Eine steile Treppe

Fastenserie mit Äbtissin Hildegard Brem - Teil 4
Ausgabe Nr. 10
  • Spiritualität
Autor:
Kind vor großen Stufen
Der Weg hin zum Frieden gleicht einer steilen Treppe, die es zu erklimmen gilt. ©Jukan Tateisi/unsplash.com
Hildegard Brem im Kreuzgang
Die Zisterzienserin Dr. M. Hildegard Brem (geboren 1951 in Wien) ist Äbtissin der Abtei Mariastern-Gwiggen in Hohenweiler in Vorarlberg und begleitet uns mit ihren Beiträgen zum Thema „Frieden“ durch die Fastenzeit. ©Lucas Breuer/Katholische Kirche Vorarlberg

FASTENSERIE: Entdecken Sie die Weisheiten von Äbtissin Hildegard Brem zur Kunst des inneren Friedens in einer Welt voller Oberflächlichkeit. Wie tiefe Erfüllung und Frieden aus der inneren Sehnsucht erwachsen.

Um größere Höhenunterschiede zu überwinden, benutzen wir eine Treppe.  Was einem nicht in einem Schritt gelingen kann, wird durch viele kleinere Stufen erreicht, die nacheinander erklommen werden.  Gibt es solche Stufen auch im Bemühen um den Frieden?

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Bei jeder Stellenausschreibung findet man ein Profil mit den Anforderungen, denen der Bewerber genügen muss, wenn er sich um diese Aufgabe bewerben will. Wie ist es mit den Bemühungen um Frieden und Versöhnung? Kann das ein jeder ohne Schwierigkeit und ohne besondere Vorkenntnisse tun? Oder muss man sich dafür gewisse Fertigkeiten und Fähigkeiten aneignen?

Erfahrungen eines Friedensstifters

Ich habe diese Frage unserem Ordensvater Bernhard von Clairvaux († 1153) vorgelegt, der zu seiner Zeit als Friedensvermittler zwischen streitenden Parteien, Königen, Fürsten und dem Papst sehr gefordert war und tatsächlich auch in manchen sehr heiklen Fragen eine gute und ausgleichende Lösung gefunden hat.

Er stellt uns in seinem Werk über die Bekehrung eine Stehleiter vor Augen, deren Sprossen man erklimmen sollte, wenn man einen Weg des Friedens gehen will. Er schreibt: „Es gibt den Menschen, der Frieden geschenkt erhält, der Gutes mit Gutem vergilt und – so weit es an ihm liegt – niemandem schaden möchte. Ein anderer ist geduldig. Er vergilt nicht Böses mit Bösem und hat sogar die Kraft, den zu ertragen, der im schadet. Und es gibt auch den Friedensstifter. Dieser vergilt Böses mit Gutem und ist bereit, sogar dem zu helfen, der ihm schadet. Der erste ist wie ein kleines Kind und kann in dieser Welt voller Ärgernisse nur schwer das Heil erlangen. Der zweite gewinnt durch seine Geduld das Leben. Der dritte gewinnt nicht nur sein Leben, sondern auch noch das Leben von vielen als Preis.“

Aboaktion zur Fastenserie "Frieden suchen"


Die Zisterzienserin Hildegard Brem, geboren 1951 in Wien, ist Äbtissin der Abtei Mariastern-Gwiggen in Hohenweiler in Vorarlberg und begleitet mit ihren Beiträgen zum Thema „Frieden“ durch die Fastenzeit.
 

Der SONNTAG bietet zur Serie mit Äbtissin Hildegard Brem ein spezielles Abo: 8 Wochen für 8 Euro.
 

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Ist Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, der klare, sprachgewandte und folgerichtige Aufbau dieses kurzen Textes aufgefallen? Er ist ein Meisterstück der Komposition und reizt meine mathematisch geschulten Finger richtig dazu, eine kleine Treppe aufzuzeichnen:

Stufe 1

kreativ Frieden stiften

Stufe 2

Frieden halten und Konflikte aushalten

Stufe 3

Frieden haben im eigenen Herzen, wenn alles gut geht
 

Eigene Bemühungen

Nun kommt der schwierigere Teil dieser Folge: Die Leiter will ja nicht nur betrachtet, sondern erklommen werden! Dabei können sich die meisten von uns sicher die erste Stufe gut vorstellen: Welcher freundlich gesinnte Mensch hält nicht gerne Frieden und bemüht sich darum, anderen nicht unnötig zur Last zu fallen? Dass das im täglichen Leben oft nicht ausreicht, ist uns leider nur allzu gut bekannt. Der „böse Nachbar“ lässt grüßen …

Schon viel schwieriger ist es, in einer konfliktträchtigen Situation selbst den Frieden zu bewahren und andere nicht noch mehr herauszufordern! Diese Geduld muss immer neu errungen und erkämpft werden, auch im eigenen Herzen! Eine solche Situation stellt einen ja dauernd selbst in Frage, verunsichert einen, und am Schluss weiß man oft selbst nicht mehr, was richtig und falsch ist … Und den anscheinend so berechtigten Zorn immer wieder zu unterdrücken, führt leicht zu Magenschmerzen und anderen Krankheiten. 

Wie kann man aus einem  Feind einen Freund machen? Der Blick auf Jesus zeigt uns:  Es ist die Liebe.

Schon hier braucht es ein starkes Motiv, das die Kraft zur Geduld bereitstellt. Haben Sie persönlich ein solches Motiv entwickelt? Je nach Situation kann es verschieden sein: Vertrauen, dass das Gute doch stärker ist; Rücksicht auf andere Menschen; Festhalten an einer Beziehung, die einem trotz allem wichtig ist … Für mich ist es der Aufblick zum gekreuzigten Jesus und die Vereinigung mit seiner Gesinnung.

Ich glaube, dass diese Gesinnung auch das Geheimnis der dritten Stufe ist. Wie kann einer Unfrieden und Anfeindung nicht nur ertragen, sondern überwinden und siegen? Wie kann man aus einem Feind einen Freund machen? Der Blick auf Jesus zeigt uns: Es ist die Liebe, die schöpferische Liebe, die an der Herausforderung wächst und sie schließlich überwindet. An Jesus sehen wir aber auch, dass das einen langen Atem braucht, oft keinen schnellen und sichtbaren Erfolg bringt und sich nicht erzwingen lässt. Es wird dem geschenkt, der eine solche Situation und sein ganzes Leben vertrauensvoll in die Hand Gottes legt und bei ihm Tag für Tag Kraft und Liebe schöpft.

Beten wir füreinander um einen solchen Glauben, der uns nicht nur die „Unter- und Oberstufe“, sondern auch diese „Hochschule“ des Friedensstiftens bestehen lässt! 

Hildegard Brem

Podcast mit Äbtissin Hildegard Brem


"Wer sehnt sich nicht nach Frieden?", fragt Äbtissin Hildegard Brem bei der Faschingsjause. Sie meint, dass das Thema weltpolitisch ist, denn Friede ist ein Sehnsuchtsziel. Ihre These zum persönlichen Friedensweg: "Haben wir nichts gelernt aus der Geschichte? Wer selber im Unfrieden lebt, kann keinen Frieden weiter geben."


Zum Podcast und zum Rezept
 

Die Podcast-Reihe "SONNTAGs-Jause" erscheint jeden Sonntag auf den gängigen Podcast-Plattformen wie

Autor:
  • Äbtissin Hildegard Brem
    Hildegard Brem
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