Dompfarrer Toni Faber ganz persönlich
„Meine wichtigste Aufgabe ist, Menschen beizustehen“Seit 23 Jahren zeichnet Toni Faber als Dompfarrer für die Geschicke der Dompfarre St. Stephan verantwortlich. Er sagt, es ist eine Aufgabe, die in ihm ein Gefühl von Dankbarkeit hervorruft: „Mit großer Freude, mit großer Hingabe, mit all dem, was mich erfüllt, dass wir aus diesem pulsierenden Zentrum der Stadt die ganze Stadt mit Leben versorgen dürfen.“ Toni Faber ist Wegbegleiter im ersten „radio klassik Stephansdom-Stadtbummel“, der Menschen aus Kirche und Gesellschaft an ihre Orte mit ihren Themen begleitet. Die erste Sendung hören Sie am Samstag, 21. November, um 14 Uhr. Im SONNTAG bringen wir Auszüge aus den teils sehr persönlichen Themen des „Stadtbummels“ im und um den Stephansdom.
Wenn Sie den Dom als Dompfarrer jeden Tag sehen, wie nehmen Sie ihn wahr?
TONI FABER: Wenn ich vom Curhaus, vom Pfarrhaus die Schwelle über die Südturmhalle überschreite, dann weiß ich, hier bin ich in einem heiligen Raum, der mir viel Kraft, viel Energie verleiht. Das nehme ich jeden Tag neu wahr.
Vor wenigen Wochen konnte endlich die neue Riesenorgel geweiht werden. Kann man sich den Dom überhaupt ohne diese Orgel vorstellen?
TONI FABER: Die Riesenorgel war ein lang angestrebtes Ziel. Über zehn Jahre haben die Vorbereitungsarbeiten gedauert, die letzten drei Jahre ganz intensiv. Alle haben mitgemacht, damit hier ein Nationaldenkmal wieder vervollständigt wird, so wie es damals nach dem Krieg war.
Werden Sie am Stephansplatz oft persönlich angesprochen? Erkennt man Sie als Dompfarrer?
TONI FABER: Natürlich. Es wäre sehr schlecht, wenn ich nicht erkannt werden würde. Durch die ganze Innenstadt weiß ich mich seit vielen Jahrzehnten getragen, von großer Sympathie der Menschen, von einer wunderbaren Gelegenheit, hier das Leben zu befördern. Es ist meine erste und wichtigste Aufgabe, Menschen beizustehen, sie wirklich zu ermutigen, aufzurichten in den großen Höhen und Tiefen des Lebens.
Wie sind Sie in der Innenstadt unterwegs?
TONI FABER: Zu Fuß und mit den Öffis. Ich habe auch ein Fahrrad, mein Auto steht in einer Garage am Schwedenplatz. Das nehme ich nur zu Fahrten für weiter weg.
Wir sind im Dom in der Katharinenkapelle. Warum ist sie Ihr Lieblingsort?
TONI FABER: Weil ich hier in den letzten 30 Jahren über 2.500 Kinder getauft habe. Es ist mein Lieblingsarbeitsplatz. Es ist wunderbar, an diesem so geerdeten Punkt, der über uns die Turmspitze als mahnenden Fingerzeig Gottes aufweist, Menschen willkommen zu heißen in der Gemeinschaft der Kirche. Ihre Familien, ihre Eltern, Großeltern, Urgroßeltern, die Geschwister, alle fühlen sich hier zu Hause.
Dieses Jahr hat Corona alles verschoben, auch die Spendung von Sakramenten. Wie gehen Sie damit um?
TONI FABER: Bis zum zweiten Lockdown konnten wir Taufen, Hochzeiten, Firmung und Erstkommunionen feiern. Da war ich sehr froh, dass wir Leben gestalten und feiern konnten. Das ist der Grundbegriff von Kirche.
Wie geht es Ihnen als Priester, vorne zu stehen? Die Menschen blicken auf Sie ja als Vorbild?
TONI FABER: Ich bin mir bewusst, dass ich das Vollbild dieses Vorbildes nicht erreichen kann, sondern in manchen menschlichen Schwächen hier auch um Barmherzigkeit nicht nur vor Gott, sondern auch vor den Menschen bitten muss. Gleichzeitig weiß ich mich getragen von einem vielfältigen Dank, der mir entgegenkommt, von der Anerkennung, von dem Lob.
Bereiten Sie sich speziell vor, wenn Sie als Dompfarrer die Heilige Messe feiern oder schütteln Sie das quasi aus dem Ärmel?
TONI FABER: Bei all der Routine versuche ich immer ganz genau, mich persönlich auf jedes Hochzeitspaar, jede Taufe, jede Erstkommunion, jede Heilige Messe einzustellen. Nichts wäre schrecklicher, als wenn Menschen den Eindruck bekommen, der Pfarrer macht das nur aus Routine. Es macht mir auch sehr viel Freude, wenn Menschen dann rückmelden: Herr Pfarrer, das war keine 0815-Messe, sondern es war ganz persönlich für uns. Natürlich sind große Ereignisse mit kleiner Aufregung verbunden. Das Niki Lauda-Begräbnis hat natürlich mehr Lampenfieber verursacht, wenn die gesamte Formel 1 vor einem in der Kirche ist, als wenn das die altbekannten Gesichter sind, bei denen ich mich wohlfühle und zuhause fühle, die mich kennen, die ich kenne.
