Die erhitzte Plastikweltkugel

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Die Gäste der Podiumsdiskussion.
Elisabeth Schindegger (war Hebamme in Angola), Marcus Wadsak (ORF), Peter Püspök (Erneuerbare Energie) und Verena Winiwarter (Umweltgeschichte BOKU) sind die Gäste der Podiumsdiskussion „Ist uns das alles nicht zu viel?“, die in der Kirche St. Johann Nepomuk von Anja Appel (KOO/Bischofskonferenz) moderiert wird. ©Judith Ebner-Winkler
Ein Plakat in der Kirche St. Johann Nepomuk.
Ein Plakat in der Kirche St. Johann Nepomuk. Wie dringend, die sozial-ökologische Umkehr ist, wird in der Podiumsdiskussion angesprochen. ©Judith Ebner-Winkler
Engerlhimmel  Pfarrmosaik Nr. 49/2023
In der Inzersdorfer Pfarrkirche St. Nikolaus (Wien 23) schweben seit dem 2. Dezember hunderte von Engerln. Kinder des St. Nikolaus-Kindergartens, Erstkommunionkinder, aber auch Erwachsene aus der Pfarre haben in den letzten Wochen Engerl gebastelt, die den ganzen Advent und in der Weihnachtszeit in der Kirche hängen.
©Judith Knell

Klimawandel und Ukraine-Krieg, aktuelle Krisen, die nicht weit weg geschehen und auch Auswirkungen auf das eigene Leben haben. Durch die Flut an negativen Nachrichten entsteht ein Gefühl der Überforderung. Die Podiumsdiskussion in der Kirche St. Johann Nepomuk greift diese Überforderung auf und stellt im Rahmen der Langen Nacht der Kirchen die Frage: „Ist uns das alles nicht zu viel?“.

„Diese Erde gibt es kein zweites Mal und die wird gerade kaputt gemacht“, sagt der ORF-Wettermoderator Marcus Wadsak und zeigt dabei auf eine Plastikweltkugel. Es ist still. Nach diesen Worten beginnt das Publikum zu klatschen. Neben Marcus Wadsak nimmt auch die Hebamme Elisabeth Schindegger, der Unternehmer der Erneuerbaren Energie Peter Püspök und die Umwelthistorikerin Verena Winiwarter an der Podiumsdiskussion teil. Moderiert wird die Veranstaltung von Anja Appel, KOO der Bischofskonferenz. Der Klimawandel ist eine der multiplen Krisen unserer Zeit und stellt eine Bedrohung für Mensch und Natur dar. Diese Ansicht teilt Papst Franziskus und greift die Enzyklika “Laudato si (2015)“ auf.

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Für eine grüne Welt

Die Enzyklika spricht mit ihrer Botschaft jeden einzelnen Menschen an. Es geht darum, Verantwortung für die Schöpfung zu übernehmen. Die Hebamme Elisabeth Schindegger erwähnt: „Es ist normal, durch die multiplen Krisen in eine Schockstarre zu fallen, doch jeder von uns braucht eine Aufgabe, wo er oder sie etwas bewirken kann, das hilft gegen die Ohnmacht.“ Mit der Podiumsdiskussion stellen sich Leute der Realität. Dafür gibt es Applaus. Eine wissenschaftliche Tatsache ist, dass 2023 das wärmste Jahr der Aufzeichnungen war und jeder Grad der Erderwärmung einen Unterschied macht. „Wir sind süchtig nach fossiler Energie, so wie ein Mensch süchtig nach Heroin sein kann“, betont die Umwelthistorikerin Verena Winiwarter. Darauf geht der Unternehmer im Bereich der erneuerbaren Energie, Peter Püspök, ein: „Der Entzug ist das Allerschwerste, auch in der fossilen Energie. Es wird aber kein Weg an erneuerbare Energie vorbeigehen“.

Angst vor dem Nachbarn

„Wir leben in einer militarisierten Gesellschaft,“ so Verena Winiwarter. Eine Besucherin vor Beginn der Podiumsdiskussion: „Ich habe Angst, dass der Krieg zu uns kommen wird.“ Seit dem 24. Februar 2022 herrscht in der Ukraine Krieg. Der seither 10.000 Todesopfer forderte. Die Hoffnung auf ein Kriegsende ist groß.  Die Moderatorin geht auf das Publikum zu, schnell gehen einige Hände in die Höhe. Ein Zuseher fragt: „Wie kann Friede gelingen, wenn ich einen aggressiven Nachbarn habe, der nicht aufhört zu kämpfen?“ Die Umwelthistorikerin Verena Winiwarter: „Frieden bedeutet, dass keine Menschen mehr sterben. Dafür lohnt es sich einzustehen.“ Weiter erwähnt sie: „Deshalb muss so lange immer wieder über Frieden gesprochen werden, bis es für plausibel gehalten wird, dass Frieden erreicht werden kann. Der Weg dazu sind Verhandlungen.“ Am 15. und 16. Juni widmet sich eine Konferenz in der Schweiz der Frage, wie ein langfristiger Frieden zwischen der Ukraine und Russland hergestellt werden kann. Die Ukraine nimmt teil – ihr Nachbar Russland nicht.

Hoffnung trotz allem

„Es gibt nichts Beständigeres als die Unbeständigkeit“, so Marcus Wadsak. Ein Diskussionsteilnehmer geht mit seiner Frage auf die Vertrauenskrise ein. Marcus Wadsak: „Früher haben wir mit Fakten diskutiert, heute diskutieren wir über sie.“ Elisabeth Schindegger, die ein Jahr als Hebamme in Angola gearbeitet hat, geht auf die Unterschiede in der Krisenbewältigung der Länder ein: „In Angola halten die Menschen zusammen.“ Sie vergleicht die multiplen Krisen mit einer Geburt, wo durch das “Tal der Tränen“ gegangen werden muss. „In dieser Situation erleidet die Frau die Schmerzen in der Hoffnung, dass es gut ausgehen wird.“ Anja Appel greift diese Hoffnung auf und fragt die Diskutanten: „Was gibt Ihnen Hoffnung in der krisenreichen Zeit?“ Die Zuseherinnen und Zuseher sehen gespannt nach vorne. Der Kerzenschein am Altar wirft einen violetten Schatten. „Ich bin da, um mit einer neuen Hoffnung nach Hause zu gehen,“ so eine Besucherin vor Beginn der Podiumsdiskussion. „Der Glaube ist das Einzige, was mich trägt und mir Hoffnung gibt, egal was auch passieren wird“, äußert sich ein Besucher, bevor er die Kirche betritt. Vorne geht das Mikrofon zuerst an Peter Püspök: „Es gibt viele junge Menschen, die etwas bewegen.“ Verena Winiwarter: „Es kann sich wieder etwas verbessern, weil sich auch in der Vergangenheit Krisen gewandelt haben.“ Die Podiumsdiskussion ist zu Ende. Viele Besucherinnen und Besucher gehen an der Plastikweltkugel vorbei. Neben ihr stehen einige Kerzen, die einen großen Schatten auf die Erde werfen.

Autor:
  • Judith Ebner-Winkler
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