Ein Hirtenwort zur Flucht
Vorschlag zu Kardinal Schönborn/Nr. 26Von der Botschaft des Evangeliums her sollen wir grundsätzlich offen sein für Fremde und Flüchtlinge. Die Gastfreundschaft und die Aufnahmebereitschaft für Fremde ist eine wesentliche Tugend. Die Verweigerung der Aufnahmebereitschaft ist sündhaft. Die Flüchtlinge kommen immer mehr aus Krisengebieten und auch aus Ländern, wo Hunger und materielle Not herrscht. Seine eigene Heimat zu verlassen und ins Ungewisse aufzubrechen, gehört sicher zum Schwersten, das es in einem Menschenleben gibt. Wenn alle Menschen nach christlichem Verständnis Schwestern und Brüder sind, dann sollen wir grundsätzlich die Bereitschaft haben, Flüchtlinge aufzunehmen. Wenn aber manche Politikerinnen und Politiker nur bereit sind, solche Ausländerinnen und Ausländer hereinzulassen, die wir in der Wirtschaft brauchen, für Gastronomie, Baugewerbe, Erntearbeit, Pflege und andere Bereiche, dann ist das keine Gastfreundschaft, sondern Egoismus. Die Aufnahme von durch Armut und Krieg bedrohten Flüchtlingen soll gelebte Nächstenliebe sein. Wenn die Nächstenliebe in Österreich nicht mehr gelebt wird, dann steuern wir einer traurigen Zukunft entgegen.
Das Hauptmotiv für die Aufnahme soll nicht sein, weil wir sie brauchen, sondern weil wir diesen armen Menschen helfen möchten. Das Hauptmotiv ist internationale Solidarität. Sicher darf auch die Frage gestellt werden, ob das Boot voll ist. Es ist uns bewusst, dass wir nicht unbegrenzt Flüchtlinge aufnehmen können. Die Frage, ob das Boot voll ist, sollen und dürfen wir nur stellen, wenn wir schon große und spürbare Opfer für Flüchtlinge gebracht haben. Dass manche Flüchtlinge so wie auch Österreicherinnen und Österreicher bei uns kriminell werden, das ist nicht die zentrale Frage in der Flüchtlingsproblematik. Die zentrale Frage ist die Aufnahmebereitschaft und die Frage, ob wir im Sinn der gelebten Liebe bereit sind, für die Flüchtlinge persönliche Opfer auf uns zu nehmen. Sicher wäre es auch uns Bischöfen lieber, wenn wir eine gerechtere und freundlichere Welt hätten, wo die Menschen nicht mehr fliehen müssen. Leider haben wir weltweit ein Wirtschaftssystem, das die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandertreibt. Leider gibt es auch noch immer Kriege auf der Welt und die Menschen haben noch nicht gelernt, Konflikte ohne Waffen zu lösen. Unsere Vision aber muss es sein, an einer gerechteren und friedlicheren, auch an einer ökologischeren Welt mitzuarbeiten, an einem gesunden Klima, damit die kommenden Generationen nicht aus ökologischen Gründen fliehen müssen. Es ist und bleibt die Aufgabe für jeden Christen und jede Christin, an einer Welt mitzuarbeiten, in der niemand mehr flüchten muss.
Der Kommentar drückt die persönliche Meinung des Autors aus!