Die eigene Religion besser kennenlernen

Christentum und Bildung
Ausgabe Nr. 15
  • Weltkirche
Autor:
In Westeuropa wird Religion zurzeit mehr und mehr an den Rand gedrängt oder gar ignoriert. Die „Arbeitsgemeinschaft Katholischer Verbände“ betonen die Bedeutung von christlichen Bildung.
In Westeuropa wird Religion zurzeit mehr und mehr an den Rand gedrängt oder gar ignoriert. Die „Arbeitsgemeinschaft Katholischer Verbände“ betonen die Bedeutung von christlichen Bildung. ©istock

In Westeuropa wird Religion zurzeit mehr und mehr an den Rand gedrängt oder gar ignoriert. Bei einem Experten-Talk, zu dem die „Arbeitsgemeinschaft Katholischer Verbände“ eingeladen hatte, wurde die Bedeutung einer vertieften christlichen Bildung. erläutert.

Religiöse Bildung ist eine essentielle Voraussetzung für ein gutes Miteinander in der Gesellschaft und weltweit. Denn sie lässt menschliche Beziehungen und das Leben in unserer Zeit besser gelingen: So lautete der Grundtenor eines Experten-Talks am 4. April im „Haus der Europäischen Union“ in Wien. Auf Initiative des Präsidenten der „Arbeitsgemeinschaft Katholischer Verbände“, Matthias Tschirf, diskutierten der österreichische Europaabgeordnete Lukas Mandl (ÖVP) und der Europareferent der EU-Bischofskonferenzen (ComECE), Johannes Moravitz. Denn: „Die christlichen Kirchen wollen auch im säkularisierten Europa Brücken bauen und nicht trennen“, betonte Tschirf. 

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Das Ideal: „Ora et labora“

An die prägende „Vita activa und vita contemplativa“ („das aktive und das betrachtende Leben“) und überhaupt an das die Benediktregel zusammenfassende „Ora et labora“ („Bete und arbeite“) hinsichtlich der Frage nach der Bildung erinnerte Lukas Mandl in seinem Statement. Er sprach sich für eine umfassende religiöse Bildung aus, gerade „in einer Zeit, in der in Westeuropa Religion nur mehr für eine Minderheit relevant zu sein scheint“. 

Religion werde "an den Rand gedrängt oder ignoriert"

Im Unterschied zu anderen Weltgegenden werde das Christentum im säkularisierten  Westeuropa in seiner Bedeutung marginalisiert, Religion werde „mehr und mehr an den Rand gedrängt oder gar ignoriert“. Und auch das Wissen über die christliche Religion wie auch über andere Religionen werde immer geringer. Dabei sei es notwendig, die eigene christliche Religion und auch die Religionen zu kennen, mit denen „wir auch in Österreich mehr und mehr zu tun haben“, so Mandl. So sei es enorm wichtig, „zwischen dem Islam als Glaubenskonzept und dem politischen und oft gewaltbereiten Islamismus unterscheiden zu können“. Mandl sprach sich für einen „vernunftbasierten Glauben“ aus, wie ihn etwa Papst Benedikt XVI. gelehrt habe, denn „Glaube und Vernunft, Glauben und Denken“ seien kein Widerspruch. Der Europaabgeordnete befürchtet hierzulande „einen Verlust des Verständnisses für den Glauben überhaupt“. Die Menschen drohten „religiöse Analphabeten zu werden“. Um so wichtiger sei eine religiöse Bildung, die „in die Tiefe geht und den ganzen Menschen formt“.  

Der Stellenwert von Religion und Bildung

Gegenüber dem SONNTAG erläutert Johannes Moravitz, Europareferent der EU-Bischofskonferenzen (ComECE), den Stellenwert der Bildung für den christlichen Glauben. Diese umfasse weit mehr als gegenwärtig gefragte Kompetenzaneignungen und Fähigkeiten. Denn: „Ich muss wissen, was ich glaube.“

©Stephan Schönlaub

Interview mit Johannes Moravitz

Welche Bedeutung hat Bildung in der heutigen Wissensgesellschaft?
JOHANNES MORAVITZ: Eine sehr große Bedeutung im Sinne des Ansammelns von Wissen. Die humanistischen Wurzeln der Bildung sind hingegen heute weniger stark ausgeprägt als etwa im neunzehnten Jahrhundert, als es eine regelrechte Bildungsrenaissance gegeben hat. Heute geht es vor allem um das Aneignen der Kompetenzen, der Fähigkeiten („Skills“). Aber hinsichtlich der ganzheitlichen Bildung stelle ich größere Defizite fest.


„Wir wissen zu wenig über unsere Religion und auch über andere Religionen“, sagte Kardinal Christoph Schönborn in der Predigt zum Abschied als Wiener Erzbischof. Welche Bedeutung hat Bildung für den Glauben? 
Eine sehr, sehr große. Denn wenn ich wirklich glaube, und glaube, dass das, was ich glaube, wahr ist, dann muss ich auch wissen, was das bedeutet, und dann muss ich auch wissen, was ich eigentlich glaube. Also nicht nur um mich gegenüber anderen rechtfertigen oder argumentieren zu können, warum ich etwas glaube, sondern natürlich auch für mein eigenes persönliches Leben. Wenn ich versuche, ein vollkommenes Leben zu führen, das in Einklang ist, mit dem, was ich denke, fühle und glaube, dann muss ich einfach wissen, was ich glaube.


Warum braucht auch das Wachstum im Glauben Bildung? 
Es gibt verschiedenste Wege, wie Menschen zu Gott und zum Glauben finden. Wenn ich von diesem Glauben fasziniert bin, Jesus als Gott und Person näher kennenlernen möchte, dann muss ich auch mehr über ihn wissen. Das ist wie bei einem Freund: Wenn ich den wirklich gut kennenlernen möchte, dann muss ich ihm gut zuhören und auch von ihm lernen, und so ist es auch mit dem Glauben. Das, was ich wirklich liebe, das will ich auch mehr und mehr kennenlernen.


Sind die Zeichen und Symbole, ja auch die Inhalte des Christentums für den heutigen Menschen noch „lesbar“, etwa das Kreuz? 
Absolut. Da bin ich völlig davon überzeugt – ganz besonders das Kreuz. Ganz besonders in einer Zeit, in der man es vielleicht gar nicht sehen möchte, ist das Kreuz umso wichtiger, weil es eben das ultimative Zeichen der Hoffnung ist: Wenn alles am Boden liegt, wenn alles tot ist, genau dann ist Christus von den Toten auferstanden, genau dann kommt der Sieg. Für mich ist daher das Zeichen des Kreuzes in einer krisengeschüttelten Zeit wie der unsrigen, die vermutlich in den nächsten Jahren nicht weniger krisenhaft sein wird, ungemein wichtig.

©Stephan Schönlaub

Zur Person

Johannes Moravitz ist Europareferent der österreichischen Bischofskonferenz, Referent innerhalb der ComECE in Brüssel.

Autor:
  • Stefan Kronthaler
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