Eine Pause vom Krieg in der Ukraine
Caritas UkraineÜber 48.000 Luftalarme innerhalb von zweieinhalb Jahren wurden in der Ukraine gezählt. Können Raketen und Drohnen nicht abgefangen werden, folgen auf die Sirenen Verwüstung und Tod. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges im Februar 2022 hat die Hilfe der Caritas über vier Millionen Menschen in der Ukraine erreicht. Dabei sind die Caritas-Helfer oft selbst von den Folgen des Krieges unmittelbar betroffen. „Viele von ihnen mussten flüchten. Einige haben Angehörige verloren. Und es gibt auch Caritas-Mitarbeiter, die in diesem Krieg auf tragische Weise ums Leben gekommen sind“, so Vizepräsident der Caritas Österreich, Alexander Bodmann gegenüber der Kathpress. Auf Einladung der Österreichischen Bischofskonferenz konnten 40 Caritas-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Ukraine für zwei Wochen in Österreich eine Pause von ihrer Arbeit machen.
Die Arbeit der Caritas Ukraine im Krieg
Die Einladung der war speziell für die am schwersten belasteten Regionen aus dem Osten der Ukraine vorgesehen. Die Mitarbeiter der Caritas Ukraine aus den Oblasten Saporischschja, Cherson und Kramatorsk erholten sich vom 21. Oktober bis 1. November von den Strapazen ihrer Arbeit im magdas Hotel in Wien. Zu Allerheiligen, am 1. November, nahm die ukrainische Gruppe zum Abschluss ihres Aufenthalts am Festgottesdienst im Stephansdom teil. Unter den ukrainischen Caritas-Mitarbeitern, die in Österreich Ruhe suchten, waren auch die Programm-Managerin der Caritas Donetsk, Liubov Panteliuk und der Caritas-Direktor Donetsk, Vasyl Panteliuk, sowie Caritas-Mitarbeiter Volodymyr Rakovetskyy. Der SONNTAG hat sie zu ihrer Arbeit im Krieg befragt.
„Zu wissen, dass Menschen sterben, das ist das Härteste“
Die Caritas Donetsk kann seit zehn Jahren nicht mehr von ihrem früheren Hauptquartier aus operieren, da die gesamte Region Donetsk in russischer Hand ist. Daher arbeiten Caritas-Direktor Panteliuk und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Dnipro aus. Fünf von Vasyl Panteliuks engeren Verwandten wären bisher in die ukrainische Armee eingezogen worden, berichtete der Caritas-Direktor der kathpress. Davon sei ein Verwandter getötet und einer schwer verwundet worden. Ein Dritter werde vermisst. Die Caritas hilft den Menschen in Dnipro vor allem mit Heizmaterialen und warmen Mahlzeiten. Eine Arbeit, die im Kriegsgebiet nicht immer leicht ist, beschreibt Panteliuk: „Jede Bombe und jede Rakete, die trifft, bedeutet, dass möglicherweise jemand gestorben ist. Zu wissen, dass Menschen sterben, das ist das Härteste.“
Krieg in der Ukraine: Bombardements auf das Energiesystem
Vor allem die Bombardements auf das Energiesystems seien eine Herausforderung, so Panteliuk, die Caritas Ukraine hilft trotz der Erschwernisse, wo sie kann: „Wir helfen verschiedenen Gemeinden und Kirchengemeinden. Zum Beispiel machen wir große Lagerfeuer mit Holz, damit wir für die Leute kochen können. In unserem Gemeindegebieten geben wir den Menschen Öl und Heizmittel, damit sie heizen können. Wir arbeiten auch mit der UNO zusammen. In Dnipro und der Region um Dnipro helfen wir Kranken- und Seniorenheimen mit der Versorgung mit Nahrungsmitteln. Wir arbeiten viel mit Kindern. Da es durch die Bombardierungen zu gefährlich ist zur Schule zu gehen, findet diese nun online statt. Wir haben zahlreiche Programme für Kinder.“
„Wir müssen überleben und ich hoffe, wir erleben den Frieden“
In Dnipro versorgt die Caritas allein 185.000 Binnenvertriebene. Die Region ist durch die Nähe zum Kriegsgebiet besonders stark von Raketenangriffen betroffen, berichtet Liubov Panteliuk. Sie schätzt den Aufenthalt in Österreich und will hier Kraft tanken: „Als wir die ukrainische Grenze überschritten hatten, habe ich gefühlt, dass wir in Sicherheit sind. Ich wünschte, unsere Kinder hätten so ein Erlebnis. Es ist schwer zu erklären, was sie fühlen, wenn man es nicht sieht. Es ist bereits das dritte Jahr im Krieg. Unser Leben geht weiter, auch während dem Krieg. Wir müssen weiterleben, arbeiten und Menschen helfen. Das ist unsere Arbeit. Wir müssen überleben und ich hoffe, wir erleben den Frieden.“ Liubov Panteliuk freut sich dennoch über ein wenig Frieden in Wien. Besonders freut sich die Caritas-Managerin auf den Besuch der Wiener Oper. „Für meine Seele ist es gut, diese schöne Architektur und die netten Menschen zu treffen. Nicht nur in Wien, auch in anderen Städten. Aber momentan, in Wien sind wir der Caritas Wien sehr dankbar für diesen Aufenthalt“, so Liubov Panteliuk.
„Wir können sehen, wenn unsere Städte bombardiert werden“
Volodymyr Rakovetskyy ist Direktor der Caritas Poltava im Nordosten der Ukraine - einem besonders stark betroffenem Gebiet: „Die Region Poltava ist die Nachbarregion von Charkiw, die Opfer vieler Bombardements ist. Wir sehen, dass in unserer Region viele Binnenflüchtlinge von der Region Charkiw und Sumy kommen.“ Auch Rakovetskyy schätzt die Ruhe in Wien, auch wenn seine Gedanken bei der Heimat sind: „Wir haben ein Gefühl von Sicherheit in Wien. Es gibt keinen Bombenalarm hier. Aber wir haben das Alarm-Programm noch immer auf unserem Handy. Wir können also sehen, wenn unsere Städte bombardiert werden.“ Neben einer Stadtführung gab es für die Caritas-Kollegen aus der Ukraine einen Besuch im Belvedere und in der Oper, sowie Ausflüge nach Göttweig und Klosterneuburg, berichtet Leiterin der Pfarrcaritas, Katharina Renner: „Wir haben hier eine Gruppe von Kolleginnen und Kollegen, die seit über zwei Jahren im Dauerstress sind und wir wollen ihnen zwei Wochen eine schöne Zeit gönnen.“ Laut Renner seien noch weitere vier bis fünf solcher Erholungsaufenthalte für Kollegen geplant.
Information zu den Interviews
Die Interviews mit den ukrainischen Caritas-Mitarbeitern wurden auf Englisch geführt. Dabei übersetzte eine Caritas-Mitarbeiterin für ihre Kollegen vom Ukrainischen ins Englische. Wir haben die Interviews für Sie dann in die deutsche Sprache übersetzt.