Die Wiener Kirchenzeitung und ihr Neubeginn

1945 bis 2020: Mutig in die digitale Welt
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Redaktion Wiener Kirchenzeitung
Die Redaktion Ende der 1980er Jahre in der Strozzigasse in Wien 8. Von rechts: Praktikantin Andrea Brückner, Ingeborg Schödl, Josef Bauer, Susanna Jauker, Elvira Groiss, Leopold Mayr und Wolfgang Linhart ©Archiv Der SONNTAG

Auch nach dem 2. Weltkrieg durchlebte die altehrwürdige Wiener Kirchenzeitung zahlreiche Höhen und Tiefen, wechselnde Chefredakteure und -redakteurinnen versuchten sie mit verschiedenen Formaten und Layouts so attraktiv wie möglich zu präsentieren.

Mit der Zusage der Besatzungsmächte, ab Mitte Oktober wieder Papier für eine Höchstauflage von 100.000 Exemplaren einmal wöchentlich mit einem Umfang von acht Seiten zu genehmigen, startete das Wiener Kirchenblatt am 21. Oktober 1945 mit der ersten Nachkriegsausgabe. Die erste Zeit war voll des Bangens, ob die gelieferte Papiermenge ausreicht, denn die Nachfrage war weit größer als die relativ kleine Auflage. Und tatsächlich kam es im Herbst 1945 zu Engpässen, mehrmals konnte das Kirchenblatt unter der Leitung von Prälat Jakob Fried nicht erscheinen. Von Anfang an wurde das Kirchenblatt in der Druckerei Herold in der Spiegelgasse 8 in Wien-Josefstadt hergestellt, in der bis 1938 auch das christlichen Tagblatt „Die Reichspost“ erschienen war.

Die Redaktion hingegen war damals im Haus Ecke Weihburggasse/Seilerstätte untergebracht, wo sich heute „missio“ befindet. Hier war ab 1947 auch die erste Buchhandlung des neu gegründeten Wiener Domverlages. Ab 1948 konnte der Umfang bereits auf 12 bzw. 16 Seiten erweitert werden, auch der Verlag legte zu, eröffnete weitere Buchhandlungen und brachte in den Jahren darauf an die 50 Buchtitel heraus.

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Erstmals unter weltlicher Leitung

Im Mai 1959 legte der inzwischen 74jährige Prälat Jakob Fried Geschäftsführung und Schriftleitung des Kirchenblattes zurück, ihm folgte der Geistliche Dr. Franz Gstaltmeyr als Herausgeber und für den Inhalt verantwortlich. Ab 1961 übernimmt das erzbischöfliche Ordinariat die Agenden des Herausgebers und erstmals sind zwei Laien für den Inhalt zuständig: Dr. Martin Riedlinger, der später zur „Neuen Bildpost“ nach Deutschland wechselte und diese fast 30 Jahre lang als Chefredakteur leitete, und Jaro Kaspar, der Vater des Priesters, Musikers und Schriftstellers Peter Paul Kaspar.

Von Beginn an standen auch die jeweiligen Erzbischöfe hinter der Zeitung: Nach Kardinal Theodor Innitzer ab 1956 Kardinal Franz König, später auch die Kardinäle Hans Hermann Groër und Christoph Schönborn. 1964 wurde – als erster Schritt einer Umsetzung der Intentionen des 2. Vatikanischen Konzils – aus dem kleinformatigen „Kirchenblatt“ eine großformatige „Kirchenzeitung“, die im März 1965 mit Walter Raming ein neuer Chefredakteur übernahm. In seine Zeit fiel u.a. die Einstimmung auf die Wiener Diözesansynode, die in drei Sessionen bis 1971 tagte. Ihm folgte 1970 Dr. Anton Fellner, der davor zusammen mit dem damaligen Erzbischof-Koadjutor Franz Jachym als dem Präsidenten der Synode wesentlich an der Verwirklichung der Ergebnisse des Zweiten Vatikanischen Konzils auf der Ebene der Ortskirche beteiligt war. Bereits fünf Jahre später übernahm er die Abteilung „Religion“ im ORF und machte den Weg frei für den Theologen und ehemaligen Pfarrer von Apetlon im Burgenland, Josef Bauer, der nach seiner Laisierung bereits seit 1967 für die Kirchenzeitung tätig war. (Er sollte die Wochenzeitung der Erzdiözese 26 Jahre lang bis 1993 leiten.)

