Maria von Magdala

Apostolin und Powerfrau
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Christus und Maria von Magdala
Christus und Maria von Magdala ©picturedesk.com

Maria von Magdala – auch Maria Magdalena genannt – ist vermutlich eine der umstrittensten Personen in der Bibel. Oft als Sünderin, Prostituierte oder Liebhaberin Jesu verunglimpft wurde sie als erste Zeugin der Auferstehung erst in den letzten 50 Jahren als „Apostelin der Apostel“ rehabilitiert und Papst Franziskus hat 2016 ihren Gedenktag am 22. Juli zu einem Festtag aufgewertet. Immerhin war sie es, die Jesus auf seinem Weg zum Kreuz begleitet hatte – bis zum Moment seines Todes.

Maria von Magdala kennen viele nur als schillernde Figur. Viel ist dieser Frau im Nachhinein angedichtet worden. Sie wurde von Papst Gregor I. mit der Sünderin im Lukasevangelium gleichgesetzt, man unterstellte ihr eine Liebesbeziehung zu Jesus und die männerdominierte Kirche des Mittelalters stempelte sie gar als ehemalige Prostituierte ab.

Entsprechend regte sie durch viele Jahrhunderte die Phantasie der bildenden Künstler an. Es gibt kaum ein Gemälde, auf dem sie nicht mit offenem Haar als büßende Sünderin dargestellt ist. – Dabei wissen wir aus der Bibel selbst nur wenig über die Frau aus Magdala, die sich der Nachfolgegemeinschaft um Jesu anschloss: Sieben Dämonen soll Jesus ihr ausgetrieben haben. Dann finden wir sie unter dem Kreuz, später am leeren Grab und natürlich hat sie ihren großen Auftritt als erste Zeugin des Auferstandenen.

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Wie müssen wir uns die historische Maria aus Magdala und ihr Lebensumfeld vorstellen?

Andrea Taschl-Erber: Sie war wohl eine starke Frau. Von ihrer Herkunft aus Magdala auf ihre Vermögensverhältnisse zu schließen, lassen die Texte nicht zu. Man könnte spekulieren, ob sie sich als Frau aus urbanem Milieu von den Jüngern abgehoben hat, die in ländlichem Umfeld gelebt haben und Fischer waren. Offenbar schloss sie sich allein der Bewegung um Jesus an, ein Schritt, der Frauen zur Zeit Jesu nicht ohne Weiteres möglich war. Aus heutiger Sicht würde man sie wohl als „emanzipierte“ Gesprächspartnerin bezeichnen. Eine Frau, die sich von der Jesus-Bewegung etwas erhofft hat, Jesu Botschaft der Auferstehung mit anderen Frauen mutig weitergetragen hat, während die Männer aus Angst vor der Kreuzigung geflohen sind.

Was ist für Sie als Theologin das Faszinierende an Maria Magdalena?

Dass diese Frauenfigur, die in der schönen Ostermorgengeschichte – im Johannesevangelium alleine, in den anderen Evangelien in einer Frauengruppe verortet – als Erste den Auftrag erhält, vom Auferstandenen zu erzählen. Sie wird von ihm gesendet – das bedeutet, eine Apostelin zu sein. Im Mittelalter erhielt sie den festen Ehrentitel „Apostelin der Apostel“. Die Evangelientexte zeigen uns, dass Frauen in dieser Anfangszeit der entstehenden Gemeinden eine wichtige Rolle spielten. Außer Maria, der Mutter Jesu, ist Maria von Magdala die Einzige, die in allen vier Evangelien genannt wird. Das heißt, sie dürfte eine bedeutende Frau im Umfeld Jesu gewesen sein, eine wichtige Nachfolgerin und Jüngerin. Nach der Passion, nach der Krise des Karfreitags, wo alles verloren schien, geht die Jesus-Bewegung mit ihrer Verkündigung weiter.

Weiß man, ob sie alleinstehend war?

