Die Entdeckung der Salome-Höhle

Bibel und Archäologie
Ausgabe Nr. 7
  • Weltkirche
Autor:
Lampen in der Salome-Höhle
Im Hof vor der Salome-Höhle wurden Lampen aus dem 8. bis 9. Jahrhundert nach Christus gefunden. ©Israel Antiquities Authority
Vorhof der Salome-Höhle
Der 350 Quadratmeter große Vorhof war mit Mosaikböden. ©Israel Antiquities Authority
Karl-Heinz-Fleckenstein und Hanan
Voller Stolz zeigte Hanan Karl-Heinz Fleckenstein die Replika einer Tontafel von Ninive, auf der das erste Mal der Name Lackisch auftaucht. ©Privat
Fundstücke bei der Salomehöhle
Aufgefunden Architekturteile und ein frühchristliches Baptisterium. ©Karl-Heinz Fleckenstein
Salome-Höhle ist eine Grablege
Die Grabanlage aus der Zeit des Zweiten Tempels. ©Israel Antiquities Authority
Der Archäologe Zvi Firer
Der Archäologe Zvi Firer von der israelischen Altertumsbehörde erklärt die Bedeutung des außerordentlichen Fundes. ©Israel Antiquities Authority
Ausgrabungen im Vorhof der Salome-Höhle.
Ausgrabungen im Vorhof der Salome-Höhle. ©Emil Aladjem, Israel Antiquities Authority
Die Inschrift auf der Tafe ist der heiligen Salome gewidmet.
Die Inschrift „Zacharia Ben Kerelis", gewidmet der heiligen Salome in der Höhle ist ein Beweis für das Grab der Salome. ©Israel Antiquities Authority

Ende 2022 rauschte eine sensationelle Nachricht durch die israelischen Medien: Im Wald von Lachish, 57 Kilometer von Jerusalem entfernt, wurde die 2.000 Jahre alte Salome-Höhl" aus der Zeit des Zweiten Tempels freigelegt.

Salome wird als zweite Hebamme von Jesus im apokryphen Jakobusevangelium genannt. Ein erster Besuch bei der noch nicht öffentlich zugänglichen Höhle, die in der Frühkirche ein christlicher Wallfahrtsort war.

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Als mich meine Frau Louisa auf diese Nachricht aufmerksam machte, schlug in mir das Archäologen-Herz höher. Es brauchte keine großen Worte der Überzeugung, da bot sich auch schon unsere Tochter Mirjam an, uns  zu der Salome-Höhle im Lachish Forest zu fahren.

Folgt mir einfach. Ich bringe euch dorthin.

Moschav Lachish

Da wir wussten, dass der Ausgrabungsort für die Öffentlichkeit noch nicht zugänglich war, standen wir am Eingang zum Nationalpark wie der „Ochse vor dem Berg“. Am Eingang des Moschav Lachish hielt Louisa einen uns entgegenkommenden Geländewagen an. Sie fragte den etwas verblüfften Fahrer nach dem Ausgrabungsort der Hebamme von Jesus. Plötzlich kam ein Lächeln der Erkenntnis über den Mann. „Warten Sie“, sagte er, „ich rufe Hanan an, der ein Hobby-Archäologe ist und alles über die Ausgrabungen von Lachish weiß. Ich fahre euch voraus. Folgt mir einfach. Ich bringe euch dorthin.“
 

Salome

Eine Hebamme namens Salome

Salome  war ein gebräuchlicher jüdischer Name in der Zeit des Zweiten Tempels. Im Neuen Testament tauchen mindestens drei Frauen mit diesem Namen  auf.

Die vierte Salome  steht allerdings  nicht in der Bibel, sondern in den sogenannten Apokryphen. Dabei handelt es sich um Texte, die nie allgemein in der Kirche Verwendung fanden. Es sind  Evangelien und Geschichten, die zwischen 200 vor bis ca. 400 nach Christus entstanden  und unter dem Namen eines Apostels überliefert werden. Solche  Texte reichen von Kindheitserzählungen über Worte des Auferstandenen an seine Jünger bis zu  Apostelgeschichten mit teilweise recht kuriosen Ereignissen.  