Am Computer ins Medienzeitalter

In den Achzigerjahren ging es rasch ins neue Medienzeitalter. Fotos stellten kein zeitaufwendiges Problem mehr dar, Korrekturen konnten rasch vorgenommen werden – und entsprechende Sparmaßnahmen griffen Platz: Es gab keine Setzer mehr, keine Korrektoren: die Kirchenzeitungs-Redakteure und nun auch Redakteurinnen waren nun mehr oder weniger für die Gesamtgestaltung bis zum Druck verantwortlich. Anfangs wurden die Manuskripte noch mit Satzcodes versehen, um sie maschinell einlesen zu können. Die im Lichtsatz gefertigten Textspalten wurden dann ebenso wie die gerasterten Fotos von einem "Metteur" im "Klebeumbruch" zu ganzen Seiten gestaltet. Doch ab 1990 hielt der Computer trotz heftigem Widerstand endgültig Einzug in die Redaktion. Nun wurde die Berichterstattung aus den Pfarren deutlich ausgebaut und es standen immer öfter gesellschaftspolitische Themen im Vordergrund. Trotzdem sollte jede Leserin und jeder Leser sich im Blatt wiederfinden. Die „Kinderkirchenzeitung“ war gleich nach dem Krieg zu einem Mitdruck im Blatt geworden aber in den 1970er Jahren eingestellt worden - jetzt folgten Familienseiten, später eine Jugendseite. Allerdings sank die Auflage ähnlich der Zahl der Messbesucher kontinuiertlich und fiel Anfang der 1980er Jahre bereits unter 60.000 Stück.

Eine Zeit der Hoffnung

Der Katholikentag 1983, der zum Zeitpunkt des ersten Besuches von Johannes Pauls II. in Österreich stattfand und unter dem Motto „Hoffnung“ stand, war einer der bestvorbereiteten überhaupt. Monatelang vorher hatten bereits breit angelegte Arbeitstagungen mit bestens informierten Teilnehmenden und hohem Niveau begonnen. Dazu kam eine Vielzahl von „Dekanatskatholikentagen“ vor Ort, bei denen die Gläubigen auf die bevorstehende Veranstaltung eingestimmt wurden. Und die Kirchenzeitung war immer mit dabei und berichtete aktuell von den Treffen. Mit dem Leopolditag 1984 wechselte die Kirchenzeitung – mit einem neuen, frischen Layout – zum „größeren Kleinformat“ mit 24 Seiten. Eine neue Hochdruckmaschine für die Tageszeitung „Die Presse“ übertragen aus der Schweiz angekauft, ermöglichte die Formatumstellung. Zugleich war es nun möglich, das Blatt durchgehend mit einer Schmuckfarbe und fallweise auch mit einem vierfärbigen Coverbild zu drucken. Es gab eine eigene Familienseite, einen „Jugendcorner“, einen Fortsetzungsroman, ein Kreuzworträtsel, ...

Scharfer Gegenwind

Doch Chefredakteur Bauer, der sich stets „seiner geliebten Kirche“ verpflichtet fühlte und auch kritische Themen mutig in seinen Kolumnen ansprach, stieß beim liberalen Klerus zusehends auf Ablehnung. Bald hatte sich die Wiener Kirchenzeitung den Ruf der „konservativsten Kirchenzeitung Österreichs" eingehandelt. Die Auflage sank unter 45.000 Stück, dazu kam, dass nach Kardinal König ab 1986 der Benediktinerpater Hans Hermann Groër die Geschicke der Erzdiözese leitete. Besonders stark wurde der „Gegenwind“ im Zuge der drei Plenarsitzungen des Wiener Diözesanforums (1990, 1991 und 1992). So bot Bauer aus Loyalität dem neuen Kardinal seinen Rücktritt an, den dieser 1993 annahm. Ihm folgte als erste Frau in der Chefredaktion Marie-Theres Hemberger, davor Innenpolitikredakteurin der Presse und so wie Redakteur Robert Ziegler ebenfalls Mitglied bei der katholischen Gemeinschaft "Neokatechumenaler Weg". Nun war der Computer das alleinige Werkzeug der Redaktion. Jeder Redakteur bzw. jede Redakteurin gestaltete ihre Zeitungsseiten selbst am PC, die Fotos wurden gescannt, bearbeitet, in die Seiten eingebaut und die kompletten Seiten per Telefonleitung an die Druckerei geschickt - was mit den alten 14,4 k-Modems oft mehrer Stunden dauern konnte.

