Die Enzykliken des Papstes
Der schreibende Papst
Eine „Enzyklika“ ist ein Rundschreiben des Papstes, das eine hohe, aber nicht unfehlbare Lehr- entscheidung eines Papstes darstellt. Mit dem Schreiben „Ubi primum“ hatte Papst Benedikt XIV. (1740–1758) die lange Reihe der Enzykliken eröffnet. Seit damals erschienen mittlerweile mehrere hundert solcher päpstlicher Rundschreiben. Die meist lateinischen Anfangsworte der päpstlichen Lehrschreiben werden gleich auch als Titel des jeweiligen Dokuments betrachtet. Die berühmteste Ausnahme: der Titel der Enzyklika „Mit brennender Sorge“ aus dem Jahr 1937 – damals schrieb Pius XI. über die Gefährlichkeit des Nationalsozialismus. Diese ganze Enzyklika wurde gleich auf Deutsch verfasst. Welche Lehrschriften hat uns nun Papst Franziskus hinterlassen?

Lumen fidei“ – Enzyklika zweier Päpste
Am 29. Juni 2013 erschien wenige Wochen nach dem Beginn des Pontifikats von Papst Franziskus seine erste, relativ kurze und leicht zu lesende Enzyklika „Lumen fidei“ („Das Licht des Glaubens“). Sie war allerdings eine Enzyklika zweier Päpste. Denn Benedikt XVI. hatte 2012 noch an einer Enzyklika über den Glauben gearbeitet. Franziskus hatte den vorhandenen Entwurf Benedikts XVI. für die Glaubensenzyklika um einige Abschnitte ergänzt. Ganz nach Papst Franziskus klingen solche Sätze wie: „Das Licht des Glaubens lässt uns nicht die Leiden der Welt vergessen. Für wie viele Männer und Frauen des Glaubens waren die Leidenden Mittler des Lichts. So der Leprakranke für den heiligen Franz von Assisi oder für die selige Mutter Teresa von Kalkutta ihre Armen. Sie haben das Geheimnis verstanden, das in ihnen zugegen ist.“ Und: „Der Glaube ist nicht ein Licht, das all unsere Finsternis vertreibt, sondern eine Leuchte, die unsere Schritte in der Nacht leitet, und dies genügt für den Weg.“

Laudato si’“ – das gemeinsame Haus
Die auf den 24. Mai 2015 datierte Sozial- und Umweltenzyklika „Laudato si’ – Über die Sorge für das gemeinsame Haus“ von Papst Franziskus beginnt mit den Worten aus dem „Sonnengesang“ des heiligen Franz von Assisi: „,Laudato si’, mi’ Signore – Gelobt seist du, mein Herr‘, sang der heilige Franziskus von Assisi. In diesem schönen Lobgesang erinnerte er uns daran, dass unser gemeinsames Haus wie eine Schwester ist, mit der wir das Leben teilen, und wie eine schöne Mutter, die uns in ihre Arme schließt: ,Gelobt seist du, mein Herr, durch unsere Schwester, Mutter Erde, die uns erhält und lenkt und vielfältige Früchte hervorbringt und bunte Blumen und Kräuter.‘“ „Diese Schwester schreit auf wegen des Schadens, den wir ihr aufgrund des unverantwortlichen Gebrauchs und des Missbrauchs der Güter zufügen, die Gott in sie hineingelegt hat“, schreibt Papst Franziskus. Er nennt dabei Krankheitssymptome des Bodens, des Wassers und der Luft. Die Armen seien von dieser Ausbeutung und Zerstörung der Erde am stärksten betroffen. Und Papst Franziskus erklärt auch, warum er sich nach dem Heiligen aus Assisi benannte: „Ich nahm seinen Namen an als eine Art Leitbild und als eine Inspiration im Moment meiner Wahl zum Bischof von Rom. Ich glaube, dass Franziskus das Beispiel schlechthin für die Achtsamkeit gegenüber dem Schwachen und für eine froh und authentisch gelebte ganzheitliche Ökologie ist. Er ist der heilige Patron all derer, die im Bereich der Ökologie forschen und arbeiten, und wird auch von vielen Nichtchristen geliebt.
Er zeigte eine besondere Aufmerksamkeit gegenüber der Schöpfung Gottes und gegenüber den Ärmsten und den Einsamsten. Er liebte die Fröhlichkeit und war wegen seines Frohsinns, seiner großzügigen Hingabe und seines weiten Herzens beliebt. Er war ein Mystiker und ein Pilger, der in Einfachheit und in einer wunderbaren Harmonie mit Gott, mit den anderen, mit der Natur und mit sich selbst lebte. An ihm wird man gewahr, bis zu welchem Punkt die Sorge um die Natur, die Gerechtigkeit gegenüber den Armen, das Engagement für die Gesellschaft und der innere Friede untrennbar miteinander verbunden sind.“ Ein Kernsatz von Papst Franziskus lautete: „Die Welt ist ein freudiges Geheimnis, das wir mit frohem Lob betrachten.“ Zugleich beklagt er die Umweltverschmutzung und die Wegwerfkultur. Angesichts der fortschreitenden Erderwärmung sei es notwendig, den Lebensstil zu ändern. Der Papst plädiert für eine ökologische Erziehung und Spiritualität. Er beklagt den Konsumismus und setzt auf eine tiefgreifende Änderung der Lebensstile. Mit seiner Sozial- und Umweltenzyklika „Laudato si’“ hat Papst Franziskus mit der Schöpfungsverantwortung und Ökologie der katholischen Soziallehre noch ein längst überfälliges Thema hinzugefügt.

