Die Sehnsucht und der verlorene Sohn
Die Notoperation des Papstes hatte zuerst gar nicht gut ausgesehen (und auch den Hirtenhund zum Knurren gebracht – siehe Seite 24). Nun dürfte es Gott sei Dank wieder bergauf gehen. Aber als alles noch beunruhigend war, hat mein Kopf schon angefangen, über die Auswirkungen auf meine Arbeit nachzudenken: ein Konklave mit unserem Kardinal, mitten in unser aller geplantem Sommerurlaub. Endlose Medienanfragen davor und danach. Und was ist mit der Bischofssynode im Herbst? Und mit dem Bischofswechsel in Wien? Noch gehen wir ja ganz entspannt davon aus, dass der nicht vor Ende 2024 sein wird. Aber mit einem neuen Papst? Wieder einmal ist mir bewusst geworden, wie ungewiss die Zukunft ist, wie schnell alle Planungsannahmen Makulatur sein können. Gerade auch in der Kirche, wo alles auf Einzelpersonen ruht.
Alt werdend, sehne ich mich immer mehr nach einem Zustand, in dem das Unvorhergesehene keine Macht über meinen Lebensgang hat. Eine Zeit, in der ich alles im Griff habe, auch die ungewisse Zukunft. Mich bestürzt das ein wenig – bisher habe ich nichts mehr geliebt als plötzlich hereinbrechende neue Umstände, die schnelle, beherzte Reaktionen erheischen. Tolle Herausforderungen also.
Und manchmal frage ich mich, ob eine Bitte, ein Gebet um ereignislose Zeiten, um einen Dauerzustand der Ruhe und der unherausgeforderten Gelassenheit nicht dasselbe ist wie die Bitte des (dann) verlorenen Sohns an den Vater: Zahl mir mein Erbe aus, vorzeitig, bevor es eigentlich so weit wäre! Und ob es nicht weiser wäre, solche Zeiten gar nicht in dieser Welt zu erhoffen, sondern weiter geduldig in den sturmumtosten Ruinenfeldern unserer Pläne und Vorfreuden zu hausen. Weil das eben unser Los hier ist, bis unser Herz ruht in Gott. Aber dann ...