Ab 20. Juni 1993 wechselte die Wiener KirchenZeitung wieder ihr Kleid. Mit neuem Layout, verkleinertem Format, weil die Druckerei von Hoch- auf Offsetdruck umgestellt hatte, was die Druckqualität deutlich verbesserte, und neuen Rubriken wie einer Kinderseite. Außerdem wechseltete die Schmuckfarbe jeweils nach den liturgischen Farben. In der Folge beschäftigte der Dialog für Österreich, ein Gesprächs- und Diskussionsprozess um brennende Themen, über Jahre die Kirche in Österreich. Die „Wiener KirchenZeitung“ dokumentierte als einzige österreichische Kirchenzeitung in einer Sonderbeilage die Schlussveranstaltung in Salzburg mit allen Abstimmungsergebnissen. - Eine der schwierigsten Zeiten durchlebte die Wiener KirchenZeitung in den Monaten nach dem März 1995. Zwischen Angriffen auf die Kirche und dem – angesichts schwerwiegender Vorwürfe konsequent durchgehaltenen – Schweigen des Erzbischofs musste die Zeitung einen eigenen, der Wahrheit und der Kirche verpflichteten Weg suchen und finden.

Eine harte Bewährungsprobe

Eine harte Bewährungsprobe hatte die Kirchenzeitung zu bestehen, als in der Erzdiözese unter dem neuen Erzbischof Christoph Schönborn vom Leiter der Medienstelle Wolfgang Bergmann 1997 zwei Gratiszeitungen ins Leben gerufen wurden, neben denen Medienexperten der Kaufzeitung kaum Chancen eingeräumten (die Auflage fiel innerhalb weniger Monate von 45.000 auf knapp 25.000 Stück). Denn im Monatsrythmus, allerdings jeweils um zwei Wochen versetzt, erschienen nun der „Dialog“ mit einer Auflage bis zu 800.000 Stück für alle katholischen Haushalte der Erzdiözese Wien und das Mitarbeitermagazin „thema_kirche“ mit einer nur wenig geringeren Auflage wie jene der Kirchenzeitung. – Doch es sollte anders kommen. Nach knapp sechs Jahren wurde der „Dialog“ wieder eingestellt, weil die Versandkosten nicht mehr zu finanzieren waren, und „thema_kirche“ wanderte ins Internet ab. Was blieb war die „alte Tante KirchenZeitung“, wenn auch mit großen finanziellen Herausforderungen. Zeitgerecht zum 150-Jahr-Jubiläum 1998 hatte man versucht, mit einer erneuten größeren Reform gegenzusteuern: Das Zeitungsformat wurde noch etwas kleiner, gedruckt wurde nun durchgehend vierfärbig, sie erhielt einen durchgezogenen gelben Zeitungskopf und ein neues Layout, das der bekannte deutsche Zeitungsgrafiker Norbert Küpper entwarf.

Der neue Name "Der SONNTAG" ist auch Programm

Nach dem dritten Papstbesuch in Österreich vom 19. bis 21. Juni 1998 erneuter Wechsel in der Chefredaktion der „Wiener KirchenZeitung“: Von November 1998 bis Juli 1999 leitet Erich Leitenberger - zugleich Leiter der Medienstelle der ED-Wien und der katholischen Presseagentur – übergangsweise die „Wiener Kirchenzeitung“. Mit 1. August 1999 übernimmt Elvira Groiss die Chefredaktion.

Im Jahr 2004 folgt ein weiteres Aggiornamento. Die Zeitung der Erzdiözese wählte einen Namen, der gleichzeitig „Programm“ ist und den Blick auf Gott und das Wohl des Menschen lenkt: „Der SONNTAG“. Die Auflage des „SONNTAG“, der vorwiegend in den Pfarren verkauft wird, steht aber weiter in engem Zusammenhang mit der Zahl der am Sonntag Messe Feiernden – gibt es eine „Hoch-Zeit“, wie Stadtmission, Mitteleuropäischer Katholikentag oder Papstbesuch, steigt sie.

Nach 35 Jahren bei der Kirchenzeitung, 15 davon als Chefredakteurin, ging Elvira Groiss 2013 in Pension. Ihr folgte der Pressesprecher und Leiter des Amtes für Öffentlichkeitsarbeit der Erzdiözese Wien, Michael Prüller, nach, bis im Herbst 2016 der bislang jüngste Chefredakteur Michael Ausserer mit dem Schwerpunkt „Zeit für meinen Glauben“ das Ruder übernahm.

Autor:
  • Wolfgang Linhart
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