Die im apokryphen Jakobusevangelium genannte  mysteriöse Figur der Hebamme Salome kommt zu spät, um Maria zu helfen. Das Kind ist bereits geboren. Als die  nicht genauer benannte Hebamme, die während der Geburt anwesend war,  voller Freude aus der Höhle heraus tritt, in der Maria Jesus zur Welt gebracht hat, trifft sie auf Salome und erzählt ihr: „Salome, Salome, ich habe dir ein nie da gewesenes Schauspiel zu erzählen. Eine Jungfrau hat geboren, was doch ihre Natur nicht zulässt.“ Salome reagiert auf diese Neuigkeit mit großer Skepsis: „So wahr der Herr, mein Gott, lebt: Wenn ich nicht meinen Finger hinlege und ihren Zustand untersuche, werde ich nicht glauben, dass eine Jungfrau geboren hat.“ Die Hebamme, überzeugt von der Jungfräulichkeit Marias, befiehlt Maria, sich für eine Überprüfung bereitzulegen.

Ein „nicht geringer Streit“ bestünde um sie. Maria tut so, wie ihr geheißen wurde. Daraufhin legt Salome zur Untersuchung von Marias Zustand ihren Finger hin. Das  genügt, um sie ihren Irrtum erkennen zu lassen. Sie fleht Gott um Erbarmen an. Da erscheint ein Engel vor ihr und verspricht ihr Heilung: „Salome, Salome, der Allherrscher hat dein Gebet erhört. Streck deine Hand aus zu dem Kind und nimm es auf den Arm! So wird dir Freude und Heil zuteilwerden.“ Voller Freude tritt Salome zum Kind. Sie nimmt es hoch und spricht: „Ich wil ihn anbeten, denn Israel ist ein großer König geboren.“ 

Aufatmend stiegen wir in das Auto und folgten seinem rasanten Tempo. Die holprige Straße war voller Schlaglöcher, dass wir Stoßgebete zum Himmel schickten, keinen Achsenbruch zu erleiden. Schließlich hielt der Mann mitten in einem Weinberg an und empfahl uns, das Auto hier stehen zu lassen. „Sehen Ssie dort oben den Hügel. Dort befindet sich das Grab der Salome. Am besten, Sie bewältigen die paar hundert Meter zu Fuß.“ Bevor  wir uns überschwänglich mit einem „God bless you“ bedanken konnten, war er schon losgebraust. 

Bald hatten wir den Hügel erklommen, als uns mehrere Videokameras beobachteten und eine schrille künstliche Frauen-Stimme uns darauf aufmerksam machte,  dass wir hier nichts zu suchen hätten. Die Ausgrabungsstätte sei heute geschlossen. Trotzdem wagten wir uns weiter bis zum Eingang der Höhle vor, schossen einige Fotos vom Vorhof und antiken Architekturteilen, begleitet  von einem ohrenbetäubenden Sirenengeheul.  

Gott sei Dank hatte uns der „Begleit-Engel“ die Telefonnummer von Hanan gegeben. Als wir ihn anriefen, stellte sich heraus, dass er Deutsch sprach. „Fahren Sie zurück nach den Moshav Lachish. Ich werde Ihnen die Telefonnummer des entsprechenden Archäologen geben. Mit ihm können Sie sich wegen der Fotos in Verbindung setzen.“

Mein ganzes Leben lang habe ich mich diesem biblischen Ort gewidmet

Hanan

Tatsächlich erwartete uns Hanan schon vor seinem Heim. „Man nennt mich den  ‚Wächter von Lachish‘. Mein ganzes Leben lang habe ich mich diesem biblischen Ort gewidmet. Ich gehöre mit meinen 86 Jahren zuzusagen zum Urgestein von Lachish. Ich telefoniere jeden Tag mit den Archäologen am Grab der Salome.“ Voller Stolz  zeigte er uns die Replika einer Tontafel von Ninive, auf der das erste Mal der Name Lachish auftaucht.  Dann gab er mir eine  Handy-Nummer, unter der ich  sofort  Emil Aladjem  von der „Israel Antiquities Authority“ erreichte. Er hat mit der Photogrammetry-Methode 3D-Modelle des  Geländes an der Salome-Höhle und  im Innern der Anlage erstellt.  Auf meine  Anfrage nach Fotos war er sofort breit, mir  diese zuzumailen. 

