Die moderne Kunst und der geheimnisvolle Ursprung der Sieben Todsünden
Ausstellung in KremsDie Sieben Todsünden bewegen und beschäftigen auch in einer säkularisierten Welt. Hochmut, Habgier, Wollust, Zorn, Völlerei, Neid und Trägheit sind auch heute im Zusammenleben in einer vielfältigen Gemeinschaft immer noch aktuell. Die Kunsthalle Krems versammelt für ihre aktuelle Ausstellung „7 Todsünden. Aktuelle Kommentare“ die Werke internationaler und österreichischer Kunstschaffender, Autorinnen und Autoren.
„Die sieben Todsünden regen zum Nachdenken über den Umgang mit moralischen Setzungen an und wie wir sie für uns interpretieren. Die Ausstellung bietet sinnliche Erlebnisse voller Diversität, verhandelt aber auch den moralischen Kanon als Impuls, über die eigene Haltung zu reflektieren“, erklärt der Kurator der Ausstellung, Andreas Hoffer.
Habgier und Gewalt der Drogenkartelle
In ihrer Installation „Blowback/The Power“ von 2022 zeigt etwa Teresa Margolles ein silbrig glänzendes Abendkleid auf einer Kleiderpuppe vor dunklem Hintergrund. Erst bei näherer Auseinandersetzung mit der Luxus-Robe wird deutlich: Alle Strasssteine auf dem rechten Ärmel sind Glassplitter von Autoscheiben, die von einer Massenschießerei in Mexiko stammen. Am sogenannten Schwarzen Donnerstag, dem 18. Oktober 2019, scheiterte die mexikanische Nationalgarde im Kampf gegen ein mächtiges Drogenkartell – für Teresa Margolles ein Zeichen von Habgier und exzessiver Gewalt.
Die 13 eingeladenen Künstlerinnen und Künstler gingen frei und assoziativ an das Thema heran. Zu sehen sind Videos, Textcollagen, Fotografien und Gemälde u. a. von Jonathan Meese, Christa Biedermann, Ádám Dallos, Nathalie Djurberg & Hans Berg, Dan Perjovschi, Nedko Solakov. Literarische Beiträge stammen u. a. von Herta Müller, Juri Andruchowytsch und Michael Stavaric. Texte zu den Todsünden können im letzten Raum, dem „Gedankenraum“, via Kopfhörer angehört und reflektiert werden.
Sünden schwirren im geschichtslosen Raum
Was der Ausstellung abgeht, ist der kulturhistorische Hintergrund, der bei den Sieben Todsünden umfassend, spannend und vielfältig wäre. Das Konzept der Sieben Todsünden gehört dem immer noch in vielen Bereichen christlich geprägten kollektiven Gedächtnis an. Dass aus diesem Universum, dem einst Breugel, Bosch und Dürer angehörten, nicht geschöpft wurde, ist schade. Zu groß könnte die Scheu gewesen sein, mit dem Begriff „Sünde“ in die Nähe der in früheren Zeiten moralpredigenden Kirche zu geraten. Auch eine Betrachtung des Wandels der Bedeutung der Sieben Todsünden findet daher nicht statt.
Woher kommen die Sieben Todsünden?
Das Konzept der Todsünden geht auf Euagrios Pontikos (345–399) zurück, der als Mönch Ende des 4. Jahrhunderts in der ägyptischen Wüste lebte. Pontikos beobachtete das Leben der Einsiedler und erkannte Gefahren, die deren Askese bedrohten. Er nannte diese „oktologismoi“, acht böse Gedanken, die den Mönchen von Dämonen eingeflüstert würden. „Neid“ gab es in dieser Liste noch nicht, dafür aber Ruhmsucht und Trübsinn. Johannes Cassianus (360–435) überlieferte die Laster etwas abgewandelt weiter in den Westen. Papst Gregor der Große (540–604) stellte schließlich die heute bekannten Sieben Todsünden zusammen. Dieses Konzept richtet sich seither an alle Gläubigen. Dass der Mensch seine Grundbedürfnisse erfüllt, wird nicht in Abrede gestellt, es gilt Unordnung, Maßlosigkeit, Vernunftlosigkeit zu vermeiden. Zahlreiche literarische Werke (etwa Ecos „Der Name der Rose“), Kunstwerke und Kompositionen, Filme sowie aktuelle Thriller-Reihen (z. B. Arne Dahls „Gier“) greifen das Konzept auf.