Ein Gebet, das Himmel und Erde verbindet
Was wir der Kirche verdankenRund um die Uhr erklingt in den katholischen Gottesdiensten auf allen Kontinenten das „Sanctus“. Die „Vorlage“ findet sich in einem 2.700 Jahre alten biblischen Text, den wir dank der Kirche noch heute singen und beten dürfen.
Wem ist immer sofort bewusst, dass fast in jedem Augenblick Tag für Tag weltweit in den katholischen Eucharistiefeiern das „Sanctus“ gesungen wird – also von null bis 24 Uhr, in New York genauso wie in Wien oder in Tokyo? Der Text des „Sanctus“ lautet auf Deutsch so: „Heilig, heilig, heilig. Gott, Herr aller Mächte und Gewalten. Erfüllt sind Himmel und Erde von deiner Herrlichkeit.Hosanna in der Höhe. Hochgelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn. Hosanna in der Höhe.“ Oftmals wurden diese wenigen Zeilen von den größten und berühmtesten Komponisten der Musikgeschichte, von Wolfgang Amadeus Mozart über Ludwig van Beethoven bis hin zu Franz Schubert, in ihren „Messen“ vertont. Wer weiß aber auf Anhieb, dass sich im biblischen Buch Jesaja (6,3) die „Vorlage“ dazu findet? „Und einer rief dem anderen zu und sagte: Heilig, heilig, heilig ist der HERR der Heerscharen. Erfüllt ist die ganze Erde von seiner Herrlichkeit“, heißt es bei diesem wichtigen alttestamentlichen Propheten.
Ein alter Text, so lebendig wie damals
„Es gibt in der ganzen Welt keine Institution, die Derartiges aufzuweisen hat: einen Text, der aus dem 8. Jahrhundert v. Chr. stammt und der noch heute so lebendig ist wie damals – und zwar international in der ganzen Welt, in unzähligen Gemeinden“, schreibt der renommierte Neutestamentler Gerhard Lohfink in seinem empfehlenswerten Buch „All meine Quellen entspringen in dir. Große Bibeltexte neu erkundet“.
Auch wir stehen vor dem heiligen Gott
„In jeder unserer Eucharistiefeiern geschieht das, was damals im 8. Jahrhundert v. Chr. bei Jesaja geschehen ist: Wir stehen vor dem heiligen Gott“, führt Lohfink aus. Ganz abgesehen vom hohen Alter dieses biblischen Textes – 2.700 Jahre – steckt im „Sanctus“ allerdings noch viel mehr, erklärt der Neutestamentler: „Das Sanctus ist ja der bekennende Lobpreis der Engel um den Thron Gottes. Wenn die Kirche es wagt, diesen Lobpreis in ihrem Gottesdienst anzustimmen, will sie damit sagen: In dem Augenblick, in dem sich die irdische Gemeinde versammelt und Gott für seine Taten preist, sind Himmel und Erde verbunden. Das Gotteslob der Gemeinde verschmilzt mit dem Gotteslob der Engel. Der Himmel ist dann schon mitten unter uns. Die irdische Liturgie der Kirche verbindet sich mit der himmlischen Liturgie.“ Was gibt es also Größeres und Besseres als den Lobpreis Gottes? Denn wir stehen, wenn wir das „Sanctus“ erklingen lassen, „mit einem Fuß in der Ewigkeit, denn die Ewigkeit ist nichts anderes als reine Preisung Gottes zusammen mit vielen anderen“, unterstreicht Lohfink.