Auffällig ist, dass sie nicht als die Ehefrau des …, die Tochter des …, die Schwester des … oder die Mutter des …, genannt wird, wie wir es bei vielen anderen Frauen im Neuen Testament ganz typisch haben. Aber wir wissen nichts über ihren Familienstand. Es ist eine auffällige Lücke und könnte bedeuten, dass sie sich von ihrer Familie getrennt hat, um sich Jesus anzuschließen. Das muss aber nicht bedeuten, dass sie alleinstehend gewesen wäre. Wir wissen nicht einmal, wie alt sie damals gewesen ist. Man hat aufgrund der Kunstgeschichte immer diese junge schöne Frau vor Augen, aber sie könnte auch eine Generation älter als Jesus gewesen sein.

Wie erfahren wir mehr über sie, wenn die Bibel so wenig Anhaltspunkte bietet?

Ergänzende Hinweise über ihre Bedeutung im frühen Christentum liefern so genannte „Apokryphen“, das sind Schriften, die nicht in den biblischen Kanon aufgenommen wurden. Wichtige Texte mit großer Aussagekraft sind unter anderem gnostische Schriften wie das Maria Magdalena-Evangelium und das Evangelium des Philippus, die so genannte „Pistis Sophia“. Viele Schriften wurden erst erst ab Ende des 19. Jahrhunderts in Ägypten entdeckt und im Laufe des 20. Jahrhunderts editiert und übersetzt. In etlichen der darin enthaltenen Dialoge zwischen Maria Magdalena, Jesus und den anderen Jüngerinnen und Jüngern zeigt sich ihre Bedeutung als Gesprächspartnerin Jesu. Laut diesen Texten hat Maria von Magdala eine völlig andere Rolle inne, als das kirchlich tradierte Bild ihr zuschreibt. Mit diesen Schriften und ihrer wissenschaftlichen Aufarbeitung eröffneten sich auch neue Möglichkeiten, um sich mit der Figur Maria Magdalenas eingehender zu befassen und sie eventuell in einem anderen Licht zu sehen.

So spielt Maria von Magdala in apokryphen Schriften eine zentrale Rolle im Kreis der Jüngerinnen und Jünger. Sie wird als interessierte Zuhörerin und Gesprächspartnerin beschrieben, die sich auch provokante Fragen zu stellen traut. Im Evangelium nach Maria Magdalena ermuntert sie beispielsweise die anderen dazu, die Lehre Jesu hinauszutragen. Wiederholt führt sie Diskussionen mit Petrus, der ihre Redezeit und ihre Rolle als Lehrerin einschränken möchte.

Warum wurde sie zur Sünderin?

Das ist das Ergebnis einer über die Jahrhunderte gewachsenen Auslegungsgeschichte. Durch die Verschmelzung verschiedener biblischer Frauenfiguren ist ein Bild von ihr konstruiert worden, das nicht ganz zufällig bestimmten Interessen diente. Die grundsätzliche Frage lautete: Wenn gilt, dass Frauen schweigen sollen, wie es in Briefen des Paulus und seiner Schüler steht, warum sind Frauen die Ersten gewesen, denen Jesus einen Verkündigungsauftrag gab? Das ist ein fundamentaler Widerspruch, der sich aus den neutestamentlichen Texten selber ergibt. Es wurde in der Folge der Sündenfall ins Spiel gebracht – Eva als die Sünderin schlechthin und generell Frauen als Sünderinnen. Dieses Muster ist dann auf die Frauen am Ostermorgen übertragen worden: Weil „die Frau“ etwas wiedergutzumachen hätte, erschien ihr Jesus als Erster.

Gibt es einen Ausweg?

Ein historisch fundierter Rehabilitationsversuch geht von der feministischen Theologie aus. Denn als Apostelin wurde Maria bereits im 3. und 4. Jahrhundert von Kirchenvätern wie Hippolyt und Hieronymus bedacht, ehe die Nachwelt ihren Ruf erheblich schmälerte. Mit ihr könnte die über fast zwei Jahrtausende verdrängte weibliche Seite des Christentums wieder zu einer partnerschaftlichen Kirche erweckt werden.

Autor:
  • Wolfgang Linhart
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