Fratelli tutti“: Geschwisterlichkeit
Einen Appell für mehr Geschwisterlichkeit und für die soziale Freundschaft richtete Papst Franziskus mit seiner am 3. Oktober 2020 veröffentlichten Sozialenzyklika „Fratelli tutti“ an „alle Menschen guten Willens“. Die Enzyklika trägt den Untertitel „Über die Geschwisterlichkeit und die soziale Freundschaft“. Angeregt dazu wurde der Papst unter anderem vom ägyptischen Großimam Ahmad Al-Tayyeb, einem weltweit führenden Islam-Gelehrten. Franziskus empfiehlt, nach dem Vorbild des heiligen Franziskus andere Menschen unabhängig von Herkunft oder sozialer Zugehörigkeit in freundschaftlicher Offenheit „anzuerkennen, wertzuschätzen und zu lieben“. Wer meine, die globalen Probleme nach der Corona-Krise mit den alten Systemen lösen zu können, der sei „auf dem Holzweg“. Beim Umgang mit Konflikten mahnt der Papst eine Stärkung der Vereinten Nationen an und fordert die Unterordnung nationaler Interessen unter das globale Gemeinwohl. Die dritte Enzyklika von Franziskus richtet sich mit einem gendersensiblen Titel ausdrücklich auch an Frauen.
In der deutschen Fassung lautet er „Fratelli tutti – über die Geschwisterlichkeit und die soziale Freundschaft“. Im Vorfeld wurde um eine sensible Übersetzung des Wortes „fratellanza“ (wörtlich: „Brüderlichkeit“) gerungen. Im weiteren Verlauf des Textes hat „Geschwisterlichkeit“ die „Brüderlichkeit“ an den meisten Stellen verdrängt. In seinem Rundschreiben warnt der Papst vor schädlichen Auswirkungen der weltweiten digitalen Vernetzung. Diese allein genüge nicht, „um Brücken zu bauen“, schreibt Franziskus. Sie sei „nicht in der Lage, die Menschheit zu vereinen“. In einem weiteren Abschnitt der Enzyklika lobt er zwar das Internet für die Möglichkeiten zur Begegnung, es müsse aber ständig überprüft werden, ob die heutigen Formen der Kommunikation „tatsächlich zu einer großherzigen Begegnung“ führen. Franziskus plädiert für ein „Zusammentreffen von Angesicht zu Angesicht“. Denn die virtuelle Nähe im Netz sei nur eine scheinbare. Und der Papst skizziert auch echte Kommunikation: „Es bedarf der körperlichen Gesten, des Mienenspiels, der Momente des Schweigens, der Körpersprache und sogar des Geruchs, der zitternden Hände, des Errötens und des Schwitzens, denn all dies spricht und gehört zur menschlichen Kommunikation.“

„Dilexit nos“: das Herz Jesu
Am 24. Oktober 2024 veröffentlichte Franziskus seine vierte und letzte Enzyklika mit dem Titel „Dilexit nos“ („Er hat uns geliebt“) – eine Enzyklika über die menschliche und göttliche Liebe des Herzens Jesu“. Der Papst verweist auf das reiche religiöse Erbe der Herz-Jesu-Frömmigkeit im Laufe der Christentumsgeschichte, die die unmittelbare Erfahrung der Liebe Jesu als Quelle des Glaubens und der tätigen Nächstenliebe betont. Franziskus will „wieder vom Herzen“ sprechen, denn „wir bewegen uns in Gesellschaft von Serienkonsumenten, die in den Tag hineinleben und von den Rhythmen und dem Lärm der Technologie beherrscht werden, ohne viel Geduld für die Prozesse, die die Innerlichkeit erfordert“. Die Betrachtung des Herzens sei kein „religiöser Romantizismus“. Denn, so Franziskus: „Wir müssen zum Wort Gottes zurückkehren, um einzusehen, dass die beste Antwort auf die Liebe seines Herzens die Liebe zu unseren Brüdern und Schwestern ist; es gibt keine größere Geste, die wir ihm anbieten können, um seine Liebe mit Liebe zu erwidern.“ Und der Papst betont: „Das christliche Lebensmodell ist attraktiv, wenn es ganzheitlich gelebt und zum Ausdruck gebracht werden kann: nicht als bloße Zuflucht in religiöse Empfindungen oder in prunkvolle Rituale. Was wäre das für ein Dienst an Christus, wenn wir uns mit einer individuellen Beziehung begnügen würden, ohne Interesse daran, den anderen zu helfen, so dass sie weniger leiden und besser leben?“ Der Papst sieht mit dieser Enzyklika eine Verbindung mit seinen beiden Sozialenzykliken „Laudato si’“ und „Fratelli tutti“: „Denn, wenn wir aus dieser Liebe schöpfen, werden wir fähig, geschwisterliche Bande zu knüpfen, die Würde jedes Menschen anzuerkennen und zusammen für unser gemeinsames Haus Sorge zu tragen.“