Die Weiträumigkeit der Liebe

Ausgabe Nr. 1
  • Die Kirche und ich
Autor:
Finger auf Computertastatur
©iStock

Ein Satz wird von Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI. in Erinnerung bleiben: „Denn der eigentlichste Gottesdienst der Christen ist die Liebe.“

Wäre ich das entsprechende Komitee, hätte ich ja schon längst dem nun verstorbenen Joseph Ratzinger den Nobelpreis für Literatur verliehen. Was kristall­klare Sprache betrifft, gibt es kaum wen, der dem Theologen, Bischof und Papst nahekommt. Ein Text, der es mir besonders angetan hat, ist sein Referat aus dem Jahr 1966 am Katholikentag in Bamberg über die Kirche nach dem Konzil.

Werbung

Man findet dort alles, wofür er stand: die Leidenschaft dafür, das Wesentliche freizulegen. Und die Sorge darum, dass das Wesentliche bleibt und bestärkt wird. So mischt sich in die Verteidigung des Konzils die Warnung, das Kind nicht mit dem Bade auszugießen. Im Besonderen auch in der Liturgie, wo der damalige Theologieprofessor vor zu viel „Gestaltung“ mahnt: „Man hat leider nicht selten das Gefühl, daß die Aufmerksamkeit der Gestaltenden viel mehr der liturgischen Form zugewandt ist als demjenigen, dem sie gilt ...  Ein Weniger an Bewusstheit wäre ein Mehr an Gottesdienst.“

Am Ende sagt er dann: „Es gibt ein Gesetz der Kontinuität, das nicht ungestraft übertreten wird.“ Und anhand der Liturgiereform spricht er von dem nötigen „hohen Maß an innerkirchlicher Toleranz, die den nüchternen Namen für die christliche Liebe in diesem Bereich darstellt.“ Und sein Fazit scheint mir zeitlos zu sein: „Dass es daran oft nicht wenig fehlt, ist wohl die eigentliche Krise der liturgischen Erneuerung bei uns. Das Einander-Ertragen, von dem Paulus spricht; die Weiträumigkeit der Liebe, von der bei Augustin die Rede ist – sie allein können den Raum schaffen, in dem christlicher Gottesdienst zu wahrer Erneuerung zu reifen vermag. Denn der eigentlichste Gottesdienst der Christen ist die Liebe.“

Autor:
  • Michael Prüller
Werbung

Neueste Beiträge

| Soziales
Stresstest Dezember

Advent und Weihnachten als besinnliches Fest der Liebe – oft trifft das heute nicht mehr zu: Denn Konsumwahnsinn, Mental Load, Diskussionen in der Familie und Stress überlagern die Idylle. Was tun, wenn der Dezember zum Weihnachts-Chaos wird?

| Leben
Gut gespeist

Weihnachten – das ist, neben vielem anderen – auch das Fest der kulinarischen Traditionen. Aber was macht das Weihnachtsessen eigentlich gar so besonders? Eine Spurensuche mit Ernährungspsychologin Simone Ebner.

| Österreich
Weihnachtsmagazin

Der SONNTAG präsentiert sein erstes Magazin. Ab dem 24. November, Christkönig, können Sie spannende Artikel rund um das Thema Advent und Weihnachten in unserem Magazin oder online lesen. Hier eine Übersicht.