Die Begegnung mit mir selbst
Fastenserie mit Äbtissin Hildegard Brem - Teil 2Viele Menschen fühlen sich ohnmächtig, wenn sie an die Konflikte in dieser Welt denken. Die große Weltpolitik agiert über unsere Köpfe hinweg und macht uns anscheinend zu Statisten in einem oft unheilvollen Geschehen, das wir kaum beeinflussen können. Frustration und Zukunftsangst sind häufige Folgeerscheinungen ...
Wo sollen wir unseren Friedensweg beginnen? Vielleicht haben wir tolle Gedanken, wie man dieses oder jenes Problem in der Welt lösen oder in manchen Konflikten Frieden stiften könnte. Es nützt aber nichts, weil wir nicht gefragt werden und keine Einflussmöglichkeiten besitzen. Einen Punkt gibt es jedoch, wo wir ansetzen können: unser eigenes Herz.
Worte eines geistlichen Meisters
Wann habe ich mir das letzte Mal Zeit genommen, nach innen zu hören und mich selbst zu spüren? Das wäre ein wunderbarer Ausgangspunkt, um mehr „ich selbst“ zu werden und im Einklang mit mir zu leben. Vielleicht ist diese Fastenzeit eine Gelegenheit, solche kleinen Pausen in meinem Alltag einzuplanen? Der heilige Bernhard von Clairvaux schreibt an den vielbeschäftigten Papst Eugen III.: „Höre, was ich dir raten möchte: Wenn du dein ganzes Leben für die Tätigkeit aufwendest, für die Besinnung aber nichts, soll ich dich da vielleicht loben? Nein, in diesem Fall kann ich dich nicht loben. Ganz gewiss ist es auch für das Handeln selbst ungünstig, wenn ihm nicht die Besinnung vorangeht.
Aboaktion zur Fastenserie "Frieden suchen"
Die Zisterzienserin Hildegard Brem, geboren 1951 in Wien, ist Äbtissin der Abtei Mariastern-Gwiggen in Hohenweiler in Vorarlberg und begleitet mit ihren Beiträgen zum Thema „Frieden“ durch die Fastenzeit.
Der SONNTAG bietet zur Serie mit Äbtissin Hildegard Brem ein spezielles Abo: 8 Wochen für 8 Euro.
Wenn du vom Wunsch beseelt bist, für alle da zu sein, so lobe ich deine Menschenliebe, doch nur, wenn sie vollkommen ist. Wie kann sie aber vollkommen sein, wenn du ausgeschlossen bist? Auch du bist ein Mensch. Die Menschenliebe kann somit nur dann umfassend und vollständig sein, wenn das Herz, das alle umschließt, auch dich aufnimmt. Denn was nützt es dir sonst, wenn du alle gewinnst, wie der Herr sagt, nur dich selbst verlierst? Wie lange noch willst du ein Geist sein; der ausgeht, aber nicht heimkehrt? Wie lange noch willst du dich nicht auch selbst empfangen, wenn unter den anderen die Reihe an dich kommt? Bist du dir etwa ein Fremder? Wem bist du nicht fremd, wenn du es dir selber bist? Schließlich: Wer gegen sich selber böse ist, gegen wen ist der gut? Achte also darauf, dass du dir dann und wann Zeit für dich selber nimmst!“
Ruhemomente in meinem Alltag
Bei einem solchen Innehalten stoßen wir sehr schnell auf die Dauerbrenner in unserem Leben. Was beschäftigt mich ständig? Was raubt mir Ruhe und Kraft? Was verletzt mich jedes Mal neu, wenn ich daran denke? Oft haben wir sehr schnell die „Schuldigen“ für unsere Probleme bei der Hand, wir machen ihnen innerlich Vorwürfe und steigern uns in unseren Groll hinein. Dabei hat schon der heilige Johannes Chrysostomos im 4. Jahrhundert festgestellt, dass uns niemand verletzen kann, wenn wir uns nicht selbst verletzen, indem wir die kränkenden Ereignisse immer neu aufrollen. Auf diese Weise kommen wir nie zum inneren Frieden!
Zielführender wäre ein anderer Weg: Ich suche mir einen Ort, der zu Besinnung einlädt und wo ich mich wohlfühle. Das kann ein Plätzchen im Garten sein, ein stiller Winkel in einer Kirche oder ein gemütlicher Spaziergang im Wald. Ich lasse dann alles aufsteigen, was mich beschäftigt, spreche es aus und halte es Gott hin, der da ist und liebevoll auf mich wartet. Er nimmt mich an, wie immer die Situation sein mag, er verurteilt mich nicht, er steht zu mir und will mir helfen. Vielleicht gelingt es mir, ein wenig ruhiger zu werden, wenn ich mein Herz ausgeschüttet habe; vielleicht braucht es auch mehrere Anläufe dazu. Kann ich glauben, dass Gott mich liebevoll ansieht? Wie schön wäre das, wie viel Kraft könnte mir das schenken ...! Vielleicht bin ich nach einiger Zeit so weit, dass ich nicht nur sprechen, sondern auch hören kann. Herr, wie siehst du diese Situation? Wie siehst du diesen oder jenen Menschen? Hilf mir, auf das Positive zu schauen, auf die kleinen Zeichen der Hoffnung und kreativ darauf zu reagieren! Vielleicht könnte ich dann neue Schritte ausprobieren – und das alles nicht alleine, sondern mit dem, mit dem ich im Gebet mein Leben besprochen habe. Er schenkt mir gerne seine Hilfe und Führung, wenn ich ihn darum bitte!
Helfendes Begleitgespräch
Bisweilen braucht man für besonders belastende Situationen auch einen menschlichen Gesprächspartner, der wohlwollend und verständnisvoll, aber auch kritisch zuhört und hilft, das eigene Leben ungeschminkt in den Blick zu fassen. Habe ich den Mut, mich auf solche Kraftmomente einzulassen, mich zu bewegen und vielleicht verändern zu lassen?
Ich bete für Sie und nehme Sie alle in meine stillen Stunden der Fürbitte und der Anbetung mit!
Zum Weiterdenken: Fragen und Anregungen
- Wann könnte ich in meinen Tag 10 bis 15 Minuten der Besinnung einplanen, um mehr zu mir und zu Gott zu kommen?
- Zu wem habe ich so viel Vertrauen, dass ich ihm das anvertrauen kann, was den Frieden in meinem Herzen stört bzw. zerstört?
- Könnte ich vielleicht die Fastenzeit nützen, um mir in einem Beichtgespräch die Vergebung, Heilung und begleitende Hilfe Gottes ganz persönlich zusagen zu lassen?
Podcast mit Äbtissin Hildegard Brem
"Wer sehnt sich nicht nach Frieden?", fragt Äbtissin Hildegard Brem bei der Faschingsjause. Sie meint, dass das Thema weltpolitisch ist, denn Friede ist ein Sehnsuchtsziel. Ihre These zum persönlichen Friedensweg: "Haben wir nichts gelernt aus der Geschichte? Wer selber im Unfrieden lebt, kann keinen Frieden weiter geben."
Die Podcast-Reihe "SONNTAGs-Jause" erscheint jeden Sonntag auf den gängigen Podcast-Plattformen wie