Zu etwas Persönlichem. Sie hatten in den vergangenen Jahren immer wieder gesundheitliche Probleme. Mittlerweile geht es Ihnen wieder sehr gut, Gott sei Dank. Was lernt man denn in einer solchen Phase?
TONI FABER: Sehr viel Demut, sehr viel Dankbarkeit, nichts ist selbstverständlich. Gerade das Leben, die Gesundheit, die Unbeschwertheit sind nicht selbstverständlich, dafür jeden Tag neu Danke zu sagen und zu beten. Hoffentlich kann ich diese Gelegenheit, dieses Geschenk meines Lebens, meiner Gesundheit, so gut verwenden wie es Gottes Wille ist.
Haben Sie Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus?
TONI FABER: Nein. Ich lasse Vorsicht walten und habe Respekt vor jedem anderen, möchte ihn nicht gefährden und mich selbst nicht. Kardinal König hat mit 95 Jahren auf die Frage gesagt, ob er Angst vor dem Sterben hat: Nein, dieses Datum meines Todes ist das einzige Gewisse in meinem Leben, alles andere ist noch ungewiss. Warum sollte ich davor Angst haben? Was es heißt, diese Lebenszeit vorher zu nützen, erzeugt in mir wirklich eine positive Spannung, mich gut für andere einzusetzen.
Corona hat auch Auswirkungen auf den Stephansdom, es gibt kaum Touristen. Was bedeutet das?
TONI FABER: Finanziell geht es dem Stephansdom zurzeit sehr schlecht. Über drei Millionen Euro haben wir an Einkommensverluste in diesem Jahr schon zu verzeichnen. Das ist eine schreckliche Situation, die ein bisschen dadurch gemildert wird, dass wir in den letzten Jahren gut gewirtschaftet und Vorsorge getroffen haben.
Sie sind als Dompfarrer auch Manager für den Stephansdom. Was bedeutet das?
TONI FABER: Viel dafür beizutragen, dass unsere Unternehmen mit 80 angestellten Mitarbeitern funktionieren, dass die Ehrenamtlichen motiviert werden, dass wir Besucher empfangen können. Da braucht es viele tüchtige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mich als Dompfarrer dabei unterstützen, dass ein Werk wie der Stephansdom auch gut weiterläuft.
Sie stammen aus dem 23. Bezirk und sind im Gemeindebau groß geworden. Wie sind Sie für den Glauben geprägt worden?
TONI FABER: Meine Eltern waren Katholiken und haben mich auch taufen lassen in der Pfarrkirche Rodaun. Dort bin ich dann als Jungscharkind und Ministrant hineingewachsen und habe eine neue Familie kennengelernt. Meine Herkunftsfamilie ist leider zerbrochen, da sich meine Eltern scheiden haben lassen. So habe ich mit meinen Geschwistern in der Pfarre eine ganz neue, viel größere Gemeinschaft kennengelernt und meine Liebe zur Liturgie entwickelt.
Trotz dieser Erfahrungen ist die Entscheidung, dass Sie einmal Priester werden, noch nicht als Jugendlicher gereift. Sie haben eine Zeitlang auch als Skilehrer gearbeitet.
TONI FABER: Im Priesterseminar habe ich mir gedacht, das wäre doch gut, meine Liebe zum Skifahren auch ein wenig zu üben. Ich bin als Skilehrer in der minderen Stufe geprüft worden, so dass ich als Gymnasiallehrer auch Skilehrer sein konnte. Die letzten Jahrzehnte war ich immer über Silvester Skilehrer und Skiseelsorger am Arlberg in Sankt Christoph im Hospiz.
Gab es bei Ihnen das klassische Berufungserlebnis?
TONI FABER: Ja, ein Erlebnis der Krankheit, wo es ums Leben ging, wo mir eine Ärztin gesagt hat, vielleicht haben Sie nur mehr zwei oder drei Jahre zu leben und wo ich mich in diesem Schmerz, in dieser Auflehnung von Gott angesprochen fühlte. Du weißt jetzt, dass dein Leben begrenzt ist, nütze es.
Die priesterliche Berufung brachte aber als Konsequenz den Verzicht auf Familie mit sich. Wie ging es Ihnen damit?
TONI FABER: Es war natürlich nicht selbstverständlich, auf Familie zu verzichten. Als ich meiner Freundin gesagt habe, ich überlege Priester zu werden, fragte sie: „Ist dir überhaupt bewusst, dass du damit auch auf Familie, Frauen, Kinder verzichten musst? Daran hatte ich nicht so direkt gedacht und konnte mich dann ein Jahr lang darauf einstellen und sagen, wenn Gott mich ruft, ist alles andere zweitrangig. Aber es hat sich ausgezahlt. Ich musste auf nicht so viel zu verzichten, als was man gemeinhin annimmt. Ich wünsche jedem Ehemann, jeder Familie, so eine Fülle zu haben, wie ich sie erlebe. Und ich wünsche jedem, der dieses Glück nicht hat, auch diese Fülle zu leben.