“.
©ORF: Was glaubt Österreich?

Psychotherapeutin und Fachberaterin für Weltanschauungsfragen, Eva-Maria Melk-Schmolly schreibt über die Praktiken von Energetikern und wie sich Energiearbeit von christlicher Spiritualität unterscheidet.

Eine zentrale Erkenntnis der Studie der Universität Wien „Was glaubt Österreich?“ lautet, dass Österreich bei Weitem keine religionsfeindliche Gesellschaft ist. Vielmehr herrscht eine Art freundliche, aber distanzierte Offenheit gegenüber dem Religiösen vor. Die Theologin Regina Polak präzisiert: Es ist zunehmend nicht mehr der Glaube an einen persönlichen Gott. Dieser wird immer mehr überlagert von der Vorstellung einer „höheren Energie“ oder „Kraft des Universums“.

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Energetiker: "Heilende Energie"

Horoskope, Bachblüten, Buddhafiguren, der Glaube an kosmische Gesetzmäßigkeiten – diese und viele weitere religiöse Vorstellungen und Praktiken sind ins tägliche Leben eingesickert. Diese sogenannte Alltagsesoterik versteht Religiosität nicht als verbindliche Weltanschauung, sondern als flexibles Set von Methoden und Deutungsmustern, die individuell kombiniert und situativ angewendet werden.

Ein gemeinsames Denkmuster lässt sich dennoch erkennen: die Annahme, dass Menschen und Objekte von unsichtbaren Energien durchdrungen sind, die harmonisiert werden können. Energetiker*innen, die unter das freie Gewerbe der Humanenergetik fallen, arbeiten mit diesem Konzept. Aura und Chakren sollen gereinigt werden, Reiki mittels Handauflegung heilende Energie übertragen. Steine werden „energetisiert“, Wasser mit Schwingungen versehen. Feng Shui verspricht die Reinigung von Räumen. Affirmationen sollen das Universum dazu bringen, Wünsche zu erfüllen.
 

Die „Energetisierung“ des Alltags

Während manche in dieser „Energetisierung“ des Alltags harmlose Rituale sehen, warnen andere vor einer schleichenden Irrationalisierung. Wissenschaftliche Nachweise für die Existenz solcher Energien gibt es nicht. Sie sind im Rahmen von Weltanschauungen nur metaphorisch interpretierbar. Auch wenn subjektiv positive Erfahrungen gemacht werden, dürfen diese Praktiken nicht als Ersatz für medizinische oder psychotherapeutische Behandlungen gelten.
 

Spiritualität als eine Haltung der Wachheit und Dankbarkeit

Die alltagsesoterische Religiosität zielt häufig auf individualistische Selbstermächtigung ab: geheimes Wissen erlangen, Schwingungen erhöhen, Energien lenken. Demgegenüber bleibt christliche Spiritualität in einem anderen Grundvollzug verwurzelt – im Loslassen und Empfangen. Der Franziskaner Richard Rohr spricht von einem „Fall in den Glauben“: ein Loslassen, das erfahren lässt, dass wir gehalten sind. 

Die Kar- und Ostertage können als große Erzählung dieses Vertrauens verstanden werden. Zwischen Palmsonntag und Ostersonntag spiegelt sich auch die Dramaturgie unseres Lebens: die Geschichten unseres Alltags, unserer Beziehungen, Ängste und Hoffnungen, unseres Scheiterns und Neuanfangs. Bruder David Steindl-Rast beschreibt Spiritualität als eine Haltung der Wachheit und Dankbarkeit, die jeden Augenblick, auch den brüchigen oder leeren, zunächst als gegeben annimmt und ihn letztlich in den großen Bogen österlichen Vertrauens einzeichnet.
 

©privat

Kurzinterview mit Eva-Maria Melk-Schmolly:

 

 Welche Ausbildung haben Energetiker*innen?
Für die Ausübung von Energiearbeit ist kein Befähigungsnachweis erforderlich. Das ermöglicht eine breite Angebotspalette im Rahmen von „energetischer Unterstützung“, die sich jedoch außerhalb regulierter Gesundheitsberufe bewegt.

 

Wie unterscheidet sich christliche Spiritualität von Energiearbeit?
Anders als esoterisches Denken, das dazu verführen kann, primär das private Glück zu suchen und Meisterin des eigenen Schicksals zu werden, ruft ein christlicher Lebensentwurf in die unverfügbare Gegenwart und ins konkrete Tun des Guten für alle. Das Christliche führt in ein Leben des Vertrauens und der Dankbarkeit, das über sich selbst hinausgeht und sich mitverantwortlich weiß für eine gerechte Welt und für das Wohlergehen aller Menschen und Geschöpfe.

Diese und andere Probleme beleuchten Referenten und Referentinnen der Arbeitsgemeinschaft Weltanschauungsfragen in Texten der Serie "Weltanschauungsarbeit heute", die ab 29. September 2024 bis Juli 2025 läuft. Jedes Monat wird ein Text zu einem bestimmten Thema veröffentlicht. 

Teil 7: Serie "Weltanschauungsarbeit heute", eine Kooperation der Österreichischen Kirchenzeitungen und der Arbeitsgemeinschaft Weltanschauungsfragen.

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  • Eva-Maria Melk-Schmolly
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