Zu der Salome-Höhle gehört der 350 Quadratmeter große Vorhof  mit Mosaikböden.  Bei den Eingängen sind einige der Steine  mit feinen dekorativen Pflanzenmustern verziert:  Rosetten, Granatäpfel und Akanthusvasen. Alles  zeugt davon, dass das Grab einer wohlhabenden jüdischen Familie gehörte. Bei den Ausgrabungen wurde auch eine Reihe von Verkaufsständen mit Hunderten von teils zerbrochenen,  teils noch intakten Tonlampen freigelegt. „Wir glauben, dass Pilger hierherkamen und eine Öllampe mieteten, um in der Höhle ihre Gebete zu verrichten. Ähnlich  wie heute, wenn man zum Grab eines verehrten Rabbiners oder in die Kirche geht und dort eine Kerze anzündet“, sagte der israelische Archäologe Zvi Firer.

Moderne Höhlenforschung

Die Höhle umfasst mehrere Kammern mit in den Fels gehauenen Grabnischen und zerbrochene steinerne Gebeinkästen, sogenannte Ossuarien,  die auf  jüdische Bestattungssitten hinweisen. Die Grabanlage wurde in der byzantinischen und frühislamischen Zeit weiter genutzt. Obwohl die Höhle bereits 1982 von Grabräubern ausfindig gemacht und geplündert wurde, bestätigen die jüngsten Ausgrabungen die Vermutung über die ursprünglich darin zur Ruhe gebettete Person. Dazu gehört die in den Stein geritzte Inschrift: „Salome, die Marias Hebamme war.“ Laut der israelischen Altertumsbehörde reichen diese zahlreichen Graffiti in altgriechischer und arabischer Sprache aus, um zu beweisen, dass es sich um die Höhle der heiligen Salome handle. Darunter die Worte „Salome“, „Jesus“, die Namen von Pilgern und in die Wand geritzte Kreuze. 


Die Höhle wurde erstmals in byzantinischer Zeit von einheimischen Christen als Grabstätte der aus Betlehem stammenden Hebamme Salome identifiziert und entwickelte sich schließlich zu einem Wallfahrtsort. Die neuesten Funde liefern weitere Beweise dafür, dass die Höhle trotz der muslimischen Eroberung der Region bis ins 9. Jahrhundert ein wichtiger Wallfahrtsort für Christen war. 

Der "Judean Kings’ Trail" ist ein 100 Kilometer Pfad


Die Ausgrabung wird im Rahmen des Projekts „Judean Kings’ Trail“, einem 100 Kilometer langen Pfad von Beersheba nach Beit Guvrin mit Dutzenden bedeutender archäologischer Stätten, von der israelischen Antikenbehörde, dem Ministerium für Kulturerbe und dem Jüdischen Nationalfonds durchgeführt. Damit soll eine sinnvolle und tief verwurzelte Verbindung zwischen Archäologie und kulturellem Erbe geschaffen werden.

„Sobald die Restaurierungs- und Erschließungsarbeiten an der ‚Salome-Höhle‘ abgeschlossen sind, werden Vorplatz und Höhle für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht“, erklärte Saar Ganor,  Direktor des Projekts „Judean Kings’ Trail“. „Denn immer noch betreten manche Pilger  illegal das Grab, wie moderne religiöse Gegenstände, Ikonen und Kerzen in den Innenräumen belegen. Doch  wir  hoffen, dass die offizielle Eröffnung der Höhle es einer größeren Anzahl von Menschen ermöglichen wird, die Stätte sicher zu erleben.“ 

Schlagwörter
Autor:
  • Karl-Heinz Fleckenstein
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