Dom Museum Wien: Wie sich Kunst dem Tod annähert
Ehre dem VergänglichenDie deutsche Künstlerin Sybille Loew hat für die Ausstellung „Sterblich sein“ im Dom Museum in Wien 200 Stoffschildchen gestaltet. Auf ihnen hat Loew in stundenlanger Handarbeit Namen, Sterbedatum und Lebensalter von Wienerinnen und Wienern gestickt, die im Jahr 2022 einsam und ohne Angehörige beigesetzt wurden. Loews berührende Rauminstallation begegnet den Besucherinnen und Besuchern der Ausstellung schon im Treppenhaus des Dom Museums.
Mit der Sonderausstellung über „den unausweichlichsten Bestandteil jeder Existenz“ setzt das Dom Museum Wien seine Auseinandersetzung mit Grundkonstanten des menschlichen Lebens fort. Das Thema sei zumutbar, eine Auseinandersetzung notwendig. Direktorin Johanna Schwanberg will der Bedeutung unseres Sterblichseins im individuellen wie auch im kollektiven und gesellschaftspolitischen Kontext nachspüren. „Intime, persönliche Ansätze werden genauso beleuchtet wie die öffentliche, politische Rolle des Sterbens und die Auseinandersetzung damit“, teilte sie anlässlich der Eröffnung der Ausstellung mit.
Wutgebete aus der Ukraine
In gewohnter Tradition spürt das Museum dem Thema der Schau durch die Gegenüberstellung von historischen und zeitgenössischen Kunstwerken nach. So treffen im ersten Raum eine lindenhölzerne „weinende Maria“ des Barockbildhauers Giovanni Giuliani (aus der Kunstsammlung des Stiftes Heiligenkreuz) und das eindrucksvolle Bildnis „Ce n’est qu’un au revoir“ (dt.: „Es ist nur ein Auf Wiedersehen“) des 1995 geborenen französisch-senegalesischen Künstlers Alexandre Diop aufeinander. Die kontrastreiche Gegenüberstellung ermöglicht aus gläubiger Perspektive Hoffnung auf ein Wiedersehen nach dem Tod – ein Quäntchen Trost in der Schau, von dem das Publikum noch etwas mehr gebrauchen hätte können.
Das Plakatmotiv der Ausstellungen stammt von Günter Brus: „Junger Tod“ verbildlicht als beeindruckend schlichtes Aquarell, dass der Tod stets mitten im Leben weilt. Das Haupt einer eleganten, schlanken Person hat hier etwas Totenkopfartiges. Zu sehen ist das Werk im Raum, der unter dem Thema „Dagegen anzeichnen“ steht. Hier schwebt auch die witzige Skulptur „Blindflug“ von Manfred Erjautz über den Köpfen des Publikums – ein vier Meter langes, aus aneinandergehängten Knochen bestehendes Aluminium-Skelett, dessen Knochenhand die Augenhöhlen verdeckt (Bild oben).
Die ukrainische Künstlerin Olia Fedorova stellte dem Dom Museum Wien zwei Stoffflächen zur Verfügung, auf denen sie in Charkiw während des russischen Angriffskrieges „Wutgebete“ schrieb – einer von mehreren Aktualitätsbezügen zu gegenwärtigen todbringenden Ereignissen.
Viele hochkarätige Kunstschaffende sind in der von Johanna Schwanberg und Klaus Speidel ambitioniert kuratierten Schau vertreten, darunter Arnulf Rainer, Alfred Kubin, Maria Lassnig, Ferdinand Hodler, Albin Egger-Lienz u. v. a. Spannend wäre in dem an sakralen Schätzen und liturgischen Geräten reichen Museum bei diesem Thema auch eine Beleuchtung der Sterbesakramente gewesen, die in früheren Zeiten bis ins Detail durchritualisiert und feierlich den Moment des Todes umrahmten und so Halt und Trost boten.
Die Ausstellung „Sterblich sein“ läuft bis 25. August 2024.