Die Kirche als politische Kraft
HirtenhundDass die Kirche Massen bewegen, ja mobilisieren konnte, ist schon eine ganze Weile her.
Historische Macht des Gebets
Vor 75 Jahren zählte der „Rosenkranz Sühnekreuzzug“ über eine halbe Million Mitglieder. Mit „Sturmgebeten“ und „Bußgängen“, an denen über 30.000 Menschen teilnahmen – die politischen Spitzen inklusive –, gelang es, die bösen Kommunisten, ja, „den Russen“ insgesamt quasi über den Haufen zu beten. Die Gottesmutter persönlich führte in dieser Lesart die welken Hände der Politik bei der Unterzeichnung des Staatsvertrags 1955.
Gebet: Die anhaltende Kraft der Gebetsgemeinschaft
Heute zählt die Gebetsgemeinschaft für den Frieden noch immer rund 300.000 Mitglieder. Einige tausend davon werden am Wochenende im Stephansdom zur traditionellen Maria-Namen-Feier zusammenkommen. (Der SONNTAG hat angekündigt.) Noch immer gibt es also eine veritable „Gebetsmasse“, die man mobilisieren könnte. Leider kam aber irgendwann der böse Russe als praktischer, generaldämonischer Gegenspieler abhanden (auch wenn er sich gerade wieder als solcher aus dem kühlen Grab erhebt). Seither wird eher generell für den Frieden gebetet. Was nicht schaden kann.
Gebet als Suche nach Friedensstrategien
Aber was angesichts der näher rückenden Kriege zugleich keine vollständig aufgehende Strategie zu sein scheint. Vielleicht braucht es ein neues Verständnis von Frieden. Wenn man etwa die Sorge um den sozialen, ja politischen Frieden zum Ziel machte, könnte ein laues Lobpreis-Lüftchen vielleicht wieder zum stürmenden Gebet werden.
Herausforderungen und Aufrufe
Dann müsste man natürlich auch den Mut aufbringen, Ross und Reiter zu nennen, unter denen der soziale Frieden leiden könnte. Auch wenn das ein Pater aus Stift Lilienfeld ganz anders sieht und wahlwerbend für eine Partei aufgetreten ist. Nanana, agitiert der Köter da etwa politisch ...? Nein, er regt nur jene noch verbliebenen kirchlichen Kräfte an, sich ganz im Sinne des „Mariazeller Manifests“ von 1952 als „freie Kirche in einer freien Gesellschaft“ zu verstehen und die Zusammenarbeit mit allen Menschen zu suchen, „die gewillt sind, mit der Kirche für den wahren Humanismus, für ‚Freiheit und Würde des Menschen‘ zu kämpfen“.
Blick in die Zukunft
Und also gegen jene aufzustehen, die dies ablehnen. Ob es dann nach der Wahl wie 1955 eine Dankesfeier auf dem Heldenplatz geben wird, bleibt abzuwarten. Damals sagte Bundeskanzler Raab, die „Macht des Glaubens“ habe „dem österreichischen Volk die moralische Stärke gegeben, in härtester Zeit durchzuhalten, ohne einen Fingerbreit von seinem eingeschlagenen Weg abzugehen“. Wenn das auch nach dem 29. September ein Weg des sozialen Friedens und der Humanität bleibt, würde ich solchen Worten glatt